An akuten Atemwegsinfektionen (acute respiratory tract infections, aRTI) erkranken Erwachsene zwei bis drei Mal pro Jahr, Kinder etwa doppelt so oft. Die akute, nicht durch Streptokokken bedingte Tonsillopharyngitis (acute non-streptococcal tonsillopharyngitis, ATP) ist eine der häufigsten Erkrankungen bei Kindern. Symptome wie Halsschmerzen oder Heiserkeit können können alltäglichen Anforderungen auf der Arbeit oder in der Schule erschweren. Um die Symptome zu lindern, werden vielen Patienten bei den meist viral bedingten Infektionen Antibiotika verschrieben.
Phytopharmaka als Alternative
Einige pflanzliche Arzneimittel haben eine lange Tradition in der Behandlung von aRTI. EPs 7630 ist Spezialextrakt aus den Wurzeln von Pelargonium sidoides ((1:8-10), Auszugsmittel: Ethanol 11% (m/m)). Er ist sowohl in Form von Tabletten als auch in flüssigen Darreichungsformen (Sirup und Tropfen) erhältlich. EPs 7630 wird vom Europäischen Arzneibuch als „anderer Extrakt“ eingestuft. Er ist nicht auf einen bestimmten Gehalt an Inhaltsstoffen eingestellt. EPs 7630 ist in Fertigarzneimitteln mit dem Markennamen „Umckaloabo“ zur symptomatischen Behandlung der akuten Bronchitis zugelassen.
Wirkungen von EPs 7630
Arzneimittel mit EPs 7630 sind weltweit von zahlreichen Behörden auf der Grundlage von nicht-klinischen Studien sowie ihrer nachgewiesenen klinischen Sicherheit zugelassen. Der Extrakt zeigt sowohl immunmodulierende als auch antivirale Eigenschaften. Inwiefern die einzelnen Bestandteile von EPs 7630 zur Wirksamkeit beitragen, ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutlich sind die polyphenolischen Verbindungen, insbesondere die Prodelphinidine, für die antiviralen Wirkungen verantwortlich.
Zielsetzung
Das Autorenteam um den Pädiater Professor Dr. med. Wolfgang Kamin aus Hamm führte eine Metaanalyse von RCTs durch, um die Wirksamkeit von EPs 7630 im Vergleich zu Placebo bezüglich der Symptome Halsschmerzen und Heiserkeit zu bewerten.
Methodik
Es wurden RCTs eingeschlossen, die die Wirksamkeit von EPs 7630 in den Indikationen ATP oder CC untersuchten und bis Ende 2021 veröffentlicht worden waren. Nach den Veröffentlichungen suchten die Wissenschaftler in PubMed, den Registern für klinische Studien und im Beurteilungsbericht über Pelargonium sidoides der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Klinische Studienberichte zu unveröffentlichten Studien wurden vom Hersteller von EPs 7630, Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, zur Verfügung gestellt.
Die Metaanalyse wurde für beide Indikationen, beide Patientengruppen (Kinder und Erwachsene) und für die verschiedenen Formulierungen getrennt durchgeführt. Primäre Messgröße waren die Veränderung der jeweiligen indikationsspezifischen Symptom-Scores von „Halsschmerzen“ und „Heiserkeit“ sowie die Anzahl der Patienten mit teilweiser oder vollständiger Besserung dieser Symptome. Außerdem wurden das Ansprechen auf die Therapie und die krankheitsbezogene Lebensqualität ermittelt. Die Daten wurden mit der Software Review Manager (RevMan) Version 5.4 von der Cochrane Collaboration statistisch ausgewertet.
Ergebnisse
Sieben Studien mit insgesamt 1.099 Teilnehmern wurden in die Metaanalyse einbezogen. Unter den Teilnehmern waren 267 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren und 832 Erwachsene. Die klinischen Studien, die EPs 7630 bei CC untersuchten, umfassten nur Erwachsene, während die ATP-Studien nur Kinder einschlossen.
Als Zeitpunkt, um die Wirksamkeit der Behandlungen zu bewerten, wurde in den ATP-Studien Tag vier und in den CC- Studien Tag fünf gewählt. „Halsschmerzen“ wurden vom Prüfer mit dem Tonsillitis Severity Score (TSS, in den ATP-Studien mit Kindern) beziehungsweise mittels Cold Intensity Score/ Rhinopharyngitis-relevant Symptoms (CIS/RPS in den CC-Studien mit Erwachsenen) bewertet. Heiserkeit wurde nur in CC-Studien ebenfalls mit dem fünfstufigen CIS/RPS erfasst.
Halsschmerzen
In den EPs 7630-Gruppen der Kinderstudien besserten sich nach vier Tagen die Halsschmerzen signifikant im Vergleich zu Placebo (-0,93, 95%-KI: -1,14 bis -0,72). Die Verum-Behandlung ließ bei mehr Patienten die Halsschmerzen bis zum vierten Tag vollständig verschwinden (2,00, 95%-KI: 1,35 bis 2,97). Berechnete Responder-Raten (angegeben durch eine ≥50%ige Verbesserung des Symptoms Halsschmerzen bis zum vierten Tag) lagen bei 88,0% für EPs 7630 und 41,8% für Placebo.
Bei Erwachsenen mit CC zeigte sich, dass der Extrakt signifikant überlegen Halsschmerzen bis zum fünften Tag lindern konnte (-0,24, 95%-KI: - 0,38 bis 0,11). Bei 78,5% der Patienten, die EPs 7630 erhielten, und 65,2% der Patienten in der Placebo-Gruppe ging bis zum fünften Tag die Symptomschwere um mindestens 50% zurück.
Heiserkeit
Die Heiserkeit besserte sich ebenfalls statistisch signifikant stärker (-0,30, 95%-KI:- 0,55 bis 0,04) unter EPs 7630 als unter Placebo. Auch war die Heiserkeit bei mehr Patienten in der EPs 7630-Gruppe bis Tag fünf vollkommen verschwunden als in der Placebogruppe (1,34, 95%-KI: 0,99 bis 1,81). Es sprachen auch mehr Patienten auf die Verum-Behandlung an (74,8% bei EPs 7630 und 62,5% bei Placebo).
Krankheitsbezogene Lebensqualität
Die krankheitsbezogene Lebensqualität von Kindern und Erwachsenen besserte sich stärker in der EPs 7630- als in der Placebo-Gruppe.
Fazit
Die Ergebnisse zeigten, dass EPs 7630 bei Halsschmerzen und Heiserkeit die Symptome sowohl schneller als auch stärker lindert als Placebo. Die Lebensqualität besserte sich und die Patienten fanden schneller in ihre Alltagsaktivitäten zurück.
Da sowohl publizierte als auch unpublizierte RCTs ausgewertet wurden, schlossen die Autoren einen Publikationsbias aus. Den Einfluss der Spontanremission hielten sie für gering. Die Zeitpunkte, an denen die Veränderung der Symptomschwere bewertet wurde, waren in den meisten Fällen geeignet, um signifikante Wirksamkeits-Unterschiede zu zeigen.
Alternative zu Antibiotika
Die Belege für die Überlegenheit von EPs 7630 gegenüber Placebo sprachen laut den Autoren dafür, dass das pflanzliche Arzneimittel eine Alternative zur Therapie mit Analgetika oder sogar Antibiotika darstellen könnte. Dies sei eine wichtige Erkenntnis, wenn es um die Behandlung akuter Atemwegsinfektionen bei Kindern und Erwachsenen gehe.