
Poliomyelitis, häufig als Polio oder Kinderlähmung bezeichnet, ist eine hochansteckende virale Infektionskrankheit, die hauptsächlich Kinder unter fünf Jahren betrifft. Das Virus wird fäkal-oral übertragen und kann das zentrale Nervensystem befallen, was zu dauerhaften Lähmungen und manchmal zum Tod führen kann. Trotz großer Fortschritte in der globalen Polio-Ausrottung gibt es weiterhin Gebiete mit aktiven Ausbrüchen, die eine kontinuierliche Überwachung und Impfmaßnahmen erfordern.
Ätiologie
- Erreger: Poliovirus, ein RNA-Virus aus der Familie der Picornaviridae.
- Übertragungsweg: Hauptsächlich Fäkal-oral. Aufgrund der anfänglichen Virusvermehrung in den Rachenepithelien kann das Virus kurz nach der Infektion auch durch aerogen übertragen werden.
- Pathophysiologie: Das Poliovirus repliziert sich initial im Pharynx und im Magen-Darm-Trakt. Anschließend kann das Virus ins Blut gelangen und das zentrale Nervensystem infizieren, wo es die motorischen Neuronen des Rückenmarks zerstört.
Vorkommen
- Verbreitung: Polio ist in den meisten Ländern endemisch ausgerottet, jedoch gibt es weiterhin Ausbrüche in Afghanistan und Pakistan sowie sporadische Fälle in Afrika und Asien. Neben Infektionen mit dem Poliowildvirus (WPV1) kommen v.a. Infektionen mit von zirkulierenden Impfstoff-abgeleitetem Poliovirus (cVDPV) vor. Die Liste der Länder, in denen WPV1 und/oder cVDPV1-3 zirkulieren, wird von der WHO wöchentlich aktualisiert und ist hier einsehbar.
- Deutschland: Deutschland gilt als poliofrei, die letzten Fälle traten in den 1990er Jahren auf.
Symptome
- Inkubationszeit: Sechs bis 20 Tage.
- Asymptomatische Infektion: Etwa 95% der infizierten Personen zeigen keine Symptome.
- Abortive Poliomyelitis: 4-8% der Infizierten entwickeln unspezifische Symptome wie Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und Muskelschmerzen.
- Nicht-paralytische Poliomyelitis: Nach drei bis sieben Tagen treten zusätzlich zu den allgemeinen Symptomen Fieber, Meningismus, Muskelspasmen und Rückenschmerzen auf.
- Paralytische Polio: Nach einer kurzen Besserung der o.g. Symptome kommt es zu einem erneuten Fieberanstieg und einem plötzlichen Auftreten von asymmetrischen schlaffen Lähmungen, meist in den Beinen. Schwere Verläufe können auch die Atemmuskulatur betreffen und zu Ateminsuffizienz führen.
- Post-Polio-Syndrom: Noch Jahre bis Jahrzehnte nach der Infektion kann es zu einer Verschlimmerung der Paresen kommen.
Diagnostik
Die diagnostische Sicherung sollte am Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren erfolgen.
- Anamnese und klinisches Bild: Verdachtsdiagnose basierend auf klinischen Symptomen und epidemiologischer Anamnese.
- Virusisolierung: Aus Stuhlproben, Rachenabstrichen oder Liquor.
- Differenzierung zwischen Wild- und Impfstämmen: Mittels PCR.
Therapie
- Es existiert keine kausale Therapie.
- Supportive Behandlung: Physiotherapie zur Verhinderung von Muskelatrophie und Kontrakturen.
Prophylaxe/Impfung
- Impfempfehlungen, Impfschema und Impfstoffe: siehe Polio-Schutzimpfung