
Eine Erfolgsgeschichte der Kooperation von radiologischer, urologischer und pathologischer Onkologie sei die multiparametrische Magnetresonanztomographie (mpMRT), sagte Professor Dr. Heinz-Peter Schlemmer, Direktor der Abteilung Radiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, in einer Keynote-Lecture anlässlich des Deutschen Krebskongresses 2022 in Berlin [1].
Die Entwicklung in den einzelnen Bereichen wie der MRT-Techniken, der Biopsietechnik und der pathologischen Bewertung führten in der Zusammenarbeit dazu, dass heute eine gute Evidenz für den Einsatz der mpMRT in der Prostatakarzinomdiagnostik aus mehreren Multicenterstudie vorliegt.
mpMRT: Radiologische Technik und Bewertung
Das mpMRT integriert verschiedene Bildgebungsmodalitäten. In der T2-gewichteten MRT lässt sich die Morphologie beurteilen, in der diffusionsgewichteten MRT die Zelldichte und mit Hilfe von Kontrastmittel wird die Gefäßdichte geprüft. Eine erhöhte Zellularität und Vaskularisierung sind typische Merkmale von Krebs, betonte Schlemmer.
Schwierig ist seiner Erfahrung nach allerdings die Beurteilung atypischer Knoten bei Prostatahyperplasie. Die Wahrscheinlichkeit eines klinisch signifikanten Prostatakarzinoms wird im radiologischen Befund als PI-RADS-Wert angegeben. Das sei kein Grading und kein objektiver Befund, sondern ein Wert auf einer Wahrscheinlichkeitsskala, erklärte Schlemmer. Bei einem Wert von 1 ist ein klinisch signifikantes Prostatakarzinom sehr unwahrscheinlich, bei einem Wert von 5 sehr wahrscheinlich. Der Wert 3 bezeichnet einen unklaren Befund.
Biopsie oder nicht?
Die Spezifität des mpMRT ist mit 90-95% hoch, die Sensitivität mit 40-50% aber niedrig. Deshalb sollte bei einer hohen Wahrscheinlichkeit eines klinisch signifikanten Prostatakarzinoms (PI-RADS 4 oder 5) immer eine zielgerichtete Biopsie und eine Standardbiospie durchgeführt werden, bei einem PI-RADS 1 und 2 dagegen nicht. Unklar ist das ideale Vorgehen bei PI-RADS 3. Da die PI-RADS-Beurteilung kein objektives Verfahren ist, wird bei dieser Unsicherheit auch bei PI-RADS 3 eine Biopsie empfohlen.
Mehr als ein Viertel braucht keine Biopsie
In der Studie PRECISION erhöhte sich mit diesem Vorgehen im Vergleich zum Standard die Rate der diagnostizierten klinisch signifikanten Prostatakarzinome bei Männern mit Verdacht auf ein solches Karzinom (erhöhtes Prostataspezifisches Antigen [PSA], unklarer Tastbefund oder beides) um 48%. Gleichzeitig sank die Rate der nicht klinisch signifikanten Karzinome im Biopsat um 40%, berichtete Schlemmer. 28% der Männer mit Verdacht auf ein Prostatakarzinom wurden aufgrund eines günstigen mpMRT-Befunds überhaupt nicht biopsiert.
Perspektive Screening
In Skandinavien wurde auch schon eine Screeningstudie mit dem mpMRT ohne Kontrastmitteleinsatz durchgeführt. Männer wurden populationsweit eingeladen, an einem PSA-gestützten Screening teilzunehmen. Bei einem PSA-Wert ≥ 3 ng/ml wurde in eine Standard-Biopsie-Gruppe und eine Gruppe mit Biopsie nur nach entsprechendem mpMRT-Befund randomisiert. Auch hier konnte mit dem mpMRT eine höhere Detektionsrate relevanter Karzinome (Gleason score ≥ 7: 21,8% v. 18% bei sofortiger Biopsieempfehlung) erreicht werden und es gab weniger insignifikante Karzinome in Biopsien (4% vs. 11%).
Die Biopsierate war mit 36% deutlich niedriger als im Standardarm (73%). Für eine solche mpMRT ohne Kontrastmittel bräuchte man nur etwa 20 Minuten, meinte Schlemmer. Für ein populationsbasiertes Screening ähnlich der Mammographie sei es aber noch zu früh, sagte er. Dafür müssen Vorteile im Überleben durch ein Screening gezeigt werden.
Leitlinienempfehlung zum mpMRT
Deutsche wie internationale Leitlinien empfehlen die mpMRT aber bereits jetzt vor Biopsie und Re-Biopsie, vor und während der aktiven Überwachung und vor einer fokalen Therapie. In den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung ist das multiparametrische Prostata-MRT (mpMRT) allerdings noch nicht aufgenommen worden.