Einfluss von Alkohol auf Demenzrisiko

Der tägliche Konsum geringer Alkoholmengen scheint das Demenzrisiko laut einer aktuellen Studie zu senken, vorausgesetzt es liegen noch keine kognitiven Einschränkungen vor.

Alkohol

Hintergrund

Aktuell leiden ca. 50 Millionen Menschen weltweit an einer Demenz, für das Jahr 2030 wird ein Anstieg auf 82 Millionen Betroffene prognostiziert. Wissenschaftler beschäftigen sich deswegen mit der Identifizierung von begünstigenden und hemmenden Einflüssen auf die Entstehung einer Demenz.

Der Konsum von Alkohol ist einer der untersuchten Einflussfaktoren. Mehrere epidemiologische Studien sprechen dafür, dass moderater Alkoholkonsum das Demenzrisiko im Vergleich zum Alkoholverzicht reduziert. Allerdings sind einige Aspekte bisher unklar:

  • Einfluss von Menge und Frequenz des Alkoholkonsums
  • Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und der Abwesenheit bzw. dem Vorhandensein von Apolipoprotein ε4  (APOE E4)
  • Mögliche Unterschiede im Einfluss von Alkoholkonsum auf das Demenzrisiko in einer wachsenden Population älterer Menschen mit kognitiven Einschränkungen (Mild Cognitive Impairment [MCI]).

Zielsetzung

Ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Manja Koch vom Department für Ernährung der Havard T. H. Chan School of Public Health in Boston untersuchte in einer Studie die Assoziation von Alkoholkonsum mit der Inzidenz von Demenz und kognitivem Abbau in einer US-amerikanischen Population [1]. Die Fragestellung der Studie lautete, ob Alkoholkonsum mit dem Risiko einer Demenz und kognitivem Abbau bei älteren Erwachsenen mit oder ohne MCI assoziiert ist.

Methodik

Die Kohortenstudie basierte auf Daten der Ginkgo Evaluation of Memory Study, die von 2000 bis 2008 in den USA durchgeführt wurde. Die Studie war primär dazu konzipiert, den Nutzen von Ginkgo biloba mit Placebo zu vergleichen. Ginkgo biloba konnte die Demenzrate in der Studie nicht senken.

In die Studie gingen Daten von 3.021 Teilnehmern ein, die 72 Jahre und älter waren und zu Studienbeginn nicht an Demenz erkrankt waren. Die Beurteilung des kognitiven Status erfolgte mit Hilfe des Mini-Mental-Status-Tests. Dieser Test dient zur Feststellung kognitiver Defizite im klinischen Alltag.  Die Teilnehmer dokumentierten ihren Alkoholkonsum auf Fragebögen unter Berücksichtigung von Frequenz und Menge.

Ergebnisse

Die Studienteilnehmer waren im Mittel 78 Jahre alt, 1.395 Probanden waren weiblich. Etwa 16% der Probanden zeigten erste kognitive Defizite (MCI). Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 6 Jahre. In diesem Zeitraum erkrankten 512 Teilnehmer an Demenz.

Bei der Menge des konsumierten Alkohols wurde einer Vergleich zwischen 7,1 bis 14 Drinks pro Woche und weniger als einem Drink pro Woche gezogen. Dabei wurden die Angaben der Probanden auf Standarddrinks (eine Dose Bier à 350 ml oder ein Glas Wein à 180 ml) umgerechnet. Ein Drink enthält dabei etwa 14 g reines Ethanol. Die Hazard Ratio (HR) für eine Demenz lag bei 0,63 (95% Konfidenzinterval [CI] 0,83 – 1,06) bei den 2.548 Teilnehmern ohne MCI und bei 0,93 (95% CI 0,47 – 1,84) bei 473 Teilnehmern mit MCI.

Alkoholmenge und kognitiver Status

Bei Teilnehmern mit MCI lag die HR für Demenz bei 1,72 (95% CI 0,87 – 3,40) bei mehr als 14 Drinks pro Woche in Vergleich zu unter einem Drink pro Woche. Teilnehmer ohne MCI wiesen ein reduziertes Demenzrisiko auf, wenn sie täglich geringe Mengen Alkohol statt unregelmäßig größere Mengen aufnahmen (HR 0,45; 95% CI 0,23 – 0,89). Die Ergebnisse veränderten sich nicht unter Stratifizierung nach Geschlecht, Alter und APOE E4 Genotyp.

Im Vergleich zur Aufnahme von unter einem Drink pro Woche, zeigten sich sowohl eine Abstinenz (bei Teilnehmern ohne MCI) als auch der Konsum von mehr als 14 Drinks pro Woche (bei Teilnehmern mit MCI) assoziiert mit einem niedrigeren Score im Mini-Mental-Status-Test (mittlere Differenz beim Follow-up im Vergleich zur Baseline -0,46 [95% CI -0,87 bis -0,04] und -3,51 [95% CI -5,75 bis -1,27]).

Fazit

Unter Teilnehmern ohne MCI war der tägliche Konsum geringer Alkoholmengen mit einem reduzierten Demenzrisiko assoziiert im Vergleich zur unregelmäßigen Aufnahme größerer Alkoholmengen. Besondere Vorsicht ist geboten bei Personen, die trotz einer MCI weiterhin Alkohol zu sich nehmen. Hier resultierte der Konsum von mehr als 14 Drinks pro Woche im stärksten kognitiven Abbau im Vergleich zur Aufnahme von unter einem Drink wöchentlich.

Die Studienergebnisse zeigen, dass Ärzte im Umgang mit älteren Patienten das Trinkverhalten und den kognitiven Status genau evaluieren sollten, bevor sie Empfehlungen bezüglich des Konsums von Alkohol aussprechen.

Limitationen der Studie

Die Menge des Alkoholkonsums wurde aus den Selbstauskünften der Teilnehmer ermittelt. Weiterhin war die Studienpopulation recht klein und damit auch die Ereignisrate, so dass statistisch belastbare Ergebnisse kaum zu erwarten sind.

Quelle:
  1. Koch et al. (2019): Alcohol Consumption and Risk of Dementia and Cognitive Decline Among Older Adults With or Without Mild Cognitive Impairment. JAMA Network Open, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2019.10319
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