Gentamicin

Gentamicin ist ein Antibiotikum aus der Wirkstoffklasse der Aminoglykoside, das die Proteinbiosynthese der Bakterien hemmt und zur Behandlung verschiedenster bakterieller Infektionen angewendet wird. Aufgrund seiner potenziell starken Nebenwirkungen an Niere und Innenohr, wird es intravenös nur bei schweren bakteriellen Infekten wie bspw. bei nosokomialen Infektionen eingesetzt.

Gentamicin

Anwendung

Gentamicin ist ein Antibiotikum, das innerlich in der Regel nur bei sehr schweren bakteriellen Infektionen als Notfallantibiotikum eingesetzt wird, die mit anderen Antibiotika nicht mehr zu beherrschen sind. Dazu gehören beispielsweise schwere Wundinfektionen, Entzündungen von Hirnhaut (Meningitis) Herzinnenhaut (Endokarditis) und Knochenmark (Osteomyelitis) sowie Blutvergiftungen (Sepsis).

Äußerlich findet Gentamicin Anwendung in der Augenheilkunde, um bakterielle Infektionen des Auges und Bindehautentzündungen (Konjunktivitis) zu behandeln.

Anwendungsart

Gentamicin kann sowohl lokal in Form von einer Creme zur Anwendung auf der Haut, in Form von Augentropfen oder Augensalben zur Anwendung am Auge und in Form von Ketten zur temporären intraoperativen Anwendung, als auch systemisch in Form von Injektions- bzw. Infusionslösungen eingesetzt werden.

Gentamicin kann zur Infusion mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt werden, darf aber nicht zusammen mit anderen Arzneimitteln gemischt werden. Eine Infusionsdauer über 20 bis 60 Minuten wird empfohlen.

Therapeutisches Drug Monitoring: Insbesondere bei älteren Patienten, bei Neugeborenen und bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion wird empfohlen die Serumkonzentration von Gentamicin zu überwachen. Es sollten am Ende des Dosierungsintervalls der Talspiegel bestimmt werden. Dabei sollte der Talspiegel 2 mg/l Gentamicin bei zweimal täglicher Anwendung und 1 mg/l bei einmal täglicher Dosierung nicht überschreiten.

Wirkmechanismus

Gentamicin gehört zur Wirkstoffgruppe der Aminoglykosid-Antibiotika und zur Stoffklasse der Gentamycine. Es schädigt und tötet Bakterien, indem es die Eiweißsynthese der Erreger stört. Dazu heftet sich Gentamicin an Ribosomen und bewirkt so, dass die Erbinformationen zur Produktion der Eiweiße falsch abgelesen werden.

Das Wirkspektrum von Gentamicin erstreckt sich vor allem auf gramnegative Bakterien und Staphylokokken. Daneben wirkt Gentamicin unter anderem gegen Escherichia coli, Enterokokken, Haemophilus influenzae, Klebsiellen, Mykobakterien, Pseudomonas aeruginosa, Shigellen und Yersinien.

Pharmakokinetik

Resorption

Nach oraler Gabe wird Gentamicin von der gesunden Darmschleimhaut kaum resorbiert. Aus diesem Grund wird Gentamicin intravenös verabreicht, dabei ist die einmal tägliche Gabe der mehrmals täglichen Gabe zu bevorzugen. Bei einmal täglicher intravenöser Gabe von 4 mg/kg Körpergewicht liegen die Spitzen- und Talkonzentrationen von Gentamicin bei 9,5 mg/l bzw. 0,4 mg/l. Die therapeutischen Serumspitzenkonzentrationen bei einmal täglicher Gabe liegen im Bereich von 20-30 mg/l. Bei mehrmaliger Verabreichung pro Tag sollten maximale Serumkonzentrationen von 10-12 mg/l nicht überschritten werden und der Talspiegel vor einer erneuten Gabe unter 2 mg/l abgesunken sein.

Verteilung

Das Verteilungsvolumen von Gentamicin pro kg Körpergewicht beträgt für einen Frühgeborenen 0,5 bis 0,7 l/kg und für einen Jugendlichen 0,25 l/kg für. Das größere Verteilungsvolumen pro kg Körpergewicht bei Neugeborenen bedeutet, dass für eine adäquate maximale Konzentration im Blut eine höhere Dosis pro kg Körpergewicht verabreicht werden muss.

Biotransformation/Elimination

Gentamicin wird im Organismus nicht metabolisiert, sondern unverändert überwiegend renal ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei Patienten mit normaler Nierenfunktion bei etwa 2-3 Stunden. Bei Neugeborenen ist die Eliminationshalbwertszeit aufgrund unreifer Nierenfunktion reduziert und liegt im Durchschnitt bei ca. 8 Stunden.

Bei der extrakorporalen Hämodialyse werden je nach Dialysedauer 50-80% des Gentamicins aus dem Serum entfernt. Die Eliminationshalbwertszeiten bei einer Peritonealdialyse liegen zwischen 12,5 und 28,5 Stunden, und 25% der Dosis werden innerhalb von 48 bis 72 Stunden entfernt.

Dosierung

Lokale Anwendung

Topische Anwendung bei Ulcus cruris; Dekubitus

Gentamicin wird zwei- bis dreimal täglich dünn auf die erkrankten Hautbezirke aufgetragen.

Zur Anwendung am Auge

Infektionen des vorderen Augenabschnittes durch Gentamicin-empfindliche Erreger, wie bakterielle Entzündungen der Bindehaut (Konjunktivitis), der Hornhaut (Keratitis; Keratokonjunktivitis), der Lidränder (Blepharitis) und der Augenliddrüsen (Gerstenkorn, Hordeolum)

Augentropfen

Gentamicinhaltige Augentropfen (0,3%) werden vier- bis sechsmal täglich in den Bindehautsack, in schweren Fällen stündlich, appliziert.

Augensalbe

Zwei- bis dreimal täglich einen Salbenstrang von ca. 0,5 bis 1 cm Länge (entspricht 0,05 – 0,1 mg Gentamicin) in den Bindehautsack des erkrankten Auges einbringen.

In Abständen, abhängig von der Schwere der Erkrankung, sollte die Wirksamkeit kontrolliert und über die Fortsetzung oder Änderung der Therapie entschieden werden. Die Behandlungsdauer von 2 Wochen sollte in der Regel nicht überschritten werden.

Ketten

Zum temporären Einbringen in mit Gentamicin-empfindlichen Erregern infizierte Knochen und Weichteile im Rahmen einer Operation und zur präventiven Anwendung bei Knochen- und Weichteilinfektionen:

Der nach sorgfältiger operativer Revision des infizierten Knochen- bzw. Weichteilgewebes resultierende Defekt ist vollständig mit Gentamicin Ketten bzw. Miniketten auszufüllen. Gentamicin-Ketten bzw. Miniketten sind ausschließlich für die temporäre Applikation vorgesehen. Die Entfernung erfolgt im Allgemeinen nach etwa 7 Tagen. Dabei überragt die letzte Kugel das Hautniveau, so dass die Kette durch vorsichtiges, beständiges Ziehen entfernt werden kann.

Systemische Anwendung

Dosierung bei Patienten mit normaler Nierenfunktion

Erwachsene

Die empfohlene Tagesdosis für Erwachsene mit normaler Nierenfunktion beträgt 3-5 mg/kg Körpergewicht. Zur Behandlung schwerer Infektionen kann eine tägliche Höchstdosis von 6 mg/kg erforderlich sein. Die Dosis kann einmal täglich oder aufgeteilt auf drei Dosen alle 8 Stunden verabreicht werden. Eine einmalige Gabe pro Tag ist bezogen auf die Wirksamkeit und Sicherheit vorteilhafter als eine mehrmals tägliche Verabreichung. Dies ist jedoch aufgrund der erforderlichen Dosisanpassungen nicht für Patienten mit geschwächter Immunität (z. B. Neutropenie), schwerer Niereninsuffizienz, Aszites, bakterieller Endokarditis, bei Patienten mit großflächigen Verbrennungen (mehr als 20% der Haut) und während der Schwangerschaft geeignet. Bei einem Dosierungsintervall von 8 Stunden wird eine Initialdosis von 1,5-2,0 mg/kg Körpergewicht unabhängig von der Nierenfunktion empfohlen, nach 8 Stunden kann bereits die Erhaltungsdosis gegeben werden.

Die Dauer der Behandlung sollte auf 7-10 Tage beschränkt werden. Bei schwierigen und komplizierten Infektionen kann eine längere Behandlungsdauer notwendig sein.

Pädiatrische Patienten bei normaler Nierenfunktion

Bei eingeschränkter Nierenfunktion sollte die empfohlene Tagesdosis an die Nierenfunktion angepasst werden.

Kinder und Jugendliche:

Bei normaler Nierenfunktion beträgt die empfohlene Tagesdosis 3-6 mg/kg Körpergewicht und sollte bevorzugt als Einmaldosis, ansonsten aufgeteilt in 2 Einzeldosen gegeben werden.

Kleinkinder und Säuglinge:

Nach dem ersten Lebensmonat beträgt die empfohlene Tagesdosis 4,5-7,5 mg/kg Körpergewicht und sollte bevorzugt als Einmaldosis, ansonsten aufgeteilt in 2 Einzeldosen gegeben werden.

Neugeborene:

Die empfohlene Tagesdosis beträgt 4-7 mg/kg Körpergewicht pro Tag und wird als Einzeldosis gegeben.

Dosierung bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion

Die empfohlene Tagesdosis sollte reduziert und an die Nierenfunktion angepasst werden.

Einmal tägliche Gabe:

Kreatinin-Clearance 10-50 ml/min: 2-2,5 mg/kg

Kreatinin-Clearance < 10 ml/min: 1-2 mg/kg

Danach sollte die Dosis nach der Talspiegel-Bestimmung angepasst werden.

H5: Bei der Gabe alle 8 Stunden bestehen 2 Möglichkeiten:
  1. Verlängerung des Dosierungsintervalls bei gleich bleibender Dosis
  2. Verringerung der Dosis bei gleich bleibendem Dosierungsintervall

Dosierung bei Hämodialysepatienten

Gentamicin ist dialysierbar. Bei einer 4-5-stündigen Hämodialyse muss mit 50-60% Konzentrationsminderung und bei einer 8-12-stündigen Hämodialyse mit 70-80% gerechnet werden. Nach jeder Dialyseperiode muss die Dosis anhand der aktuellen Serumkonzentration angepasst werden. In der Regel beträgt die empfohlene Dosis nach der Dialyse 1-1,7 mg/kg Körpergewicht.

Ältere Patienten

Bei älteren Patienten können aufgrund einer eingeschränkten Nierenfunktion niedrigere Erhaltungsdosen erforderlich sein als bei jüngeren Erwachsenen.

Adipöse Patienten

Die Initialdosis sollte auf der Basis Idealgewicht plus 40% des Übergewichts berechnet werden.

Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion

Eine Dosisanpassung ist nicht erforderlich.

Nebenwirkungen

Die Anwendung von Gentamicin geht mit erheblichen Risiken einher. Hohe Konzentrationen des Wirkstoffes können die Nieren schwer schädigen und zum Hörverlust führen. Deshalb wird Gentamicin innerlich vor allem als Reserveantibiotikum angewendet, wenn andere Wirkstoffe versagen, beispielsweise bei multiresistenten Keimen und nosokomialen Infektionen.
Bei der Anwendung als Creme, Salbe oder Augentropfen bleiben die Nebenwirkungen von Gentamicin in der Regel auf vorübergehende Reaktionen wie Rötungen, Brennen oder Juckreiz begrenzt.

In Vliesen und Schwämmen als Auflage ist der Wirkstoff als Gentamicincrobefat enthalten, in Salben, Cremes, Augentropfen oder Kombipackungen meist als Gentamicinsulfat.

Wechselwirkungen

Kontraindikationen

Schwangerschaft

Gentamicin ist plazentagängig und sollte in der Schwangerschaft nur bei lebensbedrohender Indikation, wenn keine andere Therapieoption zur Verfügung steht, angewendet werden. Im Falle einer Exposition während der Schwangerschaft wird aufgrund des potentiellen Risikos für Innenohr- und Nierenschäden beim Fötus eine Überprüfung der Hör- und Nierenfunktion des Neugeborenen empfohlen.

Stillzeit

Gentamicin tritt beim Menschen in die Muttermilch. Da bei gestillten Kindern Diarrhoe und Pilzinfektionen der Schleimhaut auftreten können, sollte während der intravenösen Anwendung von Gentamicin abgestillt werden. Die Gefahr einer Sensibilisierung sollte zudem berücksichtigt werden.

Verkehrstüchtigkeit

Wenn Gentamicin im ambulanten Bereich intravenös angewendet wird, ist im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen wie Schwindel und Vertigo beim Lenken von Fahrzeugen und Bedienen von Maschinen Vorsicht geboten.

Wirkstoff-Informationen

Mittlere Halbwertszeit:
ca. 2.3 H
Q0-Wert:
0.04
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