
Patienten mit einem oligometastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC für engl. Non Small Cell Lung Cancer) sind eine Patentengruppe, die eine Chance auf eine Langzeitüberleben oder sogar eine Heilung hat, erklärte die Thoraxchirurgin anlässlich des ERS-Kongresses 2021. Definiert ist die Oligometastasierung in internationalen Leitlinien unterschiedlich: Die europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften für Radioonkologie ESTRO und ASTRO verstehen darunter ein bis fünf Metastasen, die sicher mit einer Lokaltherapie behandelt werden können [2]. Die IASCL (International Association for the Study of Lung Cancer) definiert eine synchrone oligometastasierte Erkrankung mit ein bis fünf Fernmetastasen in bis zu drei Organen [3].
Lokale ablative Therapie mit Messer oder Strahlen
Patienten mit oligometastasiertem NSCLC profitieren von einer lokalen ablativen Therapie zusätzlich zur systemischen Therapie, betonte Opitz. Möglich gemacht haben das Weiterentwicklungen in der minimal-invasive Chirurgie mit videoassisierten, mikroskopischen und roboterunterstützten Techniken und verbesserte Strahlentherapien wie die stereotaktische lokale Metastasenbestrahlung. Die jüngsten NCCN-Leitlinien empfehlen die Erwägung einer stereotaktischen Bestrahlung oder einer chirurgische Resektion bei oligometastasierten Patienten mit NSCLC inzwischen auch bei Hirnmetastasen empfohlen wird [4].
Langes Überleben möglich
Die Empfehlung basiert auf verschiedenen retrospektiven Kohortenstudien. Opitz selbst führte in vier schweizerischen Zentren von Patienten mit oligometastasiertem NSCLC, die nach systemischer Therapie in kurativer Intention eine lokale ablative Therapie von Metastasen erhalten hatten, eine solche Untersuchung durch [5]. Es zeigte sich, dass die Patienten nach der lokalen ablativen Therapie eine relativ geringe Morbidität davongetragen hatten und eine gute Lebensqualität erreicht werden konnte. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug über alle 124 ausgewerteten Patienten hinweg 36% und für die unter 60-jährigen Patienten mit pN0 sogar 83%. Prognostisch ungünstig waren Knochenmetastasen. Daraus resultiert Opitz‘ Empfehlung, eine lokal ablative Therapie bei ausgewählten Patienten in Betracht zu ziehen (z.B. Ausschluss von Knochenmetastasen), wobei ein nodales Staging unverzichtbar ist.
Es kommt auch auf die Systemtherapie an
Historische Kohorten zeigten allerdings, dass solche Patienten nach einiger Zeit wieder ein Rezidiv erleiden. Das liegt an den damals verwendeten Chemotherapien, glaubt Opitz – die Patienten waren noch nicht mit zielgerichteten oder Immuntherapien behandelt worden. Aktuell laufen verschiedene Studien, die eine lokale ablative Therapie bei synchron oligometastasierten Patienten mit NSCLC vorsehen, die mit modernen Therapieregimen behandelt werden [6]. Ein Beispiel ist die CHESS-Studie, bei der alle Patienten eine Therapie mit Durvalumab über ein Jahr oder bis zum Progress erhalten. Als Systemtherapie ist eine platinbasierten Chemotherapie (4-6 Zyklen) vorgesehen, die mit einer stereotaktischen Bestrahlung der Metastasen ergänzt wird und nach der ein Restaging erfolgt. Für Patienten mit mindestens stabiler Erkrankung ist anschließend eine radikale Therapie des Primärtumors (Chirurgie, ggf. auch Bestrahlung) vorgesehen, bei Progress ein Studienabbruch. Primärer Endpunkt der Studie ist das progressionsfreie Überleben.
Weiteres neues Konzept: Lokale Konsolidierung
Patienten mit einem Stadium-IV-NSCLC, die zwar auf eine initiale Therapie angesprochen haben, aber noch Residuen aufweisen, könnten ebenfalls von einer zusätzlichen lokalen Behandlung profitieren, ist Opitz überzeugt. Diese lokale konsolidierende Therapie kann ebenfalls chirurgisch oder strahlentherapeutisch erfolgen. Sie umfasst sowohl Residuen des Primärtumors als auch der Metastasen.
Im Alltag möglich
Auch dieses Konzept überprüfte Opitz mit ihrer Arbeitsgruppe retrospektiv an einer entsprechend stark selektierten Kohorte von 26 Patienten aus der Schweiz [7]. Alle hatten verschiedene Kombinationen von Chemotherapie mit zielgerichteter oder Immuntherapie erhalten. 24 Patienten wiesen initial ein Stadium IVA, zwei ein Stadium IVB auf. Bei allen Salvage-Operationen konnte eine R0-Resektion erreicht werden, in sechs Fällen wurde pathologisch ein Komplettansprechen festgestellt. Fünf Patienten erlitten nach dem Eingriff leichtere, zwei schwerer Komplikationen. Vier der 26 Patienten verstarben innerhalb von 90 Tagen nach der chirurgischen Therapie. Das mediane Gesamtüberleben lag bei etwa fünf Jahren, das mediane progressionsfreie Überleben bei zwei Jahren, berichtete Opitz – das sei sehr vielversprechend. Eine Studie aus Japan fand bei Salvage-Therapie nach zielgerichteter Therapie ebenfalls ein medianes Gesamtüberleben der Patienten mit NSCLC von fast fünf Jahren – allerdings bei verschiedenen Stadien [8]. Viele weitere Studien laufen.
Wer kommt infrage?
Die Indikation zur lokalen ablativen Therapie muss sorgfältig gestellt werden, machte Opitz klar. Wichtig für die Entscheidungsfindung ist das Ansprechen auf die initiale Therapie, die Wahrscheinlichkeit einer Komplettresektion, der Performance-Status des Patienten und die voraussichtliche Lebensqualität nach der Resektion.