
Hintergrund
Die Ergebnisse retrospektiver Studien zeigen schwerer motorische Symptome, eine erhöhte Krankheitsaktivität und weiter fortgeschrittene Hirnatrophie in der MRT sowie stärkere kognitive und psychische Einschränkungen bei Multiple Sklerose-Patienten, die rauchen. Patienten mit schubförmig remittierender MS (RRMS), die rauchen, zeigen einen schnelleren Übergang zu sekundär progredienten Form und sterben im Durchschnitt früher.
Der negative Effekt des Rauchens auf die MS-Erkrankung ist gut belegt. Ob es auch hilft mit dem Rauchen aufzuhören, wenn man bereits an MS erkrankt ist, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Bisherige retrospektive Studien haben einen möglichen positiven Effekt der Raucherentwöhnung ergeben. Die Datenlage ist jedoch bislang nicht eindeutig.
Zielsetzung
Forscher um Dr. Jeff Rodgers von der Swansea University Medical School in Großbritannien untersuchten den Effekt des Rauchens und der Raucherentwöhnung auf den Outcome von MS-Patienten [1].
Methodik
Die Studie analysierte Daten aus dem United Kingdom MS Register aus den Jahren 2011-2020 sowohl retrospektiv als auch prospektiv. Als primäre Endpunkte wurden drei Patient Reported Outcomes (PROs) festgelegt, es handelt sich dabei um Scores und Fragebögen, die auf der Auskunft der Patienten beruhen.
Einer dieser PNOs ist die MS Physical Impact Scale (MSIS-29-Phys-Score), welche dazu dient, den Einfluss der MS-Erkrankung auf das alltägliche Leben zu evaluieren. Die MS Walking Scale (MSWS-12-Score) gibt Auskunft über die Gehfähigkeit der Patienten. Als dritter PRO wurde die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS) gewählt, ein Fragebogen zur Evaluierung von Angst und Depressionen im stationären Setting.
Ergebnisse
Insgesamt gingen 7.983 Personen in die Auswertung ein. Davon hatten 4.130 Personen (51,7%) geraucht bzw. rauchten immer noch (ehemalige Raucher 2.815 Personen [68,2%], aktive Raucher 1.315 [16,5%]). Aktive Raucher zeigten bei der ersten Befragung in allen drei PROs höhere Werte, welche mit einem höheren Grad der Funktionseinschränkung korrespondieren. Eine Verbesserung der PROs je länger die Raucherentwöhnung zurück lag, konnte in den retrospektiven Daten nicht festgestellt werden.
Signifikante Unterschiede nach vier Jahren
In der prospektiven Gruppe mit 923 Teilnehmenden zeigte sich eine Verschlechterung der PROs mit Ausnahme der HADS-Skala für Angst. Hier blieb der Wert über vier Jahre hinweg stabil. Der Einfluss des Rauchens zeigte im vierten Jahr signifikante Effekte. Aktive Raucher hatten hier höhere Werte im MSIS-29-Phys und HADS-Anxiety (3,05 [0,22; 5,88] und 1,14 [0,52; 1,76]). Bei Personen, die mit dem Rauchen aufgehört hatten, zeigten einen niedrigeren Wert des MSIS-29 von -2,91 (-5,03;-0,79).
Das Rauchen verkürzte auch die Progressionszeit bei allen PROs (MSIS-29-Phys: n=4.436; p=0,0013; MSWS-12: n=3.902; p=0,0061; HADS-Anxiety: n=4.511; p=0,0017; HADS-Depression: n=4.511; p<0.0001). Eine Verschlechterung der Motorik war unabhängig von den beiden HADS-Scores zu Studienbeginn. Es zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Progressionsrate zwischen ehemaligen Rauchern und Personen, die nie geraucht hatten.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Raucherentwöhnung zu jedem Zeitpunkt sinnvoll ist. Was die motorischen Fähigkeiten angeht, glich sich die Progressionsrate nach der Raucherentwöhnung sogar an die von Personen an, die noch nie geraucht hatten.