
Hintergrund
Die Fortschritte in der Intensivmedizin und die Einführung von Breitspektrum-Antibiotika haben viele Leben gerettet. Auf der anderen Seite beobachtet man infolge der besseren intensivmedizinischen Versorgung die Zunahme von Problemen, die früher zahlenmäßig von untergeordneter Bedeutung waren. Hier gehören unter anderem auch lebensbedrohliche Pilzinfektionen bei Patienten in der Intensivpflege.
Hohe Mortalität durch Aspergillose
Patienten unter Chemotherapien und Patienten nach einer Organtransplantation oder einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSCT) sind aufgrund ihre supprimierten Immunabwehr besonders durch schwere Pilzinfektionen gefährdet. Die invasive pulmonale Aspergillose (IPA) ist eine der Hauptursachen für die Mortalität in diesem klinischen Setting. Man schätzt, dass durch die IPA 20-30%, bei Azol-resistenten Stämmen sogar auf >80% der Patienten sterben. Der Mangel an zugelassenen Impfstoffen und die Limitationen der aktuell verfügbaren Tests zur Diagnose der IPA unterstreichen die Relevanz der Risiken durch die IPA. Ein verbessertes Verständnis der Pathogenese der IPA ist erforderlich, um effektivere diagnostische und therapeutische Methoden gegen diese Infektion zu entwickeln.
Rolle der Lungenmikrobiota
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass die Lungenmikrobiota von Patienten in kritischem Zustand im Sinne einer Dysbiose verändert ist. Eine Lungendysbiose kann den Verlauf und den Ausgang von respiratorischen Krankheiten maßgeblich beeinflussen. Sie gehört beispielsweise zu den wichtigen Triggern von Exazerbationen bei entzündlichen Atemwegserkrankungen. Die Lungendysbiose begünstigt dabei nicht nur das Wachstum potenzieller Pathogene, sondern hat mit hoher Wahrscheinlichkeit auch einen negativen Einfluss auf die Funktionen des alveolären und systemischen Immunsystems. Welche klinische Bedeutung die Lungenmikrobiota bzw. eine Lungendysbiose bei der Entstehung, dem Verlauf und dem Ausgang einer IPA bei Patienten in Intensivbehandlung hat, wurde nun erstmals in einer Studie untersucht.
Zielsetzung
Die Studie sollte folgende Fragen beantworten: Beeinflusst die Lungenmikrobiota die Anfälligkeit für invasive pulmonale Aspergillose und kann sie den klinischen Ausgang einer IPA vorhersagen?
Methoden
In die Beobachtungsstudie wurden immunsupprimierte Erwachsene eingeschlossen, die zwischen 2013-2018, die im Klinikum der Universität Leuven in Belgien stationär behandelt wurden. In die IPA-Gruppe wurden Patienten aufgenommen, bei denen die IPA entsprechend der Kriterien der European Organisation for Research and Treatment of Cancer/Mycoses Study Group (EORTC/MSG) diagnostiziert worden war. In der Kontrollgruppe befanden sich ausschließlich Patienten, bei denen keine Spuren von Aspergillus spp in der Bronchoalveolären Lavage (BAL) nachgewiesen wurden. Die Charakterisierung der Lungenmikrobiota erfolgte durch die Gensequenzierung von 16S ribosomaler RNA. Die Proben für die Sequenzierung wurden mittels Bronchoalveolärer Lavage (BAL) gewonnen.
Artenreichtum und pulmonale Immunität
Untersucht wurden die Artenvielfalt (Alpha-Diversität) und die Zusammensetzung der Lungenmikrobiota. Zur Evaluierung der Assoziationen zwischen Lungendysbiose bei IPA und pulmonaler Immunität wurden darüber hinaus alveoläre Cytokine, Chemokine und Immunzellen quantifiziert. Der Beitrag der mikrobiellen Signatur zum Ausgang der Erkrankung wurden am geschätzten Gesamtüberleben bemessen.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 104 immunsupprimierte Patienten in die Studie eingeschlossen, davon war bei 54 Patienten eine IPA wahrscheinlich oder nachgewiesen. In die Kontrollgruppe wurden 50 Pateinten aufgenommen. Die Patienten mit IPA wiesen eine geringe Alpha-Diversität der Lungenmikrobiota als die Patienten in der Kontrollgruppe auf. In der IPA-Gruppe traten die Gattungen Staphylococcus, Escherichia, Paraclostridium and Finegoldia in großen Mengen auf. Veränderungen der Mikrobiota-Zusammensetzung beeinflussten vor allem die Neutrophilen-Zahl und die Cytokine IL-2, IL-6, IL-8 und IL-28. Dabei wurden auch Assoziationen Neutrophilen-Zahl und Cytokin-Konzentration beobachtet.
Mikrobiota und Überleben
In der IPA-Kohorte starben 46 Patienten (85,2%), in der Kontrollgruppe 27 (54,0%). Eine geringere Artenvielfalt war bei den IPA-Patienten mit einer höheren Sterbeinzidenz verbunden. In dieser Kohorte hatten die IPA-Patienten mit einer geringen Alpha-Diversität ein vierfach erhöhtes Sterberisiko gegenüber den Patienten mit großem Artenreichtum der Lungenmikrobiota (Hazard Ration [HR] 4,2; 95% Konfidenzintervall [CI] 1,34–13.1; p=0,014). In der gesamten Studienpopulation war dieser Zusammenhang weit weniger eindeutig (HR 1,3; 95% CI 0,41–3,89; p=0,68). Allerdings meinen die Autoren, dass eine potenziell bestehende Assoziation durch den unterschiedlichen Infektionsstatus der Patienten maskiert wurde.
Fazit
Die Autoren schließen, dass die Lungenmikrobiota einen Einfluss auf den klinischen Verlauf bei IPA-Risiko-Patienten hat. Sie sind vom Potenzial der Lungenmikrobiota als diagnostischer und therapeutischer Ansatzpunkt im Zusammenhang mit respiratorischen Pilzinfektionen überzeugt und regen größere Studien zu diesem Thema an.