ESMO-Empfehlungen zum NGS erschienen

Obwohl das Next Generation Sequencing (NGS) bereits breit implementiert ist, gab es bislang keine Empfehlungen wissenschaftlicher Fachgesellschaften, wie diese Technik in der klinischen Praxis zur Charakterisierung metastasierter Krebserkrankungen eingesetzt werden sollte.

DNA illuminiert

Mit Hilfe des NGS können in kurzer Zeit Hunderte oder gar Tausende von Genen sequenziert werden. Verbreitet ist der Einsatz bereits bei metastasierten Karzinomen, um Mutationen im Krebsgewebe zu identifizieren, bei deren Vorhandensein zielgerichtete Therapien oder Immuntherapien eingesetzt werden können. Die neuen Empfehlungen der European Society for Medical Oncology (ESMO) sollen nun den Einsatz des NGS vereinheitlichen [1].

Basis: Nutzen von NGS

Erstellt wurden die Empfehlungen von der Arbeitsgruppe für translationale Forschung und Präzisionsmedizin der ESMO. Als Grundlage diente der Arbeitsgruppe ein Ranking der ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets (ESCAT [2]) mit genetischen Veränderungen in den acht Karzinomen, die nach der GLOBOCAN-Studie weltweit die meisten Todesfälle verursachen [3]. Für jeden Tumortyp wurde anhand des Rankings und der Prävalenz der Genalterationen die Zahl von Patienten errechnet, die einen NGS-Test erhalten müssen, damit ein Patient identifiziert werden kann, der aufgrund einer bestimmten Genveränderung mit einer wirksamen Therapie behandelt werden kann. Ziel war festzustellen, ob das NGS komplexe oder multiple andere Tests ersetzen kann. Daraus wurden Empfehlungen für die tägliche klinische Praxis mit besonderem Interesse für das öffentliche Gesundheitswesen und für den Einsatz in der Wissenschaft entwickelt.

Vorrangig NGS-Einsatz bei vier metastasierten Karzinomen

Aus Sicht des öffentlichen Gesundheitswesens sollte NGS demnach routinemäßig bei Patienten eingesetzt werden, die an einem metastasierten Adenokarzinom der Lunge, einem metastasierten Prostatakarzinom, einem metastasierten Ovarialkarzinom oder einem metastasierten Cholangiokarzinom leiden. Die Bestimmung der Tumormutationslast empfiehlt das ESMO-Papier außerdem bei gut bis moderat differenzierten neuroendokrinen Tumoren (NET), Zervix-, Speicheldrüsen-, Schilddrüsen- und Vulvakarzinomen, um gegebenenfalls eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren zu ermöglichen.

Große NGS-Panel für weitere Karzinome verfügbar machen

Auch Patienten mit anderen Karzinomen können zusammen mit ihrem Arzt entscheiden, ob ein großes NGS-Genpanel angefordert werden sollte, vorausgesetzt, dies ist gegenüber kleinen Genpanels ohne erhebliche zusätzliche Kosten für das öffentliche Gesundheitswesen möglich und der Patient wurde darüber aufgeklärt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Vorteils durch das Testergebnis gering sein kann. Diese Empfehlung bezieht sich auf eine kleine Zahl von Patienten, die wegen einer seltenen Mutation von einer zielgerichteten Therapie profitieren könnten. In diesen Fällen ist es schwierig, genügend Patienten für eine Studie zu rekrutieren und so eine ausreichende Evidenzbasis für den NGS-Einsatz in dieser Situation zu schaffen, erklärte Dr. Joaquin Mateo, Leiter der Arbeitsgruppe für translationale Forschung und Präzisionsmedizin der ESMO vom Vall d’Hebron Institut für Onkologie in Barcelona in einer Pressemitteilung [3]. Dann sei es wichtig für die Diskussion des Für und Wider von NGS zwischen Arzt und Patient Raum zu lassen.

Wichtig: NGS-Daten poolen

Klinisch-wissenschaftlichen Zentren sollten für den Einschluss in Studien das NGS berücksichtigen und weitere Daten zum NGS generieren, um die Evidenzbasis dieser Testung zu verbessern und die Medikamentenentwicklung zu unterstützen. Die ESMO ruft Universitätskliniken und Forschungszentren dazu auf, ihre mit NGS gewonnen Daten verfügbar zu machen und zu poolen. So sei es am ehesten möglich zu verstehen, wie die Technologie bei anderen Tumoren einzusetzen ist, erklärte Mateo.

Er betonte auch, dass ein Vorteil der NGS-Testung sei, dass wenig Tumorgewebe für die Analyse vieler Gene benötigt werde. Allerdings könnten im Krankheitsverlauf und als Reaktion auf Therapien neue genetische Alterationen entstehen. Daher muss abgewogen werden, wie viele Alterationen sinnvollerweise zu Beginn getestet werden, da sich einige im Verlauf verändern können.

Kosten des NGS nicht außen vorlassen

Ob das NGS in dem von der ESMO beschriebenen Rahmen kosteneffektiv ist, kann derzeit nicht sicher beurteilt werden. Die ESMO empfiehlt große Genpanels einzusetzen, wenn dadurch die Kosten in einem überschaubaren Rahmen ansteigen – inklusive der medikamentösen Therapien, die bei bestimmten Genalterationen möglich sind. Letztlich muss das NGS-Volumen auf nationaler Ebene reguliert werden, da im Gefolge der Testung teilweise sehr teure Medikamente außerhalb ihrer Zulassung eingesetzt werden.

Autor:
Stand:
25.08.2020
Quelle:
  1. Mosele F, Remon J, Mateo J et al. (2020) Recommendations for the use of next-generation sequencing (NGS) for patients with metastatic cancers: A report from the ESMO Precision Medicine Working Group. Annals of Oncology. DOI: 10.1016/j.annonc.2020.07.014.
  2. Mateo J, Chakravarti D, Dienstmann R et al. (2018) A framework to rank genomic alterations as targets for cancer precision medicine: the ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets (ESCAT). Annals of Oncolog. DOI: 10.1093/annonc/mdy263.
  3. Bray F, Ferlay J, Soerjomataram I et al. (2018) Global cancer statistics 2018: GLOBOCAN estimates of incidence and mortality worldwide for 36 cancers in 185 countries. CA: a cancer journal for clinicians CA: a cancer journal for clinicians. DOI: 10.3322/caac.21492.
  4. Pressemitteilung der ESMO: „ESMO issues first recommendations on using next-generation sequencing for advanced cancers“, 25.08-2020.
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