
Niedrige Cholesterinspiegel verändern die osmotische Fragilität von Erythrozyten. In Folge dessen könnte es einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von LDL-Cholesterin (LDL-C) und dem Risiko einer intrazerebralen Blutung (IZB) geben. Die Women’s Health Study stellte dazu bereits einen Zusammenhang her. Demnach erhöhen sehr niedrige LDL-C- und niedrige Triglycerid-Konzentrationen das Risiko hämorrhagischer Insulte (2019; DOI: 10.1212/WNL.0000000000007454). Aktuell kommt eine weitere prospektive Kohortenstudie aus China zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Studienautoren ermittelten bei niedrigen LDL-Konzentrationen ein mehr als doppelt so hohes IZB-Risiko als bei normalen Cholesterinspiegeln.
Studiendesign
Die aktuelle Kohortenstudie (Kailuan-Studie) umfasste 96.043 Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 51,3 Jahren aus der chinesischen Großstadt Tangshan. Alle Probanden waren zu Studienbeginn 2006 frei von Schlaganfall, Myokardinfarkt und Karzinomerkrankungen. Die Serum LDL-C-Konzentrationen wurden in den Jahren 2006, 2008, 2010 und 2012 bewertet. Die kumulativen durchschnittlichen LDL-C-Spiegel erfolgten aus einer Berechnung aller verfügbaren LDL-C-Daten im Untersuchungszeitraum. Den Vorfall einer IZB entnahmen die Wissenschaftler aus den jeweiligen Krankenakten.
Studienergebnisse
Am Ende der Studie nach neun Jahren wurden insgesamt 753 IZB-Fälle registriert. Das Risiko einer intrazerebralen Blutung war bei Teilnehmern mit LDL-Konzentrationen von 70 bis 99 mg/dl sowie LDL-C-Konzentrationen ≥ 100 mg/dl ähnlich. Deutliche Unterschiede gab es jedoch bei niedrigen LDL-C-Spiegeln. So hatten Probanden mit LDL-C-Konzentrationen < 70 mg/dl im Vergleich zu denjenigen mit LDL-C-Konzentrationen von 70 bis 99 mg/dl ein signifikant höheres Risiko, eine IZB zu entwickeln. Die Risikowerte bei LDL-C-Spiegeln < 70 mg/dl waren unabhängig von Alter, Geschlecht und Gewicht (BMI) der Probanden. Ebenfalls hatten arterieller Hypertonus, Alkoholkonsum und die Einnahme von Lipidsenkern oder Antikoagulantien keinen Einfluss.
Doppelt so hohes Risiko bei LDL-C-Spiegeln unter 50 mg/dl
Ergebnisse in Zahlen: Bei Personen mit LDL-C-Spiegel zwischen 50 bis 69 mg/dl stieg das IZB-Risiko um 65 Prozent (95% Konfidenzintervall 1,32 – 2,05). Bei LDL-C-Konzentrationen < 50 mg/dl konnte sogar ein um 169 Prozent erhöhtes Risiko intrazerebraler Blutungen festgestellt werden (95% Konfidenzintervall 2,03 – 3,57). Der Grenzwert für eine signifikante IZB-Risikoerhöhung lag bei 75 mg/dl.
Fazit
Die beobachteten Daten könnten insbesondere für Patienten mit erhöhtem Risiko für atherosklerotische Erkrankungen und hämorrhagische Insulte von Bedeutung sein. Im Hinblick der aktuellen Ergebnisse sollten zukünftig vielleicht nicht nur die positiven kardiovaskulären Effekte niedriger Cholesterinkonzentrationen bedacht, sondern auch mögliche negative intrazerebrale Blutungsrisiken im Hinterkopf behalten werden. So könnten stark IZB-gefährdete Patienten möglicherweise von einer weniger strengen LDL-Senkung profitieren.