Lamivudin

Lamivudin ist ein Wirkstoff, der zur Therapie von HIV bzw. AIDS eingesetzt wird. Der Arzneistoff wird u.a. mit anderen antiretroviral wirksamen Medikamenten innerhalb der sogenannten HAART (hochaktive antiretrovirale Therapie) kombiniert. Lamivudin kann auch zur Behandlung von chronischer Hepatitis-B eingesetzt werden.

Lamivudin

Anwendung

Anwendungsgebiete

  • antiretroviralen Kombinationstherapie zur Behandlung von Infektionen mit dem humanen Immundefizienz-Virus (HIV)
  • Behandlung der chronischen Hepatitis B bei Erwachsenen
  • dekompensierter Lebererkrankung in Kombination mit einem zweiten Arzneimittel, das keine Kreuzresistenz gegenüber Lamivudin aufweist

Anwendungsform

Der Wirkstoff ist in Form von Filmtabletten und als Lösung zum Einnehmen auf dem deutschen Markt verfügbar.

Wirkmechanismus

Lamivudin ist ein nukleosidischer Reverse-Transkriptase Inhibitor von Retroviren. Dieses Enzym ist für die Umschreibung viraler RNA in DNA verantwortlich. Der Wirkstoff gelangt als Prodrug in die Zelle und wird dort durch dreifache Phosphorylierung in seine wirksame Form umgewandelt.

Das phosphorylierte Lamivudin wird dann als falscher DNA-Baustein während der reversen Transkription in den neu gebildeten DNA-Strang eingebaut und führt deshalb zum Abbruch der Polymerisation und damit der Transkription.

RTI

Pharmakokinetik

  • Die orale Bioverfügbarkeit liegt beim Erwachsenen normalerweise zwischen 80 und 85%. Nach oraler Gabe beträgt die mittlere Zeit (tmax) bis zur maximalen Serumkonzentration (Cmax) ca. 1 Stunde.
  • Die Gabe von Lamivudin zusammen mit den Mahlzeiten führt zu einer Verzögerung von tmax und einer Verringerung von Cmax (um bis zu 47%). Trotzdem wird die Menge des resorbierten Lamivudins (basierend auf der AUC) nicht beeinflusst und Lamivudin kann daher mit oder ohne eine Mahlzeit eingenommen werden.
  • Lamivudin wird vor allem renal in unveränderter Form ausgeschieden. Die Wahrscheinlichkeit von metabolischen Arzneimittelwechselwirkungen mit Lamivudin ist aufgrund der wenig ausgeprägten hepatischen Metabolisierung (5 bis 10%) und niedriger Plasmaproteinbindung gering.
  • Die Eliminationshalbwertszeit beträgt ca. 5 bis 7 Stunden. Lamivudin wird zum größten Teil unverändert durch glomeruläre Filtration und aktive Sekretion) in den Urin ausgeschieden.

Dosierung

Für die Behandlung von Infektionen mit HIV beträgt die empfohlene Dosis an Lamivudin 300 mg pro Tag. Diese kann entweder als zweimal tägliche Dosis von 150 mg oder als einmal tägliche
Dosis von 300 mg eingenommen werden.

Zur Behandlung der Hepatitis B beträgt die empfohlene Dosis 100 mg Lamivudin einmal täglich.

Nebenwirkungen

Zu den häufig auftretenden Nebenwirkungen (≥ 1/100, < 1/10) zählen:

  • Hautausschlag, Juckreiz
  • Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit
  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Krämpfe, Durchfall
  • Hautausschlag, Alopezie
  • Arthralgie, Muskelbeschwerden, Muskelerkrankungen einschließlich Myalgie und Krämpfe
  • Müdigkeit, Unwohlsein, Fieber
  • erhöhte CPK-Werte (Anwendung bei Hepatitis)
  • erhöhte ALT (GPT)-Werte (Anwendung bei Hepatitis)

Die vollständigen Angaben zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.

Wechselwirkungen

  • Arzneimittel, die hauptsächlich durch aktive Sekretion speziell über das Transportsystem für Kationen ausgeschieden werden wie z.B. Trimethoprim
  • Trimethoprim/Sulfamethoxazol: Erhöhte Lamivudin-Exposition um ca. 40%
  • Zidovudin: Anstieg (28%) der maximalen Serumkonzentration (Cmax) von Zidovudin
  • Cytidin-Analoga, wie z.B. Emtricitabin
  • Cladribin: in vitro hemmt Lamivudin die intrazelluläre Phosphorylierung von Cladribin - Risiko eines Wirksamkeitsverlustes von Cladribin

Kontraindikationen

Lamivudin soll nicht angewendet werden bei bekannter Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff.

Schwangerschaft

Lamivudin ist beim Menschen plazentagängig. Die verfügbaren Humandaten des antiretroviralen Schwangerschaftsregisters, die von über 1.000 Schwangerschaftsausgängen nach Exposition im 1. Trimester und über 1.000 Schwangerschaftsausgängen nach Exposition im 2. und 3. Trimester berichten, deuten nicht auf ein Fehlbildungsrisiko und fetale/neonatale Effekte hin. Weniger als 1% dieser Frauen wurden aufgrund von HBV behandelt. Die Mehrheit wurde aufgrund von HIV mit höheren Dosen und anderen Begleitmedikationen behandelt. Sofern klinisch indiziert, kann der Wirkstoff deshalb während der Schwangerschaft angewendet werden.

Stillzeit

Auf der Basis von mehr als 200 auf eine HIV-Infektion hin behandelten Mutter/Kind-Paaren sind die Serumkonzentrationen von Lamivudin bei gestillten Säuglingen von gegen HIV behandelten Müttern sehr niedrig (weniger als 4% der mütterlichen Serumkonzentrationen) und fallen schrittweise bis unter die Nachweisgrenze ab, wenn gestillte Säuglinge ein Alter von 24 Wochen erreichen. Die Gesamtmenge an Lamivudin, die ein gestillter Säugling zu sich nehmen kann, ist sehr niedrig und führt daher zu einer Exposition, bei der wahrscheinlich nur eine suboptimale Wirkung zu erwarten ist.

Bei entsprechenden Maßnahmen zur Hepatitis-B-Prävention bei der Geburt, stellt eine mütterliche Hepatitis B keine Kontraindikation für das Stillen dar; auch gibt es keinen Hinweis, dass die niedrigen Lamivudin-Konzentrationen in der Muttermilch zu unerwünschten Wirkungen bei gestillten Säuglingen führen können. Daher kann das Stillen bei stillenden Müttern unter einer Hepatitis-B-Behandlung mit Lamivudin angesichts des Nutzens des Stillens für das Kind und des Nutzens der Behandlung der Mutter in Betracht gezogen werden. Bei einer maternalen HBV-Transmission trotz ausreichender Prophylaxe sollte eine Unterbrechung des Stillens in Betracht gezogen werden, um das Risiko eines Auftretens von Lamivudin-resistenten Mutanten beim Säugling zu verringern.

Verkehrstüchtigkeit

Da unter der Anwendung von Lamivudin Unwohlsein und Abgeschlagenheit auftreten kann, ist dies bei der Beurteilung der Fähigkeit des Patienten, ein Fahrzeug zu führen oder Maschinen zu bedienen, in Betracht zu ziehen.

Anwendungshinweise

  • Spontane Exazerbationen der chronischen Hepatitis B sind relativ häufig und durch vorübergehende Serum-ALT (GPT)-Anstiege gekennzeichnet.
  • Nach Absetzen der Hepatitis B-Behandlung wurden bei Patienten akute Exazerbationen der Hepatitis beobachtet, die üblicherweise anhand von Serum-ALT (GPT)-Anstiegen und Wiederauftreten von HBV-DNA nachgewiesen werden.

Alternativen

Verwandte Wirkstoffe

Lamivudin (ATC-Klasse J05AF05) gehört zu den antiviralen Mittel zur systemischen Anwendung bei HIV-Infektionen, wie beispielsweise auch folgende Wirkstoffe:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
229.26 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 8.0 H
Q0-Wert:
0.1
Quelle:
  1. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  2. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  3. EMA: Fachinformation Zeffix
  4. Fachinformation Lamivudin Teva Pharma B.V.

Abbildung

Adapted from „HIV Sites for Therapeutic Intervention”, by BioRender.com

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