Familiäres Darmkrebsrisiko: Nicht nur die Gene sind beteiligt

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrum konnten anhand einer epidemiologischen Studie zeigen, dass die Rolle der Gene für das Risiko des familiär bedingten Darmkrebs überschätzt wird. Familiäre Essgewohnheiten und Lebensstil haben eine größere Bedeutung als bisher angenommen.

Darmkrebs

Hintergrund

Bisher ging man davon aus, dass Darmkrebs, die dritthäufigste Krebsart weltweit, zu 35% erblich bedingt ist und die familiäre Vorbelastung ein wichtiger Risikofaktor darstellt. Aktuell kennt man ca. 100 verschiedene Genvariationen, sogenannte SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismen [Single nucleodid polymorphisms]), die das Darmkrebsrisiko beeinflussen.

Zielsetzung

Bisherige Berechnungen der Wahrscheinlichkeit der diversen Genvariationen zum Darmkrebsrisiko gingen von der Grundannahme aus, dass das familiäre Risiko vollständig genetisch bedingt ist.
Die Arbeitsgruppe um Korbinian Weigl und Hermann Brenner der Abteilung Klinische Epidemiologie und Altersforschung des DKFZ Heidelberg sehen diese Berechnungen kritisch und entwickelten daher einen „epidemiologischen Ansatz“. Hierzu verwendeten sie einen Datensatz der sowohl die genomischen Daten als auch Daten zum familiären Risiko enthält.

Methodik

Die Daten aus den Jahren 2003-2016 der aktuell noch laufenden DACHS-Studie (Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening) wurden für die Berechnungen verwendet. Diese Fall-Kontroll-Studie enthält Daten von insgesamt 7.927 Probanden darunter 4.447 Darmkrebs-Patienten und 3.480 gesunden Personen als Kontrollen. Alle bekannten gängigen statistischen Verfahren zur Schätzung des Einflusses der einzelnen Genvariationen wurden überprüft und ein neuer Ansatz entwickelt. Berücksichtigt wurden 105 verschiedene SNPs.

Ergebnisse

Patientencharakteristika:

  • Das Alter und das Geschlecht waren zwischen den beiden Gruppen (Darmkrebs-Patienten vs. gesunde Probanden) gleich verteilt.
  • Eine familiäre Vorbelastung war bei Verwandten ersten Grades bei den Darmkrebs-Patienten häufiger als in der Kontrollgruppe (13,7% vs. 10,0%, p < 0,0001)
  • Ebenfalls hatten die Patienten eine höhere genetische Risikoeinstufung (GRS [genetic risk score]) als die Kontrollen (p < 0,0001). Kein Unterschied konnte innerhalb der Patienten- oder Kontrollgruppe selbst, mit oder ohne familiäre Vorbelastung, gefunden werden.

Ergebnisse des neuen Berechnungsansatz:

Bei Anwendung der traditionellen Berechnungen hatten die berücksichtigten SNPs einen Anteil von 9,6-23,1% am familiären Darmkrebsrisiko.
Der neue „epidemiologische“ Ansatz kam zu einem geschätzten Einfluss der SNPs von lediglich 5,4-14,3%.

Fazit

Traditionelle Ansätze neigen dazu den Anteil des familiären Risikos basierend auf der Analyse der verschiedenen identifizierten Genvariationen zu überschätzen. Die Arbeitsgruppe um Weigl und Brenner entwickelten einen neuen Ansatz der nicht von diesen Überschätzungen beeinflusst wird. Die SNPs sind damit zu einem deutlich geringeren Anteil des familiär erhöhten Darmkrebsrisiko verantwortlich, dürfen aber auf keinen Fall vernachlässigt werden. Es zeigt sich aber, dass neben den genetischen Risikofaktoren auch andere Risikofaktoren wie Ernährung zu berücksichtigen sind, um eine realistische Einschätzung zu erhalten.

Autor:
Stand:
09.10.2019
Quelle:
  1. Weigl K. et al. (2019): Establishing a valid approach for estimating familial risk of cancer explained by common genetic variants; International Journal of Cancer doi:10.1002/ijc.32664
     
  2. Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Pressemeldung 26.09.2019
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