
Die neoadjuvante Chemotherapie (NACT) wird bei der Brustkrebs-Behandlung immer wichtiger. Sie ermöglicht das Downstaging von Tumoren in der Brust und Axilla und damit weniger radikale Operationen. Die Chirurgie nach NACT erhält damit zunehmend stärker den Charakter einer diagnostischen Prozedur: Nur so kann festgestellt werden, ob mit der NACT nicht nur eine klinische, sondern auch eine pathologische Komplettremission (pCR) erreicht wurde. Dieses Staging ist wesentlich für die Entscheidung, welche Therapie sich anschließen soll, betonte Professor Dr. Thorsten Kühn, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum Esslingen, anlässlich des 34. Deutschen Krebskongresses in Berlin [1]. Das bezieht sich allerdings vorrangig auf in dieser Situation in Studien untersuchte systemische Therapien. Ob Studienergebnisse zum therapeutischen Einsatz von Axilladissektion und Radiotherapie nach primärer Operation auf die Situation nach NACT mit Chemotherapie-resistenten Lymphknoten übertragen werden können, ist unklar.
Staging in der Axilla
Das nichtinvasive Staging ist aktuell nicht ausreichend. Die Spezifität der Palpation oder der Sonographie der axillären Lymphknoten nach NACT ist zwar relativ hoch, die Sensitivität aber sehr schlecht: In der deutschen SENTINA-Studie kam die Palpation gerade einmal auf eine Sensitivität von 8,3% und die Ultraschalluntersuchung auf eine Sensitivität von 23,9% [2]. Das ist laut Kühn auch mit der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nicht besser. Deshalb ist nach NACT zwingend ein histologisches Staging nötig.
Lymphknoten-Status ist Pflicht
Die Bestimmung der pCR nach NACT als Basis für therapeutische Konsequenzen umfasst nicht nur den Lokus des Primärtumors, sondern immer auch den Nodalstatus. Wird die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie (sentinel lymph node biopsy, SLNB) vorher durchgeführt, kann nicht mehr festgestellt werden, ob der Lymphknoten angesprochen hätte oder nicht.
Wo die Sentinel-Lymphknoten-Biopsie ausreicht
Bei Patienten mit klinischem cN0-Status bei Diagnose werden mit der alleinigen SLNB 97% der Patienten hinsichtlich des Nodalstatus richtig eingestuft [3]. Damit ist die SLNB in dieser Situation auch ohne Axilladissektion ausreichend sicher.
Das gilt auch bei cN1 oder N2, wie die SENTINA-Studie belegt [4]. Etwa 40% der Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom hatten hier initial einen positiven Nodalstatus. 84% dieser Patienten konvertierten unter NACT in einen klinisch-negativen Nodalstatus, 38% waren auch nach SLNB und Axilladissektion nodalnegativ. Bei diesen Patienten ist laut Kühn eine SLNB zur Beurteilung des Ansprechens und für die weitere Entscheidung über eine Therapie ausreichend. Würde man diese Patienten alle mit einer Axilladissektion stagen, wären etwa 40% von ihnen völlig unnötig einer Operation mit hohem Morbiditätsrisiko unterzogen worden.
Ziel- und Sentinel-Lymphknoten entfernen
Eine weitere Möglichkeit ist die Kombination von SLNB und der Biopsie weiterer vorab markierter Ziel-Lymphknoten (Target Lymph Node Biopsy, TLNB), die auch als gezielte Axilladissektion bezeichnet wird. In einer retrospektiven Analyse von Patientinnen mit einem nodalpositiven Mammakarzinom wurde dabei nach NACT eine sehr günstige falschnegativ Rate von 2,0% erreicht. Diese Methode ist aber nicht banal, betonte Kühn: Die Detektions- und falschnegativ Raten waren in Untersuchungen verschiedener Studiengruppen unterschiedlich gut. Zudem ist die optimale Markierungstechnik (Tinte, Clips, Coils, radioaktive Tracer etc.) noch offen.
Laufende Studien zum Staging in der Axilla nach NACT
Inwieweit sich die Falsch-Negativ-Rate letztlich auf die Rezidivrate und das Gesamtüberleben auswirkt, soll im Rahmen des europäischen Registers AXANA (AXillary Surgery After NeoAdjuvant) untersucht werden. In der Studie werden Daten zu Behandlung und Behandlungsergebnis von Patienten mit Brustkrebs (cT1-3N+M0) erhoben, die nach nationalen und institutionellen Standards eine NACT erhalten und bei denen ebenfalls nach den lokalen Vorgaben ein intraoperatives Staging erfolgt.
Ob in bestimmten Patientengruppen zukünftig ganz auf die Untersuchung der Sentinel-Lymphknoten verzichtet werden kann, soll im Rahmen der EU-Breast-Studie 1-2018 mituntersucht werden. Bei Patienten mit Brustkrebs ohne axillären Lymphknotenbefall und pCR der Brust (ypT0) nach NACT wird in einem Arm auf eine SLNB wie auch eine weitere lokale Therapie verzichtet. Primärer Endpunkt in diesem Studienarm ist die axilläre Rezidivrate über 3 Jahre.