Deferasirox

Der Wirkstoff Deferasirox wird zur Behandlung einer chronischen Eisenüberladung angewendet, wie sie nach häufigen Transfusionen auftreten kann. Der Chelatbildner bindet Eisen mit hoher Affinität und erhöht so die Ausscheidung des Spurenelements.

Deferasirox

Anwendung

Deferasirox wird angewendet zur Behandlung der chronischen Eisenüberladung aufgrund häufiger Transfusionen (≥7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat) bei Patienten ab einem Alter von sechs Jahren mit beta-Thalassämia major.

Der Wirkstoff ist außerdem indiziert bei folgenden Patientengruppen mit einer chronischen, transfusionsbedingten Eisenüberladung, wenn Deferoxamin nicht angewendet werden kann.

  • Kinder zwischen 2 und 5 Jahren mit beta-Thalassämia major mit Eisenüberladung auf Grund häufiger Transfusionen (≥ 7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat)
  • Erwachsene, Kinder und Jugendliche ≥2 Jahre mit beta-Thalassämia major mit Eisenüberladung auf Grund seltener Transfusionen (<7 ml/kg/Monat Erythrozytenkonzentrat)
  • Erwachsene, Kinder und Jugendliche ≥2 Jahre mit anderen Anämien

Zudem wird Deferasirox bei Patienten ab zehn Jahren mit einer chronischen Eisenüberladung mit nicht-transfusionsabhängigen Thalassämie-Syndromen angewendet, bei denen Deferoxamin kontraindiziert oder unangemessen ist.

Die Ziele der Eisenchelat-Therapie bestehen in der Entfernung der Eisenmenge, die transfundiert wird, sowie, falls nötig, in der Reduzierung der vorhandenen Eisenüberladung.

Anwendungsart

Deferasirox steht in Form von Filmtabletten in den Wirkstärken 90 mg, 180 mg und 360 mg sowie Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen in den Wirkstärken 250 mg und 500 mg zur Verfügung.

Die Filmtabletten sollen im Ganzen mit etwas Wasser geschluckt werden. Die Einnahme kann entweder auf nüchternen Magen oder mit einer leichten Mahlzeit erfolgen, vorzugsweise immer zur gleichen Tageszeit.

Patienten mit Schluckproblemen

Bei Patienten, die die Tabletten nicht im Ganzen schlucken können, können die Filmtabletten zerkleinert und die gesamte Dosis kann auf weiche Speisen, z. B. Joghurt oder Apfelmus (pürierte Äpfel), gegeben werden.

Wirkmechanismus

Deferasirox ist ein oral wirksamer Chelatbildner mit hoher Selektivität für dreiwertiges Eisen.

Eisen ist ein wichtiger Mineralstoff und essenzielles Spurenelement. Es wird vornehmlich zur Hämoglobinsynthese verwendet und spielt damit eine wichtige Rolle beim Sauerstofftransport. Das sogenannte Funktionseisen ist außerdem Bestandteil von Myoglobin und eisenhaltigen Enzymen.

Eine Eisenüberladung (Hämosiderose) ist die Folge eines Überschreitens der physiologischen Kapazität des Transportproteins Transferrin sowie der Fähigkeit der Zellen, überschüssiges Eisen in stabiler Form zu speichern. Der intrazelluläre Anstieg des labilen zellulären Eisenpools ist toxisch, da es aufgrund der katalytischen Eigenschaften zur Bildung von Hydoxylradikalen und redoxaktiven Metaboliten kommt. Als Folge werden Membranlipide, Proteine sowie die DNA oxidativ geschädigt. Es kommt zur Störung der mitochondrialen und lysosomalen Funktion, zu Veränderungen der Genexpression sowie von Tumorsupressorgenen (z.B. p53). Dadurch bedingte Organschäden treten vornehmlich in Herz, Leber sowie endokrinen Organen (Hypophyse, Pankreas, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Gonaden) auf. Die häufigsten Todesursachen von Patienten mit transfusionsbedingter Eisenüberladung sind Herzinsuffizienz und Arhythmien infolge einer Myokardsiderose.

Der dreiarmigen Ligand Deferasirox kann überschüssiges Eisen im Verhältnis 2:1 mit hoher Affinität binden. Der Chelator fördert auf diese Weise die Ausscheidung von Eisen, vorwiegend über die Fäzes.

Pharmakokinetik

Resorption

Die Filmtabletten zeigen eine um etwa 36% höhere Bioverfügbarkeit als die Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen. Die AUC der Filmtabletten in der Stärke 360 mg war vergleichbar mit den Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen in der Stärke 500 mg.

Die maximalen Plasmaspiegel von Deferasirox werden nach oraler Einnahme als Suspension nach etwa 1,5 bis 4 Stunden erreicht. Die absolute Bioverfügbarkeit dieser Darreichungsform beträgt etwa 70% im Vergleich zur intravenösen Gabe.

Bei Einnahme nach einer fettreichen Mahlzeit kann die maximale Plasmakonzentration von Deferasirox erhöht sein.

Besondere Patientengruppen

Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 17 Jahren war die Gesamtbioverfügbarkeit von Deferasirox geringer als bei Erwachsenen. Zudem haben Frauen im Vergleich zu Männern eine um etwa 17,5% erniedrigte apparente Clearance. Da individuell nach dem Ansprechen dosiert wird, sind in beiden Fällen keine klinischen Konsequenzen zu erwarten.

Verteilung (Distribution)

Es werden etwa 99% des Wirkstoffs an Plasmaproteine, insbesondere Serumalbumin, gebunden.  Das Verteilungsvolumen von Deferasirox ist mit etwa 14 L bei Erwachsenen gering.

Metabolismus (Biotransformation)

Der Hauptstoffwechselweg von Deferasirox besteht in einer Glukuronidierung insbesondere über UGT1A1 und in geringerem Ausmaß über UGT1A3. Der durch CYP450-Enzyme katalysierte (oxidative) Metabolismus von Deferasirox ist beim Menschen gering (ca. 8%).

Der Wirkstoff unterliegt wahrscheinlich über eine Dekonjugation von Glukuroniden im Darm dem Enterohepatischen Kreislauf.

Elimination

Deferasirox und seine Metaboliten werden vorwiegend (84% der Dosis) biliär über die Fäzes eliminiert. Dabei sind die Transportproteine MRP2 und MXR (BCRP) beteiligt. Die renale Exkretion von Deferasirox und seinen Metaboliten ist minimal (8% der Dosis).

Die terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt 8 bis 16 Stunden.

Dosierung

Die Dosierung von Deferasirox ist abhängig von Indikation, Körpergewicht und dem therapeutischen Ziel (Aufrechterhaltung oder Reduktion des Eisenspiegels). Sie soll individuell berechnet und auf die nächste verfügbare Tablettenstärke gerundet werden.

Dosisanpassung

Es wird empfohlen, das Serumferritin einmal monatlich zu bestimmen und die Deferasirox-Dosis falls nötig alle drei bis sechs Monate entsprechend dem Trend des Serumferritins anzupassen.

Leberfunktionsstörungen

Bei Patienten mit mittelschwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh-Klasse B) sollte die Dosis deutlich reduziert werden, gefolgt von einer schrittweisen Erhöhung bis zu einer Grenze von 50% der empfohlenen Behandlungsdosis für Patienten mit normaler Leberfunktion.

Unterschiedliche Dosierung der Darreichungsformen

Aufgrund der unterschiedlichen pharmakokinetischen Profile der Darreichungsformen, ist eine geringere Dosis der Filmtabletten im Vergleich zur empfohlenen Dosis der Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen erforderlich.

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen könnten bei der Behandlung mit Deferasirox häufig (≥1/100, <1/10) bis sehr häufig (≥ 1/10) auftreten.

  • Kopfschmerzen
  • Diarrhoe, Obstipation, Erbrechen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Blähungen, Dyspepsie
  • Erhöhte Transaminasen
  • Hautausschlag, Juckreiz
  • Proteinurie
  • Erhöhtes Serumkreatinin

Diarrhoe wird bei Kindern im Alter von zwei bis fünf Jahren und bei älteren Patienten häufiger berichtet.

Die Nebenwirkungen sind dosisabhängig, meist leicht bis mittelschwer ausgeprägt und in der Regel vorübergehend.

Wechselwirkungen

Bei der gleichzeitigen Anwendung von Deferasirox mit anderen Arzneimitteln sollten die folgenden Wechselwirkungen beachtet werden.

Deferasirox hat eine geringe Affinität zu Zink und Kupfer und verursacht keine dauerhaft niedrigen Serumspiegel dieser Metalle.

Kontraindikationen

Die Anwendung von Deferasirox ist in folgenden Fällen kontraindiziert.

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Kombination mit anderen Eisenchelat-Therapien
  • Patienten mit einer Kreatinin-Clearance <60 ml/min

Die Anwendung von Deferasirox wird bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen nicht empfohlen (Child-Pugh-Klasse C).

Schwangerschaft

Es liegen keine Daten für die Anwendung von Deferasirox in der Schwangerschaft vor. In tierexperimentellen Studien wurde eine Reproduktionstoxizität bei maternaltoxischen Dosen gezeigt. Das potenzielle Risiko für den Menschen ist jedoch nicht bekannt.

Daher wird aus Vorsicht empfohlen, Deferasirox in der Schwangerschaft nicht anzuwenden, es sei denn, es ist eindeutig erforderlich.

Stillzeit

In Tierstudien ging Deferasirox rasch und in erheblichem Ausmaß in die Muttermilch über. Es wurden keine Auswirkungen auf die Nachkommen beobachtet. Ob Deferasirox beim Menschen in die Muttermilch übertritt ist nicht bekannt.

Während der Einnahme von Deferasirox wird empfohlen, nicht zu stillen.

Verkehrstüchtigkeit

Deferasirox hat einen geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen. Bei Patienten mit Schwindel, der gelegentlich als Nebenwirkung auftritt, ist daher besondere Vorsicht geboten.

Anwendungshinweise

Die Therapie mit Deferasirox sollte nur von Ärzten durchgeführt werden, die Erfahrung mit der Behandlung chronischer Eisenüberladung haben.

Bei allen Patienten sollte eine Chelat-Therapie mit Vorsicht durchgeführt werden, um das Risiko einer Überchelierung zu minimieren. Frühe Anzeichen einer akuten Überdosierung mit Deferasirox sind gastrointestinale Symptome wie Bauchschmerzen, Diarrhö, Übelkeit und Erbrechen.

Bestimmung des Serumferritins

Es wird eine monatliche Bestimmung des Serumferritins empfohlen, um das Ansprechen des Patienten auf die Therapie festzustellen und eine Überchelierung zu verhindern.

Wenn das Serumferritin dauerhaft unter 500 μg/l (bei transfusionsbedingter Eisenüberladung) oder unter 300 μg/l (bei nicht-transfusionsabhängigen Thalassämie-Syndromen) fällt, sollte eine Unterbrechung der Behandlung in Erwägung gezogen werden.

Überwachung der Leberfunktion

Die Leberfunktion (Serumtransaminasen, Bilirubin, alkalische Phosphatase) sollte bei allen Patienten vor Behandlungsbeginn, während des ersten Monats alle zwei Wochen und danach monatlich bestimmt werden.

Überwachung der Nierenfunktion

Es wird empfohlen, den Serumkreatininspiegeln (Kreatinin- und/oder Plasma-Cystatin-C-Spiegel) vor Beginn der Therapie zweifach zu bestimmen. Danach sollte eine Überwachung während des ersten Monats der Therapie, nach einer Änderung wöchentlich und anschließend monatlich erfolgen.

Patienten mit vorbestehenden Nierenschäden und Patienten, die Arzneimittel erhalten, die die Nierenfunktion beeinträchtigen, können ein erhöhtes Risiko für Komplikationen haben.

Seh- und Hörvermögen

Da unter der Behandlung mit Deferasirox Hörstörungen (vermindertes Hörvermögen) und Sehstörungen (Linsentrübungen) berichtet wurden, sollten vor Einleitung der Behandlung und danach alle zwölf Monate ein Hörtest und eine augenärztliche Untersuchung (einschließlich Spiegelung des Augenhintergrunds) durchgeführt werden. Treten diese unerwünschten Wirkungen während der Therapie auf, kann eine Dosisreduktion oder eine Unterbrechung der Behandlung erwogen werden.

Besondere Patientengruppen

Bei Patienten mit einer geringen Lebenserwartung (z. B. myelodysplastisches Syndrom der Hoch-Risikogruppe) und mit Begleiterkrankungen, die das Risiko von unerwünschten Ereignissen erhöhen könnten, kann der Nutzen von Deferasirox eingeschränkt und geringer sein als die Risiken.

Deshalb wird die Behandlung dieser Patienten mit dem Wirkstoff nicht empfohlen.

In klinischen Studien traten unerwünschte Wirkungen wie Diarrhoe insbesondere bei Älteren häufiger auf. Diese Patientengruppe sollte daher engmaschig im Hinblick auf Nebenwirkungen, die eine Dosisanpassung erforderlich machen könnten, kontrolliert werden.

Da Deferasirox die Wirksamkeit von hormonalen Kontrazeptiva herabsetzen kann, sollten Frauen im gebärfähigen Alter zusätzliche oder alternative nicht-hormonale Verhütungsmethoden anwenden.

Alternativen

Für eine Eiseneliminationstherapie können neben Deferasirox die beiden Chelatbildner Deferipron und Deferoxamin angewendet werden. Deferipron bindet Eisen im Verhältnis 3:1 und wird einmal täglich oral eingenommen. Deferoxamin bindet den Mineralstoff im Verhältnis 1:1 und wird fünf bis sieben Mal wöchentlich subkutan über eine Infusionspumpe appliziert.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
373.36 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 12.0 H
Q0-Wert:
0.0
Autor:
Stand:
09.03.2022
Quelle:
  1. AWMF: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der sekundären Eisenüberladung bei Patienten mit angeborenen Anämien (Stand: 06/2015)
  2. EMA: Fachinformation Exjade
  3. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
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