
Die Studien INTERACT-2 und ATACH-2 hatten den Effekt der Blutdrucksenkung unterschiedlichen Ausmaßes auf klinische Endpunkte nach spontaner Hirnblutung untersucht, berichtete Professor Dr. Thorsten Steiner, Neurologe vom Klinikum Frankfurt Höchst und der Universitätsklinik Heidelberg [1-3]. Beide gingen negativ aus – wie viele andere Studien zur Therapie spontaner intrakranieller Blutungen auch. Dabei kann die Blutdrucksenkung auf systolisch ≤140 mmHg nach einer Metaanalyse die Expansion der Blutung innerhalb der ersten 4 Stunden signifikant reduzieren [4].
Zu wenig, zu spät, zu tief oder auch zu viel
Es gab laut Steiner, federführender Autor der kürzlich erschienen Sk2-Leitlinie zur Behandlung von spontanen intrazerebralen Blutungen [5] verschiedene Gründe für einen fehlenden signifikanten Unterschied der Wahrscheinlichkeit von Tod oder schwerer Behinderung nach 90 Tagen durch eine intensivierte Blutdrucksenkung im Vergleich zur Standardtherapie. In der Studie INTERACT-2 war der erreichte Unterschied des systolischen Blutdrucks von Standard- und Interventionsgruppe zu gering und die Blutdrucksenkung auf ≤140 mmHg wurde zu spät erreicht, nämlich erst nach sechs Stunden [2]. In der ATACH-2-Studie erfolgte dagegen eine zu starke systolische Blutdrucksenkung auf im Mittel ≤120 mmHg und auch die Standardgruppe lag unter dem Zielwert des systolische Blutdrucks von ≤140 mmHg [3].
Bestätigung der Ergebnisse
Eine aktuelle Metaanalyse auf Basis individueller Patientendaten bestätigt noch einmal [6]: Die intensivierte Blutdrucksenkung bei spontaner Hirnblutung reduziert signifikant das Hämatomwachstum (adjustierte Odds Ratio 0,75; 95% Konfidenzintervall 0,60–0,92; p<0,01). Die Hämatomexpansion wird am ehesten dann verringert, wenn die Senkung des systolischen Blutdrucks innerhalb von zwei bis vier Stunden erreicht wird. Die Blutdrucksenkung führt aber nicht zu einem besseren funktionellen Behandlungsergebnis gemessen mit Hilfe der modifizierten Rankin-Skala (mRS).
Vorsicht Kollateralschaden
Ein Grund könnten unerwünschte Effekte der Blutdrucksenkung sein. Bei der Prüfung, wie schnell und wie viel der Blutdruck bei Patienten mit spontanen Hirnblutungen gesenkt werden kann, zeigte sich, dass eine sehr starke Blutdrucksenkung unabhängig von einer vorbestehenden Nierenfunktionseinschränkung die Wahrscheinlichkeit für ein akutes Nierenversagen erhöht [7]. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches akutes Nierenversagen stieg insbesondere bei einer systolischen Blutdrucksenkung um mehr als 90 mmHg stark an.
Aktuelle Empfehlungen
Entsprechend empfiehlt die aktualisierte Leitlinie bei Patienten mit akuter spontaner intrazerebraler Blutung eine Senkung des systolischen Blutdrucks möglichst innerhalb von zwei Stunden nach Beginn der Blutung [5]. Dabei sollte ein systolischer Blutdruck von ≤140 mmHg, jedoch nicht unter 110 mmHg erreicht werden und die maximale systolische Blutdrucksenkung sollte 90 mmHg nicht überschreiten.
Variabler Blutdruck kritisch
Eine aktuelle gepoolte Datenanalyse von mehr als 5.400 Patienten mit spontaner Hirnblutung zeigt die Bedeutung der Variabilität des Blutdrucks in den ersten 24 Stunden nach einer spontanen Hirnblutung: Jeder Anstieg der Schwankung des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg bedeutet eine Erhöhung des Risikos für eine Verschlechterung im mRS im Verlauf um 18% [8]. Die Assoziation war besonders deutlich bei Patienten, die eine blutdrucksenkende Therapie mit α- und β-Adrenorezeptorblockern und Kalziumkanalblockern erhalten hatten. „Wir haben immer noch nicht das richtige Medikament, um bei den Patienten den Blutdruck schnell und gezielt zu senken“, sagte Steiner.