Antibiotika sind eine Klasse von Medikamenten, die hauptsächlich zur Behandlung von bakteriellen Infektionen verwendet werden. Sie wirken entweder durch Abtöten der Bakterien (bakterizide Antibiotika) oder durch Hemmung ihres Wachstums (bakteriostatische Antibiotika). Ihre Hauptanwendungsgebiete umfassen:
Respiratorische Infektionen: Dazu gehören Infektionen der oberen Atemwege wie Streptokokken-Pharyngitis (durch Streptococcus pyogenes verursacht) und der unteren Atemwege wie Pneumonien, die häufig durch Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und atypische Erreger wie Mycoplasma pneumoniae verursacht werden.
Harnwegsinfektionen: Antibiotika werden oft zur Behandlung von Harnwegsinfektionen eingesetzt, die hauptsächlich durch Escherichia coli verursacht werden, aber auch durch andere gramnegative Bakterien wie Proteus mirabilis und Klebsiella pneumoniae.
Haut- und Weichteilinfektionen: Dazu gehören Zellulitis, Abszesse und Wundinfektionen, die häufig durch Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes verursacht werden. Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) ist ein besonderes Problem in diesem Bereich.
Gastrointestinale Infektionen: Bestimmte Antibiotika werden zur Behandlung von bakteriellen Magen-Darm-Infektionen eingesetzt, beispielsweise durch Helicobacter pylori, Campylobacter jejuni und Salmonella-Arten.
Sexuell übertragbare Infektionen (STI): Bakterielle STIs wie Gonorrhö (verursacht durch Neisseria gonorrhoeae), Syphilis (verursacht durch Treponema pallidum) und Chlamydien (verursacht durch Chlamydia trachomatis) werden mit spezifischen Antibiotika behandelt.
Sepsis und systemische Infektionen: Bei systemischen bakteriellen Infektionen, die zu Sepsis führen können, werden breit wirksame Antibiotika oft initial eingesetzt, bis der spezifische Erreger identifiziert ist.
Prophylaxe bei chirurgischen Eingriffen: Antibiotika werden präventiv verabreicht, um postoperative Infektionen zu verhindern, insbesondere bei Eingriffen, die ein hohes Risiko für bakterielle Kontamination bergen, wie z.B. Darmchirurgie oder orthopädische Operationen.
Wirkmechanismus
Antibiotika wirken durch verschiedene Mechanismen, die gezielt die lebenswichtigen Prozesse von Bakterien stören, ohne dabei die menschlichen Zellen zu schädigen. Hier sind die Hauptwirkmechanismen von Antibiotika:
Hemmung der Zellwandsynthese
Beta-Laktam-Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme, Monobactame): Diese Antibiotika binden an die Penicillin-Bindeproteine (PBPs) der Bakterien und blockieren die Quervernetzung der Peptidoglykan-Schicht in der bakteriellen Zellwand. Dies führt zur Lyse und dem Absterben der Bakterien.
Glykopeptide (Vancomycin, Teicoplanin): Diese Antibiotika binden direkt an die D-Alanyl-D-Alanin-Enden der Peptidoglykan-Vorläufer und verhindern dadurch die Polymerisation und Quervernetzung der Zellwand.
Hemmung der Proteinsynthese
Makrolide (Erythromycin, Azithromycin), Lincosamide (Clindamycin), Chloramphenicol: Diese Antibiotika binden an die 50S-Untereinheit der bakteriellen Ribosomen und hemmen die Translokation oder Peptidyltransferase-Aktivität, was die Proteinsynthese stoppt.
Tetracycline (Doxycyclin, Tetracyclin): Binden an die 30S-Untereinheit der Ribosomen und verhindern die Anlagerung der Aminoacyl-tRNA an die Akzeptorstelle, was die Proteinsynthese unterbricht.
Aminoglykoside (Gentamicin, Amikacin): Binden irreversibel an die 30S-Untereinheit der Ribosomen und verursachen Fehlablesungen der mRNA, was zu fehlerhaften Proteinen führt.
Hemmung der Nukleinsäuresynthese
Fluorchinolone (Ciprofloxacin, Levofloxacin): Hemmen die bakterielle DNA-Gyrase und Topoisomerase IV, was die Replikation und Transkription der bakteriellen DNA verhindert.
Rifamycine (Rifampicin): Binden an die bakterielle DNA-abhängige RNA-Polymerase und verhindern die Initiation der RNA-Synthese.
Störung der Zellmembran
Polymyxine (Colistin): Binden an die Lipopolysaccharide der äußeren Membran gramnegativer Bakterien und erhöhen die Permeabilität der Membran, was zum Zelltod führt.
Daptomycin: Bindet an die Zellmembran grampositiver Bakterien und verursacht eine Depolarisation der Membran, was die Synthese von Proteinen und Nukleinsäuren stoppt.
Antimetaboliten
Sulfonamide und Trimethoprim: Hemmen die Folsäuresynthese durch Blockade der Enzyme Dihydropteroat-Synthetase (Sulfonamide) und Dihydrofolat-Reduktase (Trimethoprim), was die Synthese von Nukleotiden und somit die DNA-Synthese stört.
Nebenwirkungen
Antibiotika können eine Vielzahl von Nebenwirkungen verursachen, die je nach Art des Antibiotikums, Dosierung und individueller Empfindlichkeit des Patienten variieren können. Hier sind einige der häufigsten und bedeutendsten Nebenwirkungen von Antibiotika:
Gastrointestinale Störungen
Übelkeit und Erbrechen: Diese sind häufig bei vielen Antibiotika und können durch eine Reizung des Magens verursacht werden.
Durchfall: Eine häufige Nebenwirkung, die durch eine Störung der normalen Darmflora entsteht. Schwerer Durchfall kann auf eine Clostridioides difficile-Infektion hinweisen, die eine spezifische Behandlung erfordert.
Allergische Reaktionen
Hautausschläge und Juckreiz: Können bei vielen Antibiotika auftreten, besonders bei Penicillinen und Sulfonamiden.
Anaphylaxie: Eine schwere, lebensbedrohliche allergische Reaktion, die bei Penicillinen und Cephalosporinen vorkommen kann.
Nephrotoxizität
Aminoglykoside (Gentamicin, Amikacin): Können Nierenschäden verursachen, insbesondere bei hohen Dosen oder längerer Anwendung.
Vancomycin: Kann ebenfalls nephrotoxisch sein, besonders bei gleichzeitiger Anwendung anderer nephrotoxischer Medikamente.
Ototoxizität
Aminoglykoside: Können Schäden am Innenohr verursachen, was zu Hörverlust und Gleichgewichtsstörungen führen kann.
Hämatologische Effekte
Chloramphenicol: Kann aplastische Anämie verursachen, eine seltene, aber schwere Nebenwirkung.
Beta-Laktam-Antibiotika: Können in seltenen Fällen zu Blutbildveränderungen wie Leukozytopenie und Thrombozytopenie führen.
Hepatotoxizität
Tetracycline: Können Leberentzündungen und Gelbsucht verursachen.
Rifampicin: Kann die Leberenzyme erhöhen und bei prädisponierten Patienten Leberschäden verursachen.
Zentralnervöse Effekte
Fluorchinolone: Können neurologische Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen und in seltenen Fällen Krampfanfälle und Halluzinationen verursachen.
Metronidazol: Kann periphere Neuropathie und ZNS-Symptome wie Verwirrtheit und Ataxie verursachen.
Photosensitivität
Tetracycline und Fluorchinolone: Können die Haut empfindlicher gegenüber Sonnenlicht machen, was zu schweren Sonnenbränden führen kann.
Sehnenprobleme
Fluorchinolone (z.B. Ciprofloxacin, Levofloxacin): Diese Antibiotika können das Risiko für Sehnenschäden erhöhen, einschließlich Tendinitis und Sehnenrupturen, insbesondere der Achillessehne. Das Risiko ist erhöht bei älteren Patienten, bei gleichzeitiger Anwendung von Kortikosteroiden und bei Patienten mit Nierenerkrankungen oder Sehnenerkrankungen in der Vorgeschichte.
Superinfektionen
Breitbandantibiotika: Durch die Zerstörung der normalen Flora können opportunistische Infektionen wie Pilzinfektionen (z.B. Candida) auftreten.
Wechselwirkungen
Einige der wichtigsten Wechselwirkungen der einzelnen Antibiotikaklassen umfassen:
Beta-Laktam-Antibiotika: Penicilline und Cephalosporine aber auch andere Antibiotika können die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva verringern, daher sind zusätzliche Verhütungsmethoden empfohlen. Probenecid erhöht die Plasmakonzentrationen dieser Antibiotika.
Makrolide: Erythromycin und Clarithromycin erhöhen die Plasmakonzentrationen von Statinen, was das Risiko für Myopathie und Rhabdomyolyse steigert. Sie erhöhen auch das Blutungsrisiko bei Warfarin und die Toxizität von Theophyllin.
Tetracycline: Die Absorption wird durch Antazida und Milchprodukte verringert. Tetracycline können die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva beeinträchtigen.
Fluorchinolone: Ihre Absorption wird durch Antazida und Milchprodukte verringert. Sie erhöhen das Risiko für ZNS-Nebenwirkungen bei gleichzeitiger NSAR-Einnahme und erhöhen das Blutungsrisiko bei Warfarin.
Aminoglykoside: Erhöhtes Risiko für nephrotoxische und ototoxische Wirkungen bei gleichzeitiger Einnahme von Schleifendiuretika. Sie verstärken auch die neuromuskuläre Blockade.
Glykopeptide: Erhöhtes nephrotoxisches Risiko bei gleichzeitiger Einnahme von Aminoglykosiden und NSAR.
Lincosamide: Verstärken die neuromuskuläre Blockade und erhöhen das Risiko für Atemlähmung.
Oxazolidinone: Linezolid kann das Risiko für ein Serotonin-Syndrom bei gleichzeitiger Einnahme von SSRI erhöhen und Bluthochdruckkrisen bei Sympathomimetika verursachen.
Nitroimidazole: Metronidazol kann mit Alkohol eine disulfiramähnliche Reaktion verursachen und erhöht das Blutungsrisiko bei Warfarin.
Antibiotika-Resistenzen
Ein Problem für die antiinfektive Therapie ist die Resistenzentwicklung. Sie kann auf unterschiedlichen Mechanismen wie bspw. Enzyminduktion oder chemischer Veränderungen am Wirkstofftarget beruhen. Es kann auch zur Bildung einer Multiresistenz gegen mehrere Wirkstoffklassen kommen. In diesem Fall kommen sogenannte Reserveantibiotika zum Einsatz.
Wirkstoffe
Antibiotika werden in verschiedene Klassen eingeteilt, die sich durch ihren Wirkmechanismus und ihr Wirkspektrum unterscheiden. Hier sind einige der Hauptgruppen von Antibiotika und ihre spezifischen Anwendungsbeispiele:
Linezolid: Behandlung von MRSA- und VRE-Infektionen (Vancomycin-resistenter Enterococcus), insbesondere bei Lungenentzündungen und komplizierten Hautinfektionen.
Nitroimidazole
Metronidazol: Anwendung bei anaeroben bakteriellen Infektionen, Protozoeninfektionen wie Amöbiasis und Trichomoniasis, sowie bei Clostridioides difficile-Infektionen.
Jede dieser Antibiotikaklassen hat ein spezifisches Wirkspektrum und ist für bestimmte Arten von Infektionen besser geeignet. Die Auswahl des richtigen Antibiotikums hängt von der Art der Infektion, dem vermuteten oder bestätigten Erreger und den individuellen Patientenfaktoren ab, einschließlich möglicher Allergien und Nierenfunktion. Zudem spielt die lokale Resistenzsituation eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung.
Lüllmann, Heinz, Klaus Mohr, and Lutz Hein. Pharmakologie und Toxikologie: Arzneimittelwirkungen verstehen-Medikamente gezielt einsetzen; Georg Thieme Verlag
Abbildung
Adapted from „Antimicrobial Therapy Strategies”, by BioRender.com