
Hintergrund
Neurologische Manifestationen bei COVID-19 werden unter dem Begriff Neuro-COVID zusammengefasst. Dabei kann unter anderem eine Enzephalopathie auftreten. In einer Studie aus New York, die im Fachjournal Neurology publiziert wurde, zeigten 7% der SARS-CoV-2-Infizierten eine Enzephalopathie, genauer gesagt eine toxisch-metabolische Enzephalopathie (TME) [1].
Das Outcome nach einer solchen Enzephalopathie hängt von verschiedenen Faktoren ab. Das Auftreten eines Delirs, assoziiert mit einer Sedierung, gilt als Faktor für eine schlechte Prognose. Insgesamt wird das Outcome von der Ätiologie der TME beeinflusst, eine Beurteilung kann am besten bei nicht sedierten Patienten erfolgen.
Zielsetzung
Autoren um Dr. Jennifer Frontera vom Department of Neurology, New York University Grossman School of Medicine, untersuchten die verschiedenen Ätiologien der TME bei Patienten mit COVID-19 ohne Sedierung bzw. nach der Auswaschphase der Sedativa [2].
Methodik
In dieser retrospektiven multizentrischen Kohortenstudie nahmen Patienten mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion (rtPCR positiv) aus vier New Yorker Krankenhäusern teil. Die Daten wurden im Zeitraum von 1. März 2020 bis zum 20. Mai 2020 erhoben. Die Diagnose TME wurde bei Patienten mit verändertem mentalem Status ohne Sedierung bzw. nach Auswaschphase der Sedativa gestellt. Patienten mit strukturellen Erkrankungen des Gehirns, Anfällen oder primären neurologischen Erkrankungen wurden von der Studie ausgeschlossen.
Die Prävalenz der TME sowie deren Ätiologie und die Mortalität noch während des Krankenhausaufenthaltes wurden analysiert. Dabei wurden Faktoren wie Alter, Geschlecht, Notwendigkeit einer Intubation und SOFA-Score [Sequential Organ Failure Assessment] berücksichtigt.
Ergebnisse
Von den 4.491 Studienteilnehmern mit COVID-19 zeigte sich bei 559 (12%) eine TME. Von diesen 559 Patienten entwickelte ein Großteil (78%) die Enzephalopathie unmittelbar vor Krankenhauseinweisung.
Die häufigsten Auslöser, die der TME zugrunde lagen, verteilten sich wie folgt:
- Septische Enzephalopathie (62%)
- Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE; 59%)
- Urämie (28%).
Multiple Ätiologien waren am jedoch noch häufigster und traten bei 78% der Patienten auf.
Patienten mit TME meist älter und mit Vorerkrankungen
Im Vergleich zu Patienten ohne TME waren Patienten mit einer Enzephalopathie im Durchschnitt älter (76 vs. 62 Jahre), hatten häufiger eine Demenz (27% vs. 3%) oder eine psychiatrische Erkrankung in der Vorgeschichte (20% vs. 10%), benötigten häufiger eine Intubation (37% vs. 20%) und der Krankenhausaufenthalt war länger (7,9 vs. 6,0 Tage). Außerdem wurden Patienten mit TME seltener entlassen (25% vs. 66%).
Nach Ausschluss von Patienten, die aus pflegerischen Gründen im Krankenhaus waren und nach Berücksichtigung anderer Faktoren (Notwendigkeit einer Intubation, SOFA-Score) war eine TME mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert (30% vs. 16%) und eine TME aufgrund einer Hypoxie (HIE) zeigte das höchste Mortalitätsrisiko (42%). Dieser beobachtete Effekt war statistisch signifikant (p = 0,001).
Fazit
In der vorliegenden Studie kam es bei einem von acht COVID-19-Patienten zu einer TME. Dieser lag im Großteil der Fälle eine multifaktorielle Ätiologie zugrunde, bezogen auf einzelne Ursachen waren Sepsis, Hypoxie und Urämie am häufigsten. Das Mortalitätsrisiko war bei COVID-19-Patienten, die eine TME entwickelten, um 24% erhöht und am höchsten bei Patienten mit einer HIE als Ursache der TME.