
Hintergrund
Das Brustkrebsrisiko und die Inzidenz von Komorbiditäten nehmen mit dem Alter zu. Die Behandlung älterer Patientinnen mit signifikanten Komorbiditäten stellt eine Herausforderung dar. Ziel ist es, diese Patientinnen umfassend zu behandeln und gleichzeitig die Auswirkungen auf die Lebensqualität zu minimieren und eine Beeinträchtigung des Funktionsstatus bei Frauen mit bereits begrenzter Lebenserwartung zu vermeiden.
In einer Übersichtsarbeit zu vier klinischen Studien folgerten Wissenschaftler, dass jüngere und ältere Frauen gleichermaßen von einer aggressiveren Chemotherapie profitierten. Jedoch waren nur 2% der berücksichtigten Patientinnen älter als 70 Jahre. Damit erlaubt es die aktuelle Datenlage zum Zusammenhang der adjuvanten Chemotherapie mit dem Überleben älterer Patientinnen mit multiplen Komorbiditäten und Lymphknoten (LK)-positivem Brustkrebs nicht, entsprechende Empfehlungen zu formulieren [1].
Zielsetzung
Dr. Nina Tamirisa vom Department of Breast Surgical Oncology an der University of Texas in Houston, USA, und Kollegen untersuchten, ob der Erhalt einer adjuvanten Chemotherapie mit dem Überleben älterer Patienten mit multiplen Komorbiditäten und LK-positivem, Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs verbunden ist, und publizierten aktuell die Ergebnisse der Analyse im Fachblatt JAMA Oncology [1].
Methodik
Diese retrospektive Kohortenstudie umfasste Patientinnen aus der US National Cancer Database, die 70 Jahre oder älter waren, einen Charlson/Deyo-Komorbiditätswert von 2 oder 3 erreicht hatten, mit Östrogenrezeptor-positivem, ERBB2 (früher HER2 oder HER2/neu)-negativem Brustkrebs diagnostiziert und zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2014 wegen einer pathologischen LK-positiven Brustkrebserkrankung operiert worden waren.
Patientinnen, die eine adjuvante Chemotherapie erhalten hatten, wurden mit der Propensity-Score-Methode auf der Basis von Alter, Komorbiditätswert, Art und Standort der Einrichtung, pathologischem T- und N-Stadium und Erhalt einer adjuvanten endokrinen und einer Strahlentherapie paarweise denjenigen Patienten zugeordnet, die keine adjuvante Chemotherapie erhalten hatten.
Der Zusammenhang der adjuvanten Chemotherapie mit dem Gesamtüberleben wurde unter Verwendung eines doppelt robusten Cox-Regressionsmodells für proportionale Risiken geschätzt.
Ergebnisse
Von insgesamt 2.445.870 Patientinnen im Datensatz erfüllten 1.592 Patientinnen (Durchschnittsalter [Standardabweichung] 77,5 [5,5] Jahre; 1.543 [96,9%] Frauen) die Einschlusskriterien und wurden in die anfängliche Analyse ohne paarweise Zuordnung einbezogen. Von diesen Patientinnen erhielten 350 (22,0%) eine Chemotherapie und 1.242 (78,0%) keine.
Im Vergleich zu Patientinnen, die keine Chemotherapie erhalten hatten, waren Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten hatten, jünger (Durchschnittsalter 74 vs. 78 Jahre; p<0,001), hatten größere Primärtumoren (pT3/T4-Tumoren: 72 [20,6%] vs. 182 [14,7%) ]; p=0,005) und eine höhere pathologische LK-Belastung (75 [21,4%] gegenüber 81 [6,5%] im Stadium pN3 und 182 [52,0%] gegenüber 936 [75,4%] im Stadium pN1; p <0,001). Mehr Patientinnen, die eine Chemotherapie erhalten hatten, hatten auch andere adjuvante Behandlungen erhalten, einschließlich endokriner Therapie (309 [88,3%] gegenüber 1025 [82,5%]; p=0,01) und Strahlentherapie (236 [67,4%] gegenüber 540 [43,5%]; p<0,001).
In der gepaarten Kohorte mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 43,1 Monaten (95%-KI 39,6-46,5 Monate) wurde kein statistisch signifikanter Unterschied im medianen Gesamtüberleben zwischen der Gruppe mit und ohne Chemotherapie festgestellt (78,9 Monate [95%-KI 78,9 Monate bis nicht erreicht] gegenüber 62,7 Monaten [95%-KI 56,2 Monate bis nicht erreicht]; p=0,13). Nach der Bereinigung um mögliche Verzerrungsfaktoren war der Erhalt einer Chemotherapie mit einem verbesserten Überleben verbunden (Hazard Ratio 0,67; 95%-KI 0,48-0,93; p=0,02).
Fazit
Die Studienautoren schließen aus den Kohortendaten, dass bei älteren Patientinnen mit LK-positivem, Östrogenrezeptor-positivem Brustkrebs und multiplen Komorbiditäten der Erhalt einer Chemotherapie mit einem verbesserten Gesamtüberleben verbunden war.
Die Analyseergebnisse deuten darauf hin, dass Ärzte sorgfältig diejenigen Patientinnen auswählen, die wahrscheinlich von einer adjuvanten Chemotherapie profitieren. Dieses Vorgehen scheint auf bestimmten, in der Studie nicht berücksichtigten Variablen zu basieren. Ein standardisierter, multidisziplinärer Versorgungsansatz kann mit langfristigen Behandlungsergebnissen in dieser Untergruppe von Patientinnen verbunden sein und sollte auf der Basis prospektiver Studien ermittelt werden, empfehlen die Autoren.
Die Studie wurde teilweise durch das National Cancer Institute der National Institutes of Health (Fördernummer P30 CA016672) unterstützt.