
Hintergrund
Bei Brustkrebs, der bereits die Lymphknoten befallen hat, wird nach der Resektion des Primärtumors bzw. der Sentinel-Lymphknoten, eine Strahlentherapie der betroffenen Brust als auch der Lymphknoten durchgeführt. Man weiß, dass die regionäre Lymphknotenbestrahlung (regional nodal irradiation [RNI]) zu einer verminderten Anzahl an Metastasen führt und das Überleben der Patientinnen verlängern kann, wenngleich mit begrenzter Wirkung auf die regionären Lymphknoten selbst. Der zu Grunde liegende Mechanismus, wie es zu diesen Effekten bei einer RNI kommt, ist bislang unklar.
Zielsetzung
Die Kohortenstudie untersucht
- ob Metastasen in anderen Organen vermeintlich aus okkulten regionär befallenen Lymphknoten entstehen und
- ob die Rezidive der regionären Lymphknoten häufig unentdeckt bleiben bis in fortgeschrittene Krebsstadien.
Methodik
Die retrospektive Kohortenstudie berücksichtigt Brustkrebs-Patientinnen mit de novo Brustkrebs im Stadium IV, die im Memorial Sloan Kettering Cancer Center (New York, USA) zwischen 2006 bis 2018 behandelt wurden. Zusätzlich mussten PET-CT-Bilder sowie eine vollständige Patientenakte zur Sicherstellung der klinisch-pathologischen Parameter, einschließlich Östrogen-Rezeptorstatus und Überleben, vorhanden sein. Die PET-CT-Bilder dienten dazu die Beteiligung der regionären Lymphknoten bei der Diagnosestellung von Metastasen unter Anwendung der standardisierten Lymphknoten-Bewertungskriterien zu evaluieren.
Ein Teil der Patientinnen unterzog sich zusätzlich einer Biopsie der regionären Lymphknoten zur Bestätigung der Diagnose. Diese Biopsie diente zusätzlich dazu die bestrahlten Lymphknoten evaluieren.
Der primäre Endpunkt der Studie wurde definiert als die Wahrscheinlichkeit des Einflusses regionärer Lymphknoten auf die Metastasenbildung zum Zeitpunkt der Diagnose und wurde bestimmt durch die Bewertung von PET-CT Bildern vor Beginn der Krebstherapie und den Ergebnissen der Lymphknoten-Biopsien.
Ergebnisse
Insgesamt konnten die Daten von 597 Patientinnen mit bisher nicht behandeltem metastatischem Brustkrebs in dieser Kohortenstudie analysiert werden.
Patientencharakteristika
Das mediane Alter lag bei 53 Jahren (Interquartilsabstand (IQR): 44-65 Jahre).
525 Patientinnen (87,9%) hatten ein invasiv-duktales Karzinom.
Der luminal-ähnliche Subtyp war am meisten verbreitet (525 Patientinnen; 87,9%), gefolgt vom ERBB2-positivem Subtyp (154 Patientinnen; 30,6%) und dem triple-negativen Subtyp (63 Patientinnen; 12,5%).
Lymphknotenbefall
512 Patientinnen (85,8%; 95%-Konfidenzintervall (KI): 82,7%-88,5%) zeigten im PET-CT oder in der Biopsie eine Beteiligung der regionären Lymphknoten.
Bei den betroffenen Patientinnen waren die folgenden Lymphknoten betroffen:
- axilläre Lymphknoten Level I: 509 Patientinnen (85%)
- axilläre Lymphknoten Level II: 328 Patientinnen (55%)
- axilläre Lymphknoten Level III: 136 Patientinnen (23%)
- Fossa supraclavicularis: 101 Patientinnen (17%)
- Mammaria-interna-Kette: 96 Patientinnen (16%)
Bei 158 Patientinnen (26,5%) war bereits mehr als eine regionäre Lymphknotenregion befallen. Keine Patientin zeigte einen isolierten Befall der Fossa supraclavicularis oder der Mammaria-interna-Kette.
Eine Beteiligung der Lymphknoten bei der Metastasierung war bei Östrogen-Rezeptor-negativen Tumoren (92,4%) weiter verbreitet, als bei Östrogen-Rezeptor-positiven Tumoren (83,6%).
Gesamtüberleben
Eine Lymphknotenbeteiligung bei der Metastasierung hat keinen Einfluss auf das Überleben der Patientinnen.
Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug für die gesamte Kohorte 42,4% (95%-KI: 37,6%-47,9%), für Patientinnen mit befallenen regionären Lymphknoten 41,7% (95%-KI: 36,5%-47,7%) und für Patientinnen ohne Lymphknotenbefall 47,4% (95%-KI: 35,7%-62,9%).
Fazit
Die Ergebnisse der Kohortenstudie zeigen, dass Patienteninnen mit de novo Brustkrebs im Stadium IV, die sich bisher noch keiner Therapie unterzogen haben, bei der Diagnose von Metastasen in anderen Organen häufig auch befallene regionäre Lymphknoten aufweisen. Damit wird die Hypothese unterstützt, dass der Befall von regionären Lymphknoten der Metastasenbildung in anderen Organen vorausgeht und zu diesem Prozess beiträgt. Eine adjuvante Bestrahlung der regionären Lymphknoten tötet möglicherweise die Krebszellen in okkulten Lymphknoten ab und verhindert die Verbreitung dieser.
Die begrenzte Wirkung auf die Rezidivbildung in regionären Lymphknoten kann dadurch erklärt werden, dass diese Rezidive meist erst in fortgeschrittenen Krankheitsstadien erkannt werden. Zu diesem Zeitpunkt haben sich bereits Metastasen in anderen Organen gebildet.
Weitere Untersuchungen der Rezidivbildung bei Patientinnen, die sich verschiedenen Formen der RNI oder der Resektion von Lymphknoten unterziehen, sind notwendig, um zu verstehen wie lokale Therapien mechanistisch mit der Metastasenbildung in anderen Organen verknüpft sind.