
Hintergrund
Multidisziplinäre Tumorkonferenzen (MTK) haben das Ziel, die beste individuelle Therapie für Krebspatienten mit komplexen Krebserkrankungen zu finden. Dafür nehmen Ärzte aus verschiedenen Fachdisziplinen wie der Onkologie, Radiologie, Chirurgie und Pathologie daran teil. Die Vorteile der MTK in Bezug auf Behandlungsentscheidungen und deren Ergebnisse sind erwiesen. Die Organisation und der Ablauf solcher MTK unterscheiden sich nicht nur zwischen einzelnen Ländern, sondern auch zwischen einzelnen Zentren eines Landes. Die Durchführung von MTK sind in Deutschland eine zwingende Voraussetzung für die Zertifizierung eines Krebszentrums durch die Deutsche Krebsgesellschaft. Einzelne Ärztekammern wie die Ärztekammer Nordrhein sehen zusätzlich die Möglichkeit zur Teilnahme der MTK von Krebspatienten vor, falls sie dies wünschen. Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass lediglich fünf bis sieben Prozent diese Möglichkeit nutzen. Ob Krebspatienten allgemein von einer solchen Teilnahme profitieren ist bislang noch unbekannt.
Zielsetzung
Die PINTU-Studie untersucht wie MTK in Deutschland mit und ohne Patientenbeteiligung gestaltet (Organisation, Interaktion und Orientierung) sind, wie teilnehmende Patienten MTK wahrnehmen und wie sie ihre Teilnahme hinsichtlich Machbarkeit und Qualität der Entscheidungsfindung bewerten.
Methodik
Bei der Studie handelt es sich um eine explorative, multizentrische und nicht-interventionelle Studie, die an sechs Brust- und Gynäkologischen Krebszentren in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Die MTK fanden mit oder ohne Patientenbeteiligung statt. Die gynäkologischen Krebspatientinnen wurden alle vor der MTK und nach vier Wochen mittels Fragebogen befragt. Alle an der MTK teilnehmenden Patientinnen erhielten direkt nach der MTK einen zusätzlichen Fragebogen. Weiterhin wurden alle MTK (mit oder ohne Patientenbeteiligung) beobachtet und analysiert. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in allen MTK Fallbesprechungen von 317 Patientinnen beobachtet. Von diesen nahmen 95 Patientinnen an den MTK persönlich teil. Fragebögen wurden von 242 Patienten, darunter 87 teilnehmende Patientinnen, ausgefüllt und in die deskriptive Analyse einbezogen.
Patientencharakteristika
Die befragten Patientinnen hatten ein mittleres Alter von 59,9 Jahren und hatten in der Mehrheit Brustkrebs (59,9%). 14,0% hatten einen gynäkologischen Tumor und 26,0% eine Kombination hiervon. Teilnehmende und nicht-teilnehmende Patientinnen unterschieden sich nicht in ihren UICC/FIGO-Stadium und Krebsentitätsdaten.
Wie wurde die Patientenbeteiligung an MTK umgesetzt?
Hier zeigte sich ein sehr heterogenes Bild. In drei Zentren fand grundsätzliche keine Patiententeilnahme an den MTK statt. In einem Zentrum nahmen die Patientinnen vollständig an der Fallbesprechung und Therapieempfehlung teil. Weitere zwei Zentren besprachen zunächst den Fall und ließen die Patientinnen nur an dem Teil der Therapieempfehlungen teilnehmen und ein Zentrum teilte die Therapieempfehlung den Patientinnen in einer kleinen Runde mit. Auch die Dauer, Sitzordnung und andere Bedingungen variierten zwischen den einzelnen Zentren.
Welche Rolle hatten die Patientinnen während der MTK?
Die überwiegende Mehrheit (86,3%) der Patientinnen hatte die Möglichkeit ihre Meinung zur weiteren Behandlung zu äußern und 61,0% waren bei der Therapieentscheidung beteiligt. Mehr als die Hälfte (62,2%) hatten einen Verwandten oder eine nahestehende Person zur MTK mitgebracht. Die Antworten zur Rolle variierten dabei innerhalb einzelner Zentren.
Wie erlebten die Patientinnen die MTK?
Insgesamt sah die Mehrheit der Patientinnen ihre Teilnahme an der MTK positiv und nahm sie als informativ wahr. Es war für sie hilfreich den Verlauf der Erkrankung (52%), die Behandlungsmöglichkeiten (63%) sowie deren Entscheidung (64%) besser zu verstehen. Über 75% der Teilnehmerinnen würden eine Teilnahme anderen Patientinnen weiterempfehlen. Einige teilnehmende Patientinnen berichteten jedoch, dass die Teilnahme eher Verunsicherung bei ihnen ausgelöst hat. Sie hat ihnen Angst gemacht (19%) und sie verwirrt (15%).
Fazit
Eine Teilnahme von Patienten an MTK ist in Deutschland eher selten. Die Mehrheit der teilnehmenden Patientinnen hat jedoch positive Erfahrungen damit gemacht und nur ein kleiner Teil berichtete von negativen Erfahrungen. Bis heute gibt es keine Empfehlungen wie eine Patientenbeteiligung bei MTK umgesetzt werden sollte und der Ablauf und die Organisation sind daher sehr heterogen zwischen den einzelnen Krebszentren. Welche Rahmenbedingungen und Verfahren für den Patienten von Vorteil sind ist daher immer noch unbekannt. Eine Schlussfolgerung bzw. Empfehlung aus dieser explorativen Studie über die Teilnahme von Patientinnen an MTK kann daher nicht getroffen werden. Sie bildet jedoch die Grundlage für weitere umfassende Studien.