
Hintergrund
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Therapie des Dickdarmkrebses ist die frühzeitige diagnostische Erkennung des Tumors während einer Koloskopie, möglichst im T1-Stadium. Die Einführung von Darmkrebs-Screeningprogrammen ermöglicht die Früherkennung von Karzinomen im T1-Stadium und erhöht daher die Inzidenzrate. T1-Karzinome mit vorteilhaften histologischen Eigenschaften haben ein geringes Risiko für Lymphknoten-Metastasen (6%-27%) und können endoskopisch entfernt werden. Die Risikofaktoren für die Entstehung von Lymphknoten-Metastasen können histologisch nur nach einer en bloc-Resektion bestimmt werden.
Zielsetzung
Die Studie überprüft, inwiefern T1-Karzinome während der Koloskopie eines Darmkrebs-Screenings optisch direkt von den Endoskopikern erkannt und richtig klassifiziert werden.
Methodik
An dieser niederländischen multizentrischen, prospektiven Studie nahmen 27 Endoskopiker teil, die durch das niederländische Darmkrebs-Screeningprogramm entsprechend in optischer Diagnosestellung nach den (NICE)-WASP Modulen (National Institute for Health and Care Excellence, Workgroup serrAted polyS and Polyposis) geschult waren. Sie unterzogen Patienten mit einem positiven immunochemischen Stuhltest einer Koloskopie mittels Narrow Band Imaging. Alle entnommenen Proben wurden histopathologisch analysiert.
Ergebnisse
Im Zeitraum von Februar 2015 bis Februar 2017 wurden 3.622 Koloskopien durchgeführt. Die Daten der optischen Diagnose sowie der histopathologische Befund waren von 10.004 Läsionen vollständig vorhanden.
Die Analyse zeigte:
- Darmkrebs wurde bei 274 Patienten diagnostiziert. Bei 90 Patienten wurden 92 Läsionen als Tumore im T1-Stadium klassifiziert.
- Die optische Diagnose hatte somit eine Sensitivität von 79,0% (95%-Konfidenzintervall (KI): 73,7%-83,6%) für das kolorektale Karzinom und 99,4% (95%-KI: 99,3%-99,5%) für den negativen Vorhersagewert.
- Lediglich 36 der 92 T1-Läsionen (39,1%; 95%-KI: 29,1%-49,9%) wurden während der Koloskopie optisch erkannt und klassifiziert.
- 11 von 56 T1-Karzinomen (20%), die optisch nicht diagnostiziert wurden, wurden mittels Piecemeal-Technik reseziert.
- 38 Patienten hatten eine weitere Koloskopie für die notwendige Markierung der Resektionsstelle nach positivem histologischem Befund.
- Eine adjuvante Operation wurde bei 2 von 18 T1-Karzinomen (11%) nach optischer Diagnose durchgeführt und bei 22 von 54 (41%) T1-Karzinomen, die erst nach histologischem Befund diagnostiziert wurden (p=0,02).
- Im Follow-Up von insgesamt 16 Monaten zeigte sich, dass eine korrekte oder fehlerhaft optische Diagnose bei der Koloskopie keinen Einfluss auf das Therapieergebnis oder das Überleben der Patienten hatte.
- Es konnten keine Lokalrezidive gefunden werden.
- Zwei Patienten mit T1-Karzinomen entwickelten Metastasen. Einer von ihnen verstarb 12 Monate nach Diagnosestellung.
Fazit
Die niederländische Studie um den Gastroenterologen Jasper Vleugels MD, PhD von der Universitätsklinik Amsterdam zeigt, dass die optische Diagnose von T1-Karzinomen auch bei geschulten Endoskopikern weiter verbessert werden muss. Lediglich 39,1% aller T1-Karzinome wurden in dieser Studie optisch korrekt diagnostiziert und klassifiziert. Dies führt vermehrt zur Anwendung der Piecemeal-Technik zur Entfernung der Tumore, die jedoch eine optimale histologische Befundung verhindert, den Anteil an adjuvanten Operationen erhöht und somit das Therapierergebnis beeinflusst.