EHA2021: AML-Chemo daheim

Werden Patienten mit malignen Bluterkrankungen Zuhause behandelt, könnte sich das sehr positiv auf ihre Lebensqualität auswirken. Bei soliden Tumorerkrankungen gibt es bereits entsprechende Systeme. Bei Leukämien wurden diese aber bislang nicht eingesetzt.

Aerztin Besprechung Chemotherapie

Die meisten hämatologischen Neoplasien werden stationär oder in ambulanten Behandlungszentren durchgeführt. Es gibt aber inzwischen die Möglichkeit, Chemotherapien auch Zuhause ohne Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal durchzuführen, wie Dr. Kristina Nørskov, Pflegespezialistin an der Abteilung für Hämatologie des Universitätskrankenhauses in Kopenhagen, anlässlich des EHA 2021 berichtete [1]. Diese Art der Therapie stellt eine sehr patientenzentrierte Methode dar, die den Patienten wie ihren Angehörigen psychologische Vorteile bietet. In Studien konnte so auch eine Reduktion der stationären Aufenthaltsdauer und der notwendigen Kapazitäten für Langzeitinfusionen im ambulanten Behandlungssetting erreicht werden. Patienten können so eher in ihrem gewohnten Alltag bleiben, ihr soziales Netzwerk aufrechterhalten und stärker körperlich aktiv bleiben.

Proof-of-Concept Studie für die Chemotherapie daheim

Die Evidenz für die Chemotherapie im eigenen Zuhause umfasst bislang allerdings keine hämatologischen Neoplasien. Zur Überprüfung dieses Konzepts in diesem Bereich führten Nørskov und Kollegen zwischen 2017 und 2020 eine nationale Kohortenstudie in sechs Zentren in Dänemark durch. Eingeschlossen wurden 104 Patienten, die innerhalb der letzten 28 Tage die Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) hohen Risikos erhalten hatten und für die eine intensive Induktions- und Konsolidierungs-Chemotherapie geplant war.

Voraussetzung für Behandlung Zuhause

Die Teilnehmer mussten bestimmte Bedingungen erfüllen, beispielsweise in der Lage sein, mit Symptomen umzugehen und ihre orale Therapie plangemäß einzunehmen, ausreichend essen und trinken, eine gute persönliche Hygiene durchführen können und adäquat auf den Pumpenalarm reagieren können. Für die Applikation der Chemotherapie wurde die ambulante Infusionspumpe CADD®-Solis verwendet, die den Patienten während der Infusion via eines zentralen Venenkatheters weiter Mobilität ermöglicht. Unterstützt wurde die Therapie durch eine 24-Stunden-Bereitschaft einer ambulanten Einrichtung, die bei Fragen, Komplikationen und Alarm des Geräts jederzeit zur Verfügung stand. Alle Patienten wurden für die Behandlung Zuhause speziell geschult. Im Falle eines Alarms des Geräts oder Symptoms wie beispielsweise Fieber, entschied der Ansprechpartner an der Hotline, ob eine Hospitalisierung notwendig ist oder der ambulante Arzt eingeschaltet werden sollte. Bei Neutropenie war eine ambulante Vorstellung alle zwei bis drei Tage vorgesehen.

Ein Viertel der Zyklen ganz zuhause

Im Median waren 144 Patiententage mit 1.644 Pumpen-Infusionstagen dokumentiert worden. 64 von 264 Behandlungszyklen (24%) waren ausschließlich Zuhause durchgeführt worden. 1.096 Tage von insgesamt 1.644 Behandlungstagen (66%) hatten die Patienten zuhause verbracht. 102 Mal kontaktierten Patienten ein Zentrum. Die meisten telefonischen Kontakte kamen wegen Fieber, Übelkeit, Blutungen oder einem Pumpenalarm zustande. 72% der Anrufe konnten bereits am Telefon geklärt werde. In 18 Fällen führten sie zur stationären Aufnahme. Zu schweren unerwünschten Effekten der Chemotherapie im eigenen Zuhause kam es laut Nørskov nicht.

Positive Bewertung durch Patienten

Die Patienten waren sehr zufrieden mit der Behandlung daheim. Laut Nørskov fühlten sich die meisten sicher und gaben an zu wissen, wann sie das Zentrum kontaktieren müssen. Sie betonten die Vorteile hinsichtlich der Kontakte zu Freunden und Familie und der Möglichkeit, körperlich aktiv zu bleiben. Mehr als 70% der Patienten sagten, sie fühlten sich dadurch involviert in den Ablauf der Behandlung. Die Lebensqualität – erhoben mit dem FACT-L (Abk. für Quality of Life by the Functional Assessment of Cancer Therapy – Leukemia) und dem EORTC-QoL (Abk. für European Organization for Research and Treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire) ¬– und insbesondere das psychische Wohlbefinden verbesserten sich im Verlauf der Behandlung.

Für ausgewählte Patienten geeignet

Damit konnte die Umsetzbarkeit der Heimbehandlung bei intensiver Chemotherapie wegen einer hämatologischen Neoplasie gezeigt werden. Allerdings ist sie nur für ausgesuchte Patienten geeignet, betonte Nørskov. Patientenschulung und Patienteneinbindung in die Therapie ist ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts und setzt entsprechende Patienteneigenschaften voraus. Mit der Behandlung daheim ändern sich die Anforderungen für die Behandlungszentren, ergänzte sie: So muss eine Hotline vorgehalten werden und die benötigten Kapazitäten für Patienten können zwar reduziert werden, aber die Patienten, die in die Klinik kommen, haben spezielle Probleme und benötigen möglicherweise komplexere Behandlungen.

Autor:
Stand:
30.06.2021
Quelle:

Dr. Kristina Nørskov: „A National Danish Proof of Concept on Feasability and Safety of Home-Based Intensive Chemotherapy in Patients With Acute Myeloid Leukemia“, Virtual 2021 EHA, 11. Juni 2021, Abstract: S134.

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