Brustkrebs: Gensignatur unterstützt Therapiewahl

Forscher bestätigten, dass Patienten mit hohem klinischen und niedrigem genomischem Risiko identifiziert werden können, die mit endokriner Therapie allein ein ausgezeichnetes Überleben ohne Fernmetastasen erreichen. Dies gilt jedoch nur bei Frauen unter 50 Jahren.

Brustkrebs Kämpferin

Hintergrund

Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium erhalten oft adjuvante systemische Therapien bestehend aus Chemotherapie, endokriner Therapie, Wirkstoffen gegen den humanen epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2) oder Kombinationen dieser Medikamente. Die Behandlungsentscheidungen basieren auf Merkmalen des Tumors (Hormonrezeptor- und HER2-Status, Tumorgrad und -größe sowie Lymphknotenstatus) und des Patienten (Alter, Menopausenstatus und Leistungsstatus). Die individuellen biologischen Charakteristika des Tumors werden nicht berücksichtigt.
Eine beträchtliche Anzahl von Brustkrebspatienten ist überbehandelt und damit dem Risiko toxischer Wirkungen aus der adjuvanten Therapie ausgesetzt, ohne davon zu profitieren.

Genexpressionsstudien haben dazu beigetragen, die Erfolgsaussichten adjuvanter Behandlungen vorauszusagen. Ein solcher Test, die 70-Gene-Signatur (MammaPrint), klassifiziert Tumore aufgrund des Risikos für das Auftreten von Fernmetastasen nach fünf und zehn Jahren in Gruppen mit einer guten oder schlechten Prognose. Der Test wurde von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zugelassen.

In der Studie MINDACT (Microarray in Node-Negative and 1 to 3 Positive Lymph Node Disease May Avoid Chemotherapy) wurde untersucht, ob mithilfe des Tests als Ergänzung der klinisch-pathologischen Kriterien in der Klinikroutine Patienten identifiziert werden können, die von einer adjuvanten Therapie profitieren. Die Wissenschaftler fanden ein ausgezeichnetes 5-Jahres-Überleben ohne Fernmetastasen von 94,7% (95%-Konfidenzintervall [KI] 92,5 - 96,2) bei Patienten mit Brustkrebs mit hohem klinischen und niedrigem genomischen Risiko, die keine Chemotherapie erhielten [1].

Zielsetzung

Wissenschaftler um Prof. Martine Piccart vom Institute Jules Bordet der Université Libre de Bruxelles in Brüssel, Belgien, beobachteten die Patienten über einen längeren Zeitraum weiter und führten eine zusätzliche explorative Analyse nach dem Alter durch. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Lancet Oncology veröffentlicht [2].

Methodik

MINDACT war eine multizentrische, randomisierte Phase 3-Studie, die in 112 akademischen und kommunalen Krankenhäusern in neun europäischen Ländern durchgeführt wurde. Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahren mit histologisch bestätigtem primär invasivem Brustkrebs (Stadium T1, T2 oder operablem T3) mit bis zu drei positiven Lymphknoten, keinen Fernmetastasen und einem WHO-Leistungsstatus von 0 bis 1 wurden in die Studie eingeschlossen. Das genomische Risiko wurde mittels MammaPrint 70-Gene-Signatur und das klinische Risiko mithilfe einer modifizierten Version von Adjuvant! Online bestimmt.

Patienten mit geringem klinischem und geringem genomischem Risiko erhielten keine Chemotherapie. Patienten mit hohem klinischem und hohem genomischem Risiko erhielten eine Chemotherapie (meistens auf der Basis von Anthrazyklinen oder Taxanen oder einer Kombination davon). Patienten mit nicht übereinstimmenden Risikoergebnissen (das heißt, Patienten mit hohem klinischem Risiko, aber geringem genomischem Risiko und Patienten mit geringem klinischem Risiko, aber hohem genomischem Risiko) und Patienten, bei denen die Therapieentscheidung nicht auf dem klinischen oder dem genomisches Risiko basierte, wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 einer Chemotherapie unterzogen.

Der primäre Endpunkt bestand darin zu testen, ob die fernmetastasenfreie Überlebensrate nach fünf Jahren bei Patienten mit hohem klinischem Risiko und niedrigem genomischem Risiko, die keine Chemotherapie erhalten hatten, eine untere Grenze des 95%-KI über der vordefinierten Nicht-Unterlegenheitsgrenze von 92% aufwies.

Die Wissenschaftler analysierten aktualisierte Daten aus der verlängerten Nachbeobachtungsphase und führten zusätzlich eine explorative Analyse eines möglichen Alterseffekts (≤50 Jahre gegenüber >50 Jahre) sowie eine Analyse nach Knotenstatus für Patienten mit hormonrezeptorpositiver und HER2-negativer Erkrankung in der Intent-to-treat-Population durch.

Ergebnisse

Zwischen dem 8. Februar 2007 und dem 11. Juli 2011 wurden 6.693 Patienten in die Studie eingeschlossen. Am 26. Februar 2020 betrug die mediane Nachbeobachtungszeit 8,7 Jahre (IQR 7,8 - 9,7).

Die aktualisierte 5-Jahres-Überlebensrate ohne Fernmetastasen bei Patienten mit hohem klinischem Risiko und niedrigem genomischem Risiko, die keine Chemotherapie erhielten (n = 644), betrug 95,1% (95%-KI 93,1 - 96,6). Dies liegt über der vordefinierten Nicht-Unterlegenheitsgrenze von 92% und stützt die vorherigen Analysenergebnisse.

Die Intention-to-treat-Population setzte sich aus Patienten mit hohem klinischem Risiko und niedrigem genomischem Risiko zusammen, die nach dem Zufallsprinzip eine Chemotherapie erhalten hatten (n = 749) oder nicht (n = 748). Die 8-Jahres-Schätzungen für das Überleben ohne Fernmetastasen in dieser Population betrugen 92,0% (95%-KI 89,6 - 93,8) für Patienten mit Chemotherapie gegenüber 89,4% (86,8 – 91,5) für Patienten ohne Chemotherapie (Hazard Ratio 0,66; 95%-KI 0,48 - 0,92).

Eine explorative Analyse, die auf die Untergruppe der Patienten mit hormonrezeptorpositiver, HER2-negativer Erkrankung beschränkt war (1.358 [90,7%] von 1.497 Patienten, von denen 676 eine Chemotherapie erhielten und 682 keine), zeigt unterschiedliche Auswirkungen der Chemotherapie auf das metastasenfreie 8-Jahres-Überleben in Abhängigkeit vom Alter: 93,6% (95%-KI 89,3 - 96,3) der Patienten mit Chemotherapie gegenüber 88,6% (83,5 - 92,3) der Patienten ohne Chemotherapie bei 464 Frauen im Alter von 50 Jahren oder jünger (absolute Differenz 5,0 Prozentpunkte [SE 2,8, 95%-KI -0,5 - 10,4]) und 90,2% (86,8 - 92,7) gegenüber 90,0% (86,6 - 92,6) bei 894 Frauen über 50 Jahren (absolute Differenz 0,2 Prozentpunkte [2,1; -4,0 - 4,4]).

Das 8-jährige Fernmetastasen-freie Überleben in der explorativen Analyse nach Knotenstatus bei diesen Patienten betrug 91,7% (95%-KI 88,1 - 94,3) unter Chemotherapie und 89,2% (85,2 – 92,2) ohne Chemotherapie bei 699 knotennegativen Patienten (absolute Differenz 2,5 Prozentpunkte [SE 2,3, 95%-KI -2,1 - 7,2]) und 91,2% (87,2 - 94,0) gegenüber 89,9% (85,8 - 92,8) bei 658 Patienten mit ein bis drei positiven Knoten (absolute Differenz 1,3 Prozentpunkte [2,4; -3,5 - 6,1]).

Fazit

Bei einer Nachbeobachtungszeit von fast neun Jahren zeigte sich die Eignung der 70-Gene-Signatur, bei Frauen mit hohem klinischem Risiko eine Untergruppe zu identifizieren, nämlich Patienten mit einem niedrigen genomischen Risiko, die bei Behandlung mit endokriner Therapie allein ein ausgezeichnetes Überleben ohne Fernmetastasen aufweisen. Für diese Frauen bleibt das Ausmaß des Nutzens einer zusätzlichen Chemotherapie zur endokrinen Therapie gering (2,6 Prozentpunkte) und wird nicht durch eine positive Knotenwirkung verstärkt. Die Anwendung des 70-Gene-Signaturtests kann damit als positiver Deeskalationsversuch gewertet werden.

In einer explorativen Analyse zeigte sich dieser Nutzen jedoch altersabhängig und war nur bei Frauen unter 50 Jahren zu beobachten, bei denen er einen klinisch relevanten Schwellenwert von 5 Prozentpunkten erreicht. Die Studienautoren vermuten, dass der Effekt möglicherweise auf eine durch Chemotherapie verursachte Unterdrückung der Ovarialfunktion zurückzuführen sein könnte. Daher sollte es Gegenstand weiterführender Untersuchungen sein, ob jüngere Frauen möglicherweise eine verstärkte endokrine Therapie benötigen, um auf eine Chemotherapie verzichten zu können.

Die Studie ist unter der Nummer NCT00433589 bei ClinicalTials.gov und unter der Nummer EudraCT2005-002625-31 in der europäischen Datenbank für klinische Studien registriert. Sie wurde durch das Sechstes Rahmenprogramm der Europäischen Kommission finanziell unterstützt.

Quelle:
  1. Cardoso et al. (2016) 70-Gene signature as an aid to treatment decisions in early-stage breast cancer. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa1602253
  2. Piccart et al. (2021) 70-gene signature as an aid for treatment decisions in early breast cancer: updated results of the phase 3 randomised MINDACT trial with an exploratory analysis by age. The Lancet Oncology, DOI: 10.1016/S1470-2045(21)00007-3
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