
Kinderärzte des Boston Children’s Hospitals erkannten in einer retrospektiven Analyse einen möglichen Zusammenhang zwischen der Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus und Pseudokrupp. In einer Arbeit berichten sie über 75 Krankheitsverläufe von Kindern, die zwischen dem 01. März 2020 und dem 15. Januar 2022 in ihrer Klinik aufgrund von Pseudokrupp infolge einer SARS-CoV-2-Infektion behandelt wurden. Die retrospektive Analyse ergab im Dezember 2021 eine starke Zunahme der Fälle (zum Teil mit ausgeprägter Symptomatik), was zeitlich mit dem Auftauchen der Omikron-Variante korreliert. Das Zirkulieren vorheriger Virusvarianten war nicht mit einer erhöhten Anzahl an Pseudokrupp-Diagnosen verbunden.
Zielsetzung
Obwohl schon früher endemische Coronaviren mit Pseudokrupp in Verbindung gebracht wurden, gibt es nur wenige Fallberichte von Pseudokrupp in Zeiten der Corona-Pandemie. Um einen möglichen Zusammenhang aufzuzeigen, untersuchten die Wissenschaftler um Dr. Ryan Brewster vom Boston Children’s Hospital in Boston, Massachusetts, in einer retrospektiven Analyse das Auftreten und die klinischen Merkmale von Pseudokrupp im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion.
Methodik
Die klinischen und demografischen Merkmale sowie die Daten zu den Virustests entstammen den Krankenakten der Bostoner Kinderklinik. Als Untersuchungsintervall wurde der Zeitraum zwischen dem 01. März 2020 und 15. Januar 2022 gewählt. Der als Omikron-Periode definierte Zeitabschnitt begann ab dem 04. Dezember 2021. Die Einschlusskriterien waren eine COVID-19-Diagnose mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) in Echtzeit und ein ICD-10-Code für Laryngotracheitis (J05.0, RO5, RO5.8, J38.7), der während derselben Krankenhausbehandlung registriert wurde. Die Untersuchung beschränkte sich auf Patienten, die ambulant in der Notaufnahme vorgestellt wurden, und auf Patienten, die stationär aufgenommen werden mussten.
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurde bei insgesamt 75 Kindern ein mit COVID-19-assoziierter Pseudokrupp diagnostiziert. 81 Prozent der Fälle lagen in der Omikron-Periode. Zwischen dem Zeitraum vor dem Auftreten der Virusvariante (0; IQR 0–0) und dem Zeitraum nach Omikron (11; IQR 2–17) bestand ein signifikanter Unterschied in der mittleren wöchentlichen Fallzahl (p < 0,001). Mit 72 Prozent der Patienten waren deutlich mehr Jungen betroffen als Mädchen. Bis auf ein Kind mit positivem Test auf Rhinoviren waren alle getesteten Kinder außer einer positiven SARS-CoV-2-Probe frei von anderen Virusinfektionen.
Neun der Kinder (12%) mussten stationär aufgenommen werden, vier von ihnen bedurften einer intensivmedizinischen Betreuung. Das entsprach 44 Prozent der hospitalisierten und 5 Prozent der gesamten Kohorte. 97 Prozent der Patienten erhielten Dexamethason. Allen hospitalisierten Kindern (100%) wurde racemisches Epinephrin verabreicht; in der Notaufnahme betrug der Anteil derer 25 Prozent. Die stationär behandelten Patienten lagen im Mittel 1,7 Tage (IQR 1,3–2,3 Tage) in der Klinik. Die vier intensivmedizinisch versorgten Kinder mussten nachbetreut werden; bei einem erfolgte eine CPAP-Unterstützung mit einem Heliox-Gasgemisch. Kein Kind musste invasiv beatmet werden oder verstarb.
Fazit
Der Anteil der Kinder, die stationär aufgenommen werden mussten, ist im Vergleich zur Zeit vor Auftreten von SARS-CoV-2 gestiegen. Wie in einer begleitenden Pressemitteilung des Boston Children’s Hospitals zu entnehmen ist, mussten vor Beginn der Pandemie weniger als 5 Prozent der Kinder mit Pseudokrupp hospitalisiert und von diesen 1 bis 3 Prozent beatmet werden. Die beobachteten erhöhten Raten von Krankenhausaufenthalten könnten im Vergleich zu anderen viralen Ätiologien auf einen schwereren Phänotyp hinweisen. Den Studienautoren sehen in den vorläufigen Ergebnissen überzeugende Beweise für die Hypothese, dass die Omikron-Variante eine Laryngotracheobronchitis verursacht. Möglicherweise sei die Verlagerung auf den Hals-Rachenbereich auf Unterschiede in der Proteinexpression zwischen Zellen der unteren und oberen Atemwege zurückzuführen, so die Autoren.
Forschungsbedarf
Zwei Jahre nach der COVID-19-Pandemie haben sich die Pathogenität, die Infektiosität und die Erscheinungsformen der neuen SARS-CoV-2- Varianten als dynamisch und einzigartig erwiesen. Pseudokrupp könnte den Forschern zufolge eine weitere neue Erscheinungsform darstellen. Um die zugrunde liegenden Mechanismen eines Covid-19-assoziierten Pseudokrupps, die Unterschiede in den klinischen Merkmalen zu anderen viralen Ätiologien und geeignete Behandlungsstrategien in der SARS-CoV-2-Ära zu charakterisieren, sind weitere Forschungsarbeiten nötig.