Das Nicht-kleinzellige Lungenkarzinom zählt zu den Bronchialkarzinomen. Es wird meist erst spät entdeckt. Deshalb sollte jeder (neu aufgetreten oder veränderte) Husten nach 3 Wochen abgeklärt werden.
Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom, kurz NSCLC, zählt zu den Bronchialkarzinomen, genau genommen zu den in der Lunge entstandenen und epithelialen Malignomen. Es wird vor allem hinsichtlich seiner Histologie unterteilt in das Plattenepithelkarzinom (ca. 35%), das Adenokarzinom (40% und steigend), das großzellige Lungenkarzinom (etwa 10%), das adenosquamöse Karzinom, das sarkomatoide Karzinom, den Karzinoidtumor und den Bronchialdrüsentumor.
Epidemiologie
Etwa ein Viertel aller Krebspatienten und ca. 12% aller Krebspatientinnen erkranken an einem Bronchialkarzinom. Auf das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom entfallen jährlich ca. 33.000 Neuerkrankungen bei Männern und etwa 17.000 bei Frauen. Altersstandardisiert sinkt die Sterberate bei männlichen NSCLC-Patienten pro Jahr um 1,4%. Bei Frauen hingegen steigt sie pro Jahr um etwa 2,4%. Die absolute 5-Jahresüberlebensrate bei Männern liegt bei etwa 13%, bei Frauen bei ca. 18%.
Am häufigsten erkranken Menschen zwischen dem 70. und 75. Lebensjahr an einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom. Das mittlere Erkrankungsalter bei Männern liegt bei 71 Jahren und bei Frauen bei 69 Jahren. Das höchste Risiko zu erkranken, haben Männer zwischen dem 80. und 85. Lebensjahr. Bei Frauen stabilisiert sich das höchste Erkrankungsrisiko ab etwa 70 Jahren und bleibt dann weitestgehend gleich hoch.
Ursachen
Eine der Hauptursachen vom nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom und Bronchialkarzinomen im Allgemeinen ist Zigarettenrauch. Etwa 85% der Lungenkarzinome werden vermutlich durch diesen Auslöser verursacht. Je mehr Packungsjahre - also die Zahl der täglich gerauchten Packungen multipliziert mit den Raucherjahren - ein Patient zusammen bekommt, um so höher ist das Krebsrisiko. Bei 40 Packungsjahren, auch pack years oder kurz py genannt, steigt das Krebsrisiko um das 10-fache an. Haben die Patienten bereits im Jugendalter zu rauchen begonnen, kann das Risiko um das bis zu 30-fache steigen. Passivrauchen erhöht das Risiko bereits um den Faktor 1,3 bis 2,0.
Auch eine Exposition mit anderen lungenkrebserzeugenden Stoffen steigert das Krebsrisiko - in Kombination mit einer positiven Raucheranamnese potenziert es sich sogar. Zu diesen Stoffen gehören zum Beispiel Chrom VI-Verbindungen, Arsenverbindungen, Haloether, ionisierende strahlende Stoffe, Asbestarten, Nickelmetall, Kokereirohgase, Quarzstäube und viele mehr. Ein Teil davon zählt zu den beruflichen Expositionen und damit unter Umständen auch zu Berufskrankheiten.
Neben den vermeidbaren Faktoren kann auch eine genetische Vorbelastung eine Lungenkrebserkrankung verursachen. Ist die Familienanamnese positiv und mindestens ein Verwandter ersten Grades ist ebenfalls an einem NSCLC erkrankt, kann eine erbliche Vorbelastung die Ursache sein.
Pathogenese
Lungenkrebs entsteht in einem mehrstufigen Prozess. In der Großzahl der Fälle sind die betroffenen Patienten irgendwann in ihrem Leben (häufig über einen längeren Zeitraum) krebserregenden Stoffen ausgesetzt gewesen. Diese Stoffe greifen in Signalübertragungswege ein und führen zu genetischen Aberrationen. Mit einer Verzögerung von ca. 30 Jahren entstehen aus diesen genetischen Schäden Gewebeveränderungen. Das Epithel in den Atemorganen wird dysplastisch. Ein Carcinoma in situ entsteht, dass nach und nach zu einem soliden Tumor heranwächst.
Symptome
Die frühen Stadien des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms sind, wie bei den meisten Lungenkarzinomen, asymptomatisch. Erst in fortgeschrittenem Stadium treten eindeutigere Symptome und auch Schmerzen auf. Einen ersten Hinweis können Asthma und Bronchitis mit kurzer Anamnese, wiederholte Lungenentzündungen (rezidivierende Pneumonien) und therapieresistente Erkältungskrankheiten bei Patienten älter als 40 Jahre geben. Diese Konstellation ist immer auch krebsverdächtig.
Die Symptome der fortgeschrittenen Lungenkarzinome werden meist anhand ihrer Ursache gruppiert in lokal tumorbedingt, metastasenbedingt und allgemein.
Als allgemeine Symptome zählen:
Gewichtsverlust
Schwäche
Fieber
Nachtschweiß
paraneoplastische Syndrome im Allgemeinen
autoimmune (Kollagenosen)
endokrine Symptome
hämatologische, inklusive Gerinnungsstörungen
Die Haut betreffende Symptome wie beispielsweise Dermatomyositis
metabolische wie das SIADH (Schwartz-Bartter-Syndrom) mit Hyponatriämie
neurologische wie das Lambert-Eaton Syndrom oder das Anti-Hu-Syndrom
knochenbetreffend wie beispielsweise hypertrophe Osteoarthropathien wie das Pierre-Marie-Bamberger Syndrom)
Nierensymptome
Vor allem die sogenannte B-Symptomatik aus Fieber, ungewolltem Gewichtsverlust von mindestens 10% des Körpergewichts innerhalb der letzten sechs Monate und Nachtschweiß ist eine hinweisgebende Kombination auf ein mögliches bösartiges Tumorgeschehen im Körper.
Lokal verursachen Lungenkarzinome vorwiegend:
Husten
Dyspnoe
Thoraxschmerzen
Bluthusten (Hämoptysen)
blutig tingiertes Sputum beim Husten (Blutbeimischungen im hochgehusteten Schleim)
obere Einflussstauung mit dem Vena cava superior Syndrom
Schluckbeschwerden (Dysphagie)
auffällige Atemgeräusche wie einen Stridor
Heiserkeit - Bei Infiltration des Nervus recurrens kann es zu einer Stimmbandlähmung kommen
Armschwäche - Hier ist der Plexus brachialis infiltriert
Horner Syndrom - Infiltration des Ganglion stellatum
Da Lungenkarzinome nicht selten erst in einem späten Stadium erkannt werden, können auch durch Metastasen entstandene Symptome auftreten:
Schmerzen wie zum Beispiel Knochen- oder Kopfschmerzen
Schwindel, Kopfschmerzen, neurologische Ausfälle, Verwirrtheit oder Krampfanfälle
Lymphknotenschwellung (vor allem supraklavikulär)
Ikterus
Kommt es zu einer chronischen Sauerstoffunterversorgung, können sich auch Uhrglasnägel, Trommelschlägelfinger und eine Kachexie ausbilden. Diese Einflussstauungen sind meist Spätsymptome und können darauf hindeuten, dass der Tumor (bereits) inoperabel ist.
Diagnostik
Viele der Patienten stellen sich zunächst beim Hausarzt vor. Dort wird neben einer ausführlichen Anamnese eine körperliche Untersuchung durchgeführt. Besteht bereits der Verdacht eines Lungenkarzinoms, können in dieser Untersuchung mögliche Folgen einer Ausbreitung und eingetretene Komplikationen miterfasst werden.
Bei neu aufgetretenen Symptomen schließt sich der körperlichen Untersuchung eine Blutentnahme mit Labor an.
Labor
Für die Diagnostik und um den Allgemeinzustand des Patienten zu erfassen, werden folgende Parameter angefordert:
Blutbild
Elektrolyte mit Natrium, Kalium, Calcium und Phosphat
Kreatinin
Harnstoff
Leberwerte mit AST, ALT, GGT, AP und Bilirubin
LDH
Harnsäure
Gerinnung
Der erste gezielte diagnostische Schritt bei Verdacht auf ein NSCLC ist die Bildgebung.
Bildgebung
Als schnell verfügbare Basisdiagnostik wird zumeist ein Röntgenbild des Thorax in zwei Ebenen angefertigt. Das geht schnell, ist häufig flächendeckend verfügbar und hilft, manche Differentialdiagnose auszuschließen oder als sehr unwahrscheinlich einzustufen. Als nächste Stufe wird eine Computertomographie (CT) des Thorax und, falls bereits Metastasierungen bestehen könnten, auch des Oberbauchs mit Kontrastmittel angefertigt. Das CT ist die Methode der ersten Wahl. Eine Positronenemissionstomographie mit Computertomographie (PET-CT) wird in Deutschland nicht routinemäßig durchgeführt. Sie kann aber gerade bei unbekanntem Primarius (unbekannter Primärtumor - die Krebserkrankung ist nur durch Metastasen auffällig geworden) helfen, diesen zu finden oder eventuelle Metastasen aufzuspüren. Kann eine CT nicht durchgeführt werden, ist die Alternative in Deutschland die Magnetresonanztomographie (MRT) von Thorax und Oberbauch mit Kontrastmittel.
Biopsie
Besteht nach der Bildgebung der begründete Verdacht, dass eine Raumforderung vorliegen könnte, kann die Diagnose mittels bioptischhistologischer Untersuchung gesichert werden. Erst, nachdem der Verdacht histologisch gesichert wurde, gilt die Diagnose eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms als definitiv. Dafür kann entweder eine Bronchoskopie mit Biopsie gemacht werden oder eine transthorakale Biopsie. Welche Variante gewählt wird, hängt von der Lokalisation der Raumforderung ab. Ist sie eher peripher gelegen, kann transthorakal biopsiert werden. Das geschieht meist CT-gesteuert. Wird bronchoskopisch vorgegangen, kann zusätzlich eine Autofluoreszenz eingesetzt werden, um das verdächtige Gewebe besser zu identifizieren. Eine dritte, wenn auch seltenere Option ist die Thoraskopie (meist als videoassistierte Thorakoskopie, kurz VATS) oder Mediastinoskopie. Sie wird in der Regel nur eingesetzt, wenn der Befund nicht eindeutig ist oder untersucht werden soll, wie großflächig die Raumforderung ist.
Ausbreitungsdiagnostik
Ist die Diagnose gesichert, muss abgeklärt werden, wie weit das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom eventuell bereits gestreut hat. Diese Ausbreitungsdiagnostik, auch Staging genannt, ist entscheidend für die Therapieentscheidung, denn sie bestimmt das Stadium, in dem sich die Erkrankung befindet.
Untersucht wird auf Fernmetastasen, also Absiedelungen des Tumors. Dazu zählen abdominelle Organmetastasen, Hirnmetastasen oder Knochenmetastasen. Auch klärt die Ausbreitungsdiagnostik, inwieweit andere Organe durch die Krebserkrankung in Mitleidenschaft gezogen worden sind beispielsweise durch einen Pleuraerguss. Dafür können, je nach Symptomkonstellation und vermuteter Ausbreitung, folgende Untersuchungen durchgeführt werden:
Sonographie des Oberbauchs
FDG-PET-CT bei kurativem Therapiekonzept, ersatzweise eine Ganzkörper MRT
endobronchialer oder endoösophagealer Ultraschall mit Feinnadelbiopsie, kurz EUS/EBUS (bei Verdacht auf mediastinale Lymphknotenbeteiligung)
Mediastinoskopie
MRT des Schädels oder ersatzweise CT, falls eine MRT nicht möglich ist (Ausschluss zerebraler Metastasen)
Knochenszintigraphie als Ersatz für eine PET-CT
CT des Abdomens mit Nebenniere und unterem Leberrand, falls ein PET-CT nicht möglich ist
Pleurapunktion und gegebenenfalls VATS, bei Pleuraerguss
Feindiagnostik
Wie in den meisten Fällen von Krebserkrankungen wird auch die endgültige Diagnose eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms über die Histologie gestellt. Unterschieden werden so folgende Subtypen des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms:
Plattenepithelkarzinom
verhornend
nicht verhornend (p40+, TTF1-)
basaloid (p40+/TTF1-)
Adenokarzinom
präinvasiv
minimal invasiv (< 3cm mit < 5mm Invasion ≈ 3%)
invasiv
G1: lepidisch (≈ 3%)
G2: azinär, papillär
G3: mikropapillär, solide
Varianten
großzelliges Karzinom
neuroendokrine Tumore
Karzinoid
typisches Karzinoid
atypisches Karzinoid
kleinzelliges Karzinom (SCLC)
großzelliges neuroendokrines Karzinom (LCNEC)
In Stadium IV wird außerdem noch eine molekularbiologische Diagnostik notwendig. Bevor hier eine Therapie begonnen werden kann, sollte auf folgende Mutationen getestet werden:
EGFR Exon 18-21 Mutationen
ALK-Translokationen
ROS1-Translokationen
BRAF-V600-Mutationen
NTRK-Fusionen
Sollen spezielle Therapiekonzepte eingesetzt werden, kann auch noch auf weitere Alterationen getestet werden wie zum Beispiel:
BRAF-NonV600-Mutationen
HER2-Amplifikationen
KRAS-Mutationen
c-MET-Alterationen mit c-MET Exon 14 skipping Mutationen, Amplifikation und Fusionen
NRG-Fusionen
RET-Translokationen
Eine Immunhistochemie auf PD-L1 auf den Tumorzellen hingegen wird bei Patienten im Stadium III nach Strahlenchemotherapie und bei allen Patienten im Stadium IV empfohlen. Bei Letzteren vor Beginn einer medikamentösen Therapie.
Klassifikation
Die Einstufung und Klassifikation des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms erfolgt anhand der TNM-Klassifikation bzw. der IASLC/UICC8-Klassifikation.
Kategorie
Stadium
Kurzbeschreibung
T (Tumor)
Tis
Carcinoma in situ
T1
größter Durchmesser <3 cm, umgeben von Lungengewebe oder viszeraler Pleura, Hauptbronchus nicht beteiligt
T1a(mi)
Minimal invasives Adenokarzinom (solitäres Adenokarzinom mit überwiegend lepidischem Wachstumsmuster, <3 cm in der größten Gesamt-Ausdehnung mit einem invasivem (in der CT solidem) Anteil <5 mm
T1a
größter Durchmesser ≤1cm
T1b
größter Durchmesser >1 und ≤ 2 cm
T1c
größter Durchmesser >2 und ≤ 3 cm
T2
T2a
T2b
größter Durchmesser >3 und ≤4 cm oder
Infiltration des Hauptbronchus unabhängig vom Abstand von der Karina, aber ohne direkte Invasion der Karina
Infiltration der viszeralen Pleura oder
tumorbedingte partielle Atelektase oder obstruktive Pneumonie, die bis in den Hilus reichen und Teile der Lunge oder die gesamte Lunge umfassen
größter Durchmesser >4 und ≤5 cm
T3
größter Durchmesser >5 aber ≤7 cm oder
Infiltration von Thoraxwand (inklusive parietale Pleura und Superior Sulcus), N. phrenicus, parietales Perikard oder
zusätzlicher Tumorknoten im selben Lungenlappen wie der Primärtumor
T4
größter Duchmesser >7cm oder mit direkter Infiltration von Diaphragma, Mediastinum, Herz, großen Gefäßen (V. cava, Aorta, Pulmonalarterie, Pulmonalvene intraperikardial), Trachea, N. laryngeus recurrens, Ösophagus, Wirbelkörper, Karina oder
zusätzlicher Tumorknoten in einem anderen ipsilateralen Lungenlappen
N (Lymphknoten)
N0
keine Lymphknotenmetastasen
N1
Metastase in ipsilateralen, peribronchialen und / oder ipsilateralen hilären Lymphknoten und / oder intrapulmonalen Lymphknoten oder direkte Invasion dieser Lymphknoten
N2
Metastase in ipsilateralen mediastinalen und / oder subkarinalen Lymphknoten
N3
Metastase in kontralateralen mediastinalen, kontralateralen hilären, ipsi- oder kontralateral tief zervikalen, supraklavikulären Lymphknoten
M (Metastase)
M0
keine Fernmetastasen
M1
M1a
M1b
M1c
Fernmetastasen
separater Tumorknoten in einem kontralateralen Lungenlappen
Pleura mit knotigem Befall
maligner Pleuraerguss
maligner Perikarderguss
isolierte Fernmetastase in einem extrathorakalen Organ
mehrere Fernmetastasen (>1) in einem oder mehreren Organen
Übersetzt wird die TNM-Klassifikation in ein UICC8-Stadium gemäß:
Stadium
Primärtumor
Lymphknoten
Fernmetastasen
0
Tis
N0
M0
IA1
T1a(mi) T1a
N0 N0
M0 M0
IA2
T1b
N0
M0
IA3
T1c
N0
M0
IB
T2a
N0
M0
IIA
T2b
N0
M0
IIB
T1a-c T2a T2b T3
N1 N1 N1 N0
M0 M0 M0 M0
IIIA
T1a-c T2a-b T3 T4 T4
N2 N2 N1 N0 N1
M0 M0 M0 M0 M0
IIIB
T1a-b T2 a-b T3 T4
N3 N3 N2 N2
M0 M0 M0 M0
IIIC
T3 T4
N3 N3
M0 M0
IVA
jedes T jedes T
jedes N jedes N
M1a M1b
IVB
jedes T
jedes N
M1c
Einzig für das Stadium IIIA gibt es eine Erweiterung nach Robinson, da es als sehr heterogen gilt:
Stadium
Beschreibung
IIIA1
inzidentelle Lymphknotenmetastasen nach postoperativer Aufarbeitung im Präparat
IIIA2
intraoperativer Nachweis von Lymphknotenmetastasen in einer Lymphknotenstation
IIIA3*
präoperativer Nachweis von Lymphknotenmetastasen in einer oder mehreren Lymphknotenstationen (PET, Mediastinoskopie, Biopsie)
IIIA4
ausgedehnte (‚bulky‘) oder fixierte N2-Metastasen oder Metastasen in mehreren Lymphknotenstationen (mediastinale Lymphknoten > 2 – 3 cm) mit extrakapsulärer Infiltration; Befall mehrerer N2-Lymphknotenpositionen; Gruppen multipler befallener kleinerer (1 – 2 cm) Lymphknoten
H3 Allgemeinzustandsevalution
Viele der Patienten mit einem diagnostizierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom sind älter. Dementsprechend bringen sie oft auch altersbedingte Komorbiditäten mit, die beeinflussen können, welche Therapien überhaupt in Frage kommen. Im Rahmen der Diagnostik wird deshalb auch der Allgemeinzustand der Patienten erhoben. Dazu zählen die klinische und funktionelle Operabilität sowie ein geriatrisches Assessment.
Um die Lungenfunktion der Patienten einzuschätzen, wird eine präoperative Lungenfunktionsdiagnostik durchgeführt mit einer Spirometrie mit FEV1 (forciertes exspiratorisches 1-Sekunden-Volumen) und TLCO (CO-Transferfaktor/Co-Diffusionskapazität), einer Ganzkörperplethysmographie, einer arterielle Blutgasanalyse in Ruhe und/oder einer Spiroergometrie.
Ob ein Patient operiert werden kann, hängt neben der Lungenfunktion auch vom perioperativen, kardiovaskulären Risiko ab. Dies wird zumeist nach den vom American College of Cardiology und der American Heart Association entwickelten Einschätzung bestimmt:
Das geriatrische Assessment erfolgt in seiner klassischen Form mit zumeist folgenden Tests und Erhebungen:
Barthel-Index
Charlson-Komorbiditätsindex
Geriatrische Depressionsskala
IADL - Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens nach Lawton und Brody
Mini-Mental State Examination
Mini-Nutritional Assessment
Timed up & Go
Differenzialdiagnosen
Tuberkulom
Chondrom
Neurinom
Fibrom
Metastase einer anderen Krebserkrankung
Kleinzelliges Lungenkarzinom
Lymphom
Sarkom
Mesotheliom
Hamartom
Sarkoidose
Silikose
Therapie
Welche Therapieoptionen für Patienten infrage kommen, hängt nicht nur vom jeweiligen Stadium, sondern auch vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Eine verkürzte Version gemäß Leitlinien ist in Abbildung 1 dargestellt. Als verschiedene Therapieoptionen stehen Operationen, Chemotherapien, Strahlentherapien, Kombinationstherapien und andere medikamentöse Therapien zur Verfügung.
Für die Operation wird unterschieden zwischen der chirurgischen Entfernung des Primärtumors und befallenen Lymphknoten. T1- und T2-Tumoren können je nach Lokalisation häufig minimal-invasiv mittels VATS, entfernt werden. Andere Tumoren werden meist entweder mittels Keilresektion, Lobektomie, Lobektomie mit Manschettenresektion, Bilobektomie oder Pneumektomie durchgeführt. Lymphknotenentfernungen werden entweder als systematische Lymphknotendissektion, als systematisches Lymphknotensampling oder als punktuelles Lymphknotensampling durchgeführt.
Die Strahlentherapie wird entweder als hyperfraktioniert nach dem CHART-Schema, konventionell fraktioniert mit mindestens 60 Gy oder stereotaktisch durchgeführt. Für die Kombination mit einer Chemotherapie gibt es feste Therapieprotokolle, auf die an dieser Stelle verwiesen werden soll.
Chemotherapien können entweder neoadjuvant, also zur Reduktion der Tumormasse vor einem geplanten operativen Eingriff , oder adjuvant, als ergänzende oder unterstützende Therapie zu einer chirurgischen Resektion, eingesetzt werden. Das hängt vom jeweiligen Stadium und dem Allgemeinzustand des Patienten ab.
Seit Januar 2022 gibt es noch eine weitere Therapieoption: der KRAS-Inhibitor Sotorasib. Dieser Wirkstoff kann Erwachsenen mit einem NSCLS in fortgeschrittenem Stadium angeboten werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine KRAS-G12C-Mutation vorliegt und die Betroffenen bereits mindestens eine systemische Vortherapie erhalten haben [4].
Stadium I bis IIIA
In diesen Stadien wird, sofern der Patient fit genug für eine Operation ist, der Tumor radikal operiert (operative Resektion) und betroffene Lymphknoten mit entfernt (Lymphknotendissektion). Ist der Tumor lokal begrenzt, kann aber nicht operiert werden, wird alternativ eine stereotaktische Bestrahlung (Radiatio) eingesetzt. In den meisten Stadien - Stadium I ausgenommen - schließt sich an die operative Resektion eine adjuvante Kombinationschemotherapie. Das gilt vor allem für größere Tumoren oder bei Lymphknotenbefall mit bis zu zwei Lymphknoten (N2). Ist die Brustwand bereits infiltriert, wird zusätzlich der befallene Bereich lokal nach der Operation bestrahlt (postoperative Radiatio).
Stadium IB ist unter diesen Stadien ein kleiner Ausreißer. Hier wird zwar auch operiert, eine anschließende adjuvante Chemotherapie wird aber nicht zwingend empfohlen, da die Studienlage hierzu nicht eindeutig ist.
Stadium IIIA3 multilevel (IIIA3m)
Die Therapie des Stadiums IIIA3m gilt als kontrovers. Ist eine kurative Therapie das Ziel, empfehlen die Leitlinien eine Strahlenchemotherapie. Daran an schließt sich die Gabe des Immuntherapeutikums Durvalumab, falls der Patient einen PD-L1 positiven Tumor ohne Krankheitsprogress hat.
Eine alternative Therapie ist die neoadjuvante Chemotherapie. Anschließend wird der Patient operiert oder bestrahlt. Diese Therapie sollte aber, wie alle höheren Stadien des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, im Tumorboard diskutiert werden, da die funktionelle Operabilität, der Allgemeinzustand des Patienten, vorhandene Komorbiditäten und Co berücksichtigt werden müssen in der Therapie, die dem Patienten angeboten werden kann.
Stadium IIIA4, IIIB und IIIC
In diesen Stadien ist die Erkrankung bereits fortgeschritten. Häufig wird hier der Fokus auf die palliative Versorgung gesetzt. Auch hier wird deshalb mit einer definitiven Radiochemotherapie behandelt, die aus einer Kombinationschemotherapie plus Bestrahlung besteht. Anschließend erhalten Patienten ohne Krankheitsprogression oder Zeichen einer Pneumonitits und einer PD-L1 Expression von mindestens 1% das Immuntherapeutikum Durvalumab. Die Chemotherapie, die die Strahlentherapie begleitet, kann niedrig dosiert werden mit beispielsweise 30mg/m2Cisplatin. Als Kombinationen werden häufig Cisplatin oder Vinorelbin mit Cisplatin oder Etoposid kombiniert. Bei jungen und/oder fitten Patienten kann ein operatives Verfahren bei gutem Ansprechen auf die Induktionstherapie zusätzlich erwogen werden.
Pancoast-Tumor
Pancoast-Tumoren sind eine Besonderheit unter den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen. Sie zeichnen sich durch ein lokales Wachstum an der Lungenspitze aus sowie einer Infiltration in Nerven- und Knochenstrukturen in der Umgebung. Deshalb ist es bei einem Pancoast-Tumor besonders wichtig, umfassende und gute MRT-Aufnahmen von Thorax. Anschließend kann die Therapie geplant werden.
Therapiert wird zumeist mit einer neoadjuvanten Induktionschemo- und Strahlentherapie. Anschließend wird mit kurativer Intention operiert. Gelingt eine R0-Resektion - der Schnittrand ist hier tumor-frei - und der primäre Lymphknotenstatus ist gut, ist die Prognose besser.
Stadium IV
Das letzte Stadium des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom kann häufig nur noch palliativ behandelt werden.
Es gibt aber auch hier Ausnahmen im Stadium IVA, wenn Patienten in das Stadium M1b mit solitären Metastasen in beispielsweise der Nebenniere, dem zentralen Nervensystem, der Lunge, der Leber oder den Knochen eingestuft werden. Ist der Tumor von der Ausdehnung her dann zusätzlich dem Stadium IIIA3 zuzurechnen, kann möglicherweise sogar kurativ behandelt werden. Behandelt wird nach dem Schema:
solitäre Organmetastasen: Operation; alternativ stereotaktische Radiotherapie
solitäre ZNS-Metastasen: Operation + Tumorbettbestrahlung oder isolierte Radiochirurgie
Primärtumor: Induktionstherapie und Operation oder alternativ definitive, kurativ intendierte simultane Chemoradiotherapie.
Im Stadium IVB ist das Therapieziel palliativ. Abhängig von der Gesamtsituation des Patienten und der molekularbiologischen Analyse wird hier das Therapiekonzept personalisiert ausgewählt.
Nachsorge
Die Nachsorgeintervalle hängen vom ursprünglichen Therapieziel ab. Eine kurative Therapie bedarf einer anderen Nachsorge als eine palliative.
Bei der kurativen Therapie wird durchschnittlich in den Monaten drei, sechs, zwölf, 18, 24, 36, 48 und 60 eine Anamnese mit körperlicher Untersuchung und ein Thorax-CT angesetzt. Bei den ersten beiden Nachsorgeuntersuchungen wird auch die Lungenfunktion bestimmt. Bei der Nachsorge in den Monaten zwölf, 18 und 24 nur nach einer Strahlentherapie. Patienten, die bereits ein Zweitkarzinom oder ein Rezidiv haben, können auch in kürzeren Abständen von sechs bis acht Wochen nachuntersucht werden.
Palliative Patienten werden meist in kürzeren Intervallen als dreimonatig kontrolliert. Auch hier wird ein Abstand alle sechs bis acht Wochen empfohlen.
Prognose
Die Prognose hängt vom jeweiligen Stadium ab, in dem die Krebserkrankung diagnostiziert wird. Je früher der Krebs entdeckt wird, um so besser ist häufig die Prognose. Die Fünfjahresüberlebensraten für das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom sind:
Stadium IA postoperativ 75 bis 80%
Stadium IB postoperativ 55 bis 60%, Verbesserung durch anschließende Chemotherapie um absolut 1,8%
Stadium IIA postoperativ 45 bis 55%, Verbesserung durch anschließende Chemotherapie um 5 bis 11%
Stadium IIB postoperativ 35 bis 45%, Verbesserung durch anschließende Chemotherapie um 5 bis 11%
Stadium IIIA 15 bis 40%
Stadium IIIB 5 bis 10%
Stadium IV meist palliativ
Prophylaxe
Einer der größten Risikofaktoren für ein Lungenkarzinom ist das Rauchen. Deshalb gilt das Nichtrauchen als die wichtigste prophylaktische Maßnahme, die ergriffen werden kann. Auch Passivrauchen sollte vermieden werden. Daneben gelten berufliche Expositionen mit Risikostoffen oder Radonbelastungen in Risikogebieten als vermeidbare Risikofaktoren. Ebenso können körperliche Aktivität und viel Obst und Gemüse protektive Wirkung zeigen.
Die Früherkennung spielt beim Lungenkarzinom ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie kann den Unterschied zwischen kurativer und palliativer Therapie bedeuten, denn je weiter fortgeschritten die Krebserkrankung ist, um so seltener ist eine kurative Heilung möglich. Auch asymptomatische Risikopersonen können deshalb Früherkennungsmaßnahmen wahrnehmen, wenn sie zwischen 55 und 74 Jahre alt sind und regelmäßig ein Low-Dose-CT durchgeführt wird, zum Beispiel in jährlichen Abständen. Bisher sind diese Früherkennungsmaßnahmen jedoch mit hohen falsch-positiven Ergebnissen behaftet. Zu den Risikopersonen gehören:
55- bis 74-Jährige mit einer Raucheranamnese von mindestens 30 Packungsjahren bzw. weniger als 15 Jahren Nikotinkarenz.
Patienten, älter als 50 Jahre, mit einer Raucheranamnese von mindestens 20 Packungsjahren und mindestens einem weiteren Risikofaktor wie einem durchgestandenen Lungenkarzinom, einer positiven Familienanamnese für Lungenkarzinome, einem durchgestandenen HNO-Malignom oder einem anderen Rauchen-assoziierten Malignom, einer durchgemachten Lymphom-Erkrankung, Asbestexposition, COPD oder einer Lungenfibrose.
Hinweise
Stellen sich Patienten als Raucher und mit einem Alter von mehr als 40 Jahre vor, die von einem neu aufgetretenen Husten oder einem veränderten Husten berichten, wird zunächst für drei bis vier Wochen therapiert. Tritt dann keine Linderung ein, sollte IMMER an ein Lungenkarzinom gedacht werden. Diese Verdachtsdiagnose muss zwingend ausgeschlossen werden.
Ist die Erkrankung bereits fortgeschritten, sollten Patienten möglichst früh mit der Palliativmedizin in Kontakt gebracht werden - auch wenn noch Therapieoptionen vorhanden sind. So können Patienten besser versorgt werden, falls die Therapie scheitert oder die Erkrankung trotz zunächst erfolgreicher Therapie fortschreitet. Den Patienten bleibt dann häufig nur noch wenig Zeit.
Eine Arbeitsanamnese sollte zu einem Zeitpunkt im Rahmen der Patientenbetreuung erfolgen. Bestand eine berufliche Exposition zu bestimmten Gefahrenstoffen, könnte eine Berufskrankheit gemäß der deutschen Berufskrankheiten-Verordnung vorliegen.