Leitlinie zur Einwilligung dementer Patienten in medizinische Maßnahmen

Die Leitlinie soll Ärzten und Pflegepersonal eine Entscheidungsfindung von hoher ethischer Qualität im Umgang mit Demenz-Patienten ermöglichen, wenn es um deren Einwilligung in eine medizinische Maßnahme geht.

Demenz

Im Grundgesetz ist das Recht auf die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen verankert. Dies bedeutet, dass für jede Behandlung die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich ist. Kann diese Einwilligung nicht oder nur eingeschränkt durch die Person selbst erfolgen, verkompliziert sich die Situation. Dies kann beispielweise im Rahmen einer Demenz der Fall sein.

Neue Leitlinie unterstützt in Entscheidungssituationen mit Demenz-Patienten

Die neue S2k-Leitlinie „Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen“ soll Ärzte, Psychologen und Pflegekräfte im Umgang mit potentiell einwilligungsunfähigen Personen unterstützen und deren Handlungsfähigkeit in Entscheidungssituationen über medizinische Maßnahmen sicherstellen. Daneben bietet die Leitlinie Informationen für Erkrankte und deren Angehörige, gesetzliche Betreuer und sonstige Betreuungsbevollmächtigte.

Die Leitlinie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG), der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) unter Einbeziehung der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.- Selbsthilfe Demenz erstellt. Die Leitlinie beleuchtet medizinische, medizinrechtliche und medizinethische sowie pflegewissenschaftliche und gerontopsychologische Anforderungen.

Leitlinie in Kurz- und Langversion verfügbar

Die Kurzversion soll die Anwendung in der Praxis erleichtern. Alle relevanten rechtlichen Vorgaben werden aufgeführt und alle 33 Empfehlungen aus der Langversion werden vorgestellt. Abschließend wird anhand eines Fallbeispiels das konkrete Vorgehen im Aufklärungsgespräch zu einer Lumbalpunktion veranschaulicht.

Die Langversion bietet zusätzlich empirische, theoretische und rechtliche Hintergründe zu den jeweiligen Empfehlungen und einen Entscheidungsbaum, der durch den Prozess der Entscheidungsfindung zur Durchführung einer medizinischen Maßnahme leitet.

Ablauf eines Entscheidungsprozesses

Im Rahmen eines Entscheidungsprozesses müssen Informationen vermittelt und vom Empfänger verstanden werden, um eine freie Entscheidung treffen zu können. Im Rahmen der Leitlinie geht es hier um die Entscheidung für bzw. Einwilligung in eine medizinische Maßnahme.

Die Leitlinie nennt als Kriterien zur Einwilligungsfähigkeit einer Person in eine konkrete medizinische Maßnahme:

  • Informationsverständnis
  • Einsicht
  • Urteilsvermögen
  • Kommunizieren einer Entscheidung.

Einwilligungsfähigkeit bei Demenz: dynamisch und progredient

Die Einwilligungsfähigkeit bei Patienten mit Demenz ist dynamisch und vom Grad der Demenz abhängig. Die Dynamik bezieht sich hier nicht nur auf den progredienten Charakter der Veränderung, sondern auch auf Schwankungen im Tages- und Wochenverlauf. Hier geht die Leitlinie auf das sogenannte „sundowning“ ein. Dies bedeutet, dass Demenz-Patienten zu Tagesbeginn häufig über aktivierbare Ressourcen verfügen und sich die Symptomatik im Tagesverlauf verschlechtert.

Vorgehen bei der Aufklärung

Im Aufklärungsgespräch zu einer medizinischen Maßnahme sollten die Behandlungsalternativen benannt werden und über Nutzen und Risiken sowie die häufigsten und gravierendsten Nebenwirkungen informiert werden. Die Leitlinie empfiehlt für Menschen mit Demenz eine an die kognitiven Ressourcen und Defizite angepasste Aufklärung.

In einem Beispiel für ein Aufklärungsgespräch zur Lumbalpunktion stellt die Leitlinie hier wichtige Punkte heraus: Gerade bei Patienten mit Demenz sollte auf eine einfache Sprache geachtet und die Personenzentrierung über den Gesprächsverlauf gehalten werden. Die Aufmerksamkeit kann durch Zeigegesten gelenkt werden, Abbildungen können unterstützen. Durch eine gezielte Fragestellung im Anschluss soll überprüft werden, ob das Informationsverständnis beim Patienten gegeben ist.

Prüfung der Einwilligungsfähigkeit bei Patienten mit Demenz

Bestehen Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit einer Person, muss von rechtlicher Seite laut Bürgerlichem Gesetzbuch vor jeder ärztlichen Intervention geprüft werden, ob eine Einwilligungsfähigkeit vorliegt oder nicht.

Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit soll dokumentiert werden. Unterstützungen zur Einwilligungsfähigkeit können angeboten werden.

Fazit

Die in der Langfassung 126 Seiten umfassende Leitlinie möchte die Autonomie und das Wohl der Patienten fördern und Ärzten, Pflegepersonal sowie anderen Berufsgruppen ein Handeln im Entscheidungsprozess von hoher ethischer Qualität ermöglichen.

Dazu gibt die Leitlinie nicht nur Informationen zu patientenbezogenen Eigenschaften, sondern gibt auch Empfehlungen zur Gestaltung von Entscheidungskontexten und zu rechtlichen Rahmenbedingungen, etwa was beim Erstellen einer Vorausverfügung zu berücksichtigen ist.

Quelle:
  1. S2k-Leitlinie „Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen“ (AWMF-Registernummer 108/001), abgerufen am 29.01.2020
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Pressemeldung, 14.01.2020
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige