Memantin

Der Wirkstoff Memantin ist ein Antagonist an glutamatergen NMDA-Rezeptoren. Die Anwendung erfolgt oral zur symptomatischen Therapie der moderaten bis schweren Demenz vom Alzheimer Typ (Morbus Alzheimer).

Anwendung

Als Demenzen werden neurologische Krankheitsbilder bezeichnet, die mit einer Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit wie Störungen des Gedächtnisses und des Auffassungsvermögens, Beeinträchtigung des Sozialverhaltens sowie in späteren Stadien mit Persönlichkeitsverlust einhergehen. Die Inzidenz der Erkrankungen steigt mit zunehmendem Alter. Memantin ist zugelassen zur Therapie der moderaten bis schweren Demenz vom Alzheimer-Typ.

Anwendungsart

Memantin steht in Form von Memantinhydrochlorid als Lösung zum Einnehmen, Film- und auch Schmelztabletten zur Verfügung. Die Filmtabletten sind neben den üblichen Packungen mit einer Dosierung auch in Starterpackungen mit Filmtabletten unterschiedlicher Wirkstoffkonzentrationen zur Dosiseinstellung auf dem Markt. Die Einnahme erfolgt einmal täglich möglichst zur gleichen Zeit und ist unabhängig von der Nahrungsaufnahme. Die Lösung zum Einnehmen sollte auf einen Löffel oder in ein Glas Wasser dosiert werden.

Wirkmechanismus

Memantin hemmt die (pathologische) Aktivität von NMDA-Rezeptoren. Alle Demenzformen beruhen auf einer primären oder sekundären Schädigung von Neuronen. Die häufigste Form ist die Alzheimer Demenz (Morbus Alzheimer), hierbei lagern sich extrazellulär sogenannte β-Amyloid-Plaques sowie intrazellulär Neurofibrillenbündel aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein ab. Die Folge ist der Untergang vor allem cholinerger Neurone, post mortem konnte eine allgemeine Hirnatrophie festgestellt werden. Zudem wird eine Überstimulierung von NMDA-Rezeptoren diskutiert, durch die über eine pathologische Erhöhung der neuronalen Calcium-Konzentrationen vor allem abbauende Enzyme aktiviert werden.

Memantin ist ein nichtkompetitiver Antagonist an glutamatergen NMDA-Rezeptoren. Die Blockade kann dabei nur im aktivierten Zustand erfolgen, wenn der Kanal durch den Co-Agonisten Glycin geöffnet ist, da die Bindestelle für Memantin in der Pore des Rezeptors liegt. Auf diese Weise werden nur (pathologisch) aktive NDMA-Rezeptoren gehemmt und es wird kaum Einfluss auf die normale glutamaterge Neurotransmission genommen. Memantin diffundiert rasch von der Bindestelle ab, sodass weiterhin ein langanhaltender Funktionsausfall der Kanäle vermieden wird. Bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz wurden unter der Behandlung mit Memantin Verbesserungen der kognitiven Fähigkeiten, des Antriebs, der sozialen Kompetenz und der Funktionen des täglichen Lebens nachgewiesen. Allgemein ist jedoch festzuhalten, dass Antidementiva nur symptomatisch wirken und die Krankheit nicht aufhalten können.

Pharmakokinetik

Resorption

Memantin wird vollständig resorbiert, die Bioverfügbarkeit liegt bei nahezu 100%. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Resorption durch Nahrung beeinflusst wird. Nach 3 bis 8 Stunden werden maximale Plasmaspiegel erreicht, diese unterliegen hohen interindividuellen Schwankungen.

Verteilung

Das Verteilungsvolumen von Memantin beträgt etwa 10 l/kg, etwa 45% des Wirkstoffs sind an Plasmaproteine gebunden. Der Liquor-Serum-Quotient liegt im Mittel bei 0,52.

Metabolismus

Nur etwa 20% des Memantins werden metabolisiert. Der Hauptmetabolit ist das Isomergemisch N-3,5-Dimethyl-Gludantan, dieses zeigt keine pharmakologische Aktivität.

Elimination

Memantin und seine Metaboliten werden zu etwa 99% renal eliminiert. Die Halbwertszeit liegt zwischen 60 und 100 Stunden, die Gesamtclearance beträgt bei Gesunden 170 ml/min/1,73 m2. Dabei unterliegt Memantin teilweise der tubulären Sekretion sowie auch der Rückresorption über Kationen-Transportproteine.

Bei alkalischem pH-Wert des Urins kann die renale Eliminationsrate von Memantin um den Faktor 7 bis 9 reduziert sein. Ursachen hierfür können beispielsweise eine grundlegende Ernährungsumstellung (zum Beispiel von fleischhaltig auf vegetarisch) oder die massive Einnahme von Antazida sein.

Dosierung

Die übliche Dosierung für Erwachsene beträgt zu Beginn 5 mg Memantin täglich. Es folgt eine wöchentliche Steigerung um 5 mg auf eine Erhaltungsdosis von 20 bis 30 mg pro Tag innerhalb von drei bis vier Wochen. Tabletten stehen in entsprechender Dosierung zur Verfügung oder sind dosisgleich teilbar. Die Lösung zum Einnehmen wird durch Dosierpumpen verabreicht, dabei entspricht ein Pumpenhub in der Regel 5 mg Memantinhydrochlorid.

Bei Patienten mit mittelschwerer (Kreatinin-Clearance 30 bis 49 ml/min) bis schwerer (Kreatinin-Clearance 5 bis 29 ml/min) Niereninsuffizienz ist eine Dosisreduktion erforderlich. Die Erhaltungsdosis sollte zunächst nur maximal 10 mg täglich betragen. Wird diese Dosierung über mindestens sieben Tage gut vertragen, ist bei Patienten mit mittelschwerer Insuffizienz eine Dosissteigerung auf 20 mg täglich möglich.

Nebenwirkungen

Die folgenden Nebenwirkungen können bei der Behandlung mit Memantin häufig (≥ 1/100 bis < 1/10) auftreten:

  • Kopfschmerzen, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Schläfrigkeit
  • Obstipation
  • Dyspnoe
  • Erhöhter Blutdruck
  • Erhöhte Leberwerte
  • Überempfindlichkeitsreaktionen 

Wechselwirkungen

Bei der Therapie mit Memantin sollten folgende Wechselwirkungen berücksichtigt werden:

Kontraindikation

Die Anwendung von Memantin ist in folgenden Fällen kontraindiziert:

  • Überempfindlichkeit gegen Memantin
  • Schwere Leberfunktionsstörungen (aufgrund fehlender Daten)

Schwangerschaft/Stillzeit

Schwangerschaft

Zur Anwendung von Memantin in der Schwangerschaft sind bisher keine klinischen Daten vorhanden. In Tierstudienzeigen zeigten sich Hinweise auf ein vermindertes intrauterines Wachstum, das potentielle Risiko für den Menschen ist allerdings nicht bekannt. Die Anwendung von Memantin in der Schwangerschaft sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Memantin in die Muttermilch übergeht. Da es sich um eine lipophile Substanz handelt, ist dies allerdings wahrscheinlich. Aus diesem Grund wird das Stillen unter der Behandlung mit Memantin nicht empfohlen.

Verkehrstüchtigkeit

Das Indikationsgebiet von Memantin ist eine moderate bis schwere Alzheimer-Demenz. Die Erkrankung an sich hat in der Regel bereits Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen. Der Einfluss von Memantin auf diese Fähigkeiten ist gering bis mäßig stark. Ambulante Patienten sollten jedoch zu besonderer Vorsicht angehalten werden.

Anwendungshinweise

Die medikamentöse Behandlung mit Memantin sollte durch einen Arzt mit Erfahrungen auf dem Gebiet der demenziellen Syndrome erfolgen. Weiterhin muss die Betreuung durch eine Person, die die regelmäßige Einnahme überwacht, möglich sein.

Insbesondere während der ersten drei Monate, aber auch bei Weiterführen der Therapie ist eine regelmäßige Überprüfung von Verträglichkeit und Dosierung durch den Arzt indiziert. Patienten, die mit Memantin behandelt werden, sollten insbesondere in folgenden Fällen engmaschig überwacht werden:

Die Behandlung kann so lange fortgesetzt werden, wie der therapeutische Nutzen für den Patienten überwiegt.

Alternativen

Antidementiva wirken symptomatisch und sollen die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten verbessern. Neben Memantin spielen insbesondere die Acetylcholinesterasehemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin eine wichtige Rolle in der Therapie der Alzheimer-Demenz. Die Wirkstoffe sind zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Symptome zugelassen. In der Selbstmedikation kommen vor allem Extrakte aus Blättern des Ginkgobaums zum Einsatz, es gibt Hinweise darauf, dass diese die Kognition bei leichten bis mittelschweren Krankheitsbildern verbessern. Im Gegensatz dazu ist die Wirksamkeit sogenannter Nootropika, die positive Einflüsse auf den Gehirnstoffwechsel haben sollen, bisher umstritten.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
179.3 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 75.0 H
Q0-Wert:
0.5
Kindstoff(e):
Autor:
Stand:
16.02.2021
Quelle:
  1. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  2. Steinhilber, Schubert-Zsilavecz, Roth (2010) Medizinische Chemie, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart
  3. Merz Pharmaceuticals GmbH. Fachinformation: Axura® 5 mg/Pumpenhub, Lösung zum Einnehmen (05/2019)
  4. Neuraxpharm Arzneimittel GmbH. Fachinformation: Memantinhydrochlorid-neuraxpharm 10 mg Schmelztabletten (08/2018)
  5. TAD Pharma GmbH. Fachinformation: Memando® 10 mg Filmtabletten (03/2018)
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