Tolvaptan

Tolvaptan ist ein Vasopressin-2-Rezeptorantagonist, der das Zystenwachstum bei polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) hemmt, damit die Nierenfunktion erhalten bleibt.

Tolvaptan

Anwendung

Tolvaptan ist indiziert zur Progressionsverlangsamung einer Zystenentwicklung und Niereninsuffizienz bei autosomal-dominanter polyzystischer Nierenerkrankung (ADPKD) bei Erwachsenen mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) im Stadium 1 bis 4.

Anwendungsart

Tolvaptan ist unter dem Präparatenamen Jinarc in Form von Tabletten zur oralen Einnahme verfügbar.

Wirkmechanismus

Tolvaptan ist ein Vasopressin-Antagonist, der speziell die Bindung von Arginin-Vasopressin (AVP) an die V2-Rezeptoren der distalen Bereiche des Nephrons blockiert. Man geht davon aus, dass durch die verstärkte Wasserausscheidung und die Hemmung von Signalkaskaden in der Zelle eine reduzierte Flüssigkeitssekretion in die durch das PKD (Polycystic kidney disease)-Gen mutierte Zelle bzw. in die daraufhin entstandene Zyste und dadurch eine Verminderung des Zystenwachstums bei Zystennierenpatienten. Darüber hinaus soll die Zellproliferation gehemmt werden, sodass die Zunahme des Zystenvolumens unabhängig von der Flüssigkeitsmenge ebenfalls reduziert wird.

Pharmakokinetik

Resorption

  • Tolvaptan wird nach oraler Einnahme schnell resorbiert
  • Spitzenplasmakonzentrationen werden ca. zwei Stunden nach Verabreichung erreicht
  • Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt ca. 56%
  • Bei gleichzeitiger Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit erhöht sich die Spitzenkonzentrationen von Tolvaptan bis zu 2-fach, ohne jedoch die AUC zu verändern. Die Morgendosis sollte deshalb nüchtern eingenommen werden, um nicht unnötig das Risiko einer Steigerung der maximalen Konzentration zu vergrößern

Verteilung

  • Nach oralen Einzeldosen von ≥ 300 mg scheinen die Spitzenplasmakonzentrationen ein Plateau zu erreichen
  • Tolvaptan bindet reversibel (98%) an Plasmaproteine

Biotransformation

  • Tolvaptan wird in der Leber umfassend und fast ausschließlich durch CYP3A metabolisiert, wobei der Wirkstoff ein schwaches CYP3A4-Substrat ist aber keine hemmende Wirkung zu haben scheint.
  • In Plasma, Urin und Fäzes wurden 14 Metabolite von Tolvaptan identifiziert, wobei alle außer einem von CYP3A verstoffwechselt wurden.
  • Nur der Metabolit Oxobuttersäure ist mit einer Konzentration von über 10% der Gesamtradioaktivität im Plasma vorhanden.
  • Alle weisen geringere Konzentrationen als Tolvaptan auf.
  • Die Metabolite von Tolvaptan tragen wenig bzw. gar nicht zur pharmakologischen Wirkung bei.
  • Steady-State-Konzentrationen werden nach der ersten Dosis erreicht.

Elimination

  • Die terminale Eliminationshalbwertszeit beträgt ca. acht Stunden
  • Weniger als 1% des intakten Wirkstoffs werden unverändert mit dem Urin ausgeschieden.
  • Versuche mit radioaktiv markiertem Tolvaptan zeigten, dass sich 40% der Radioaktivität im Urin und 59% in den Fäzes wiederfand, wo unverändertes Tolvaptan 32% der Radioaktivität ausmachte.

Linearität/Nicht-Linearität

  • Nach oralen Einzeldosen stiegen die Cmax-Werte von 30 mg bis 240 mg weniger als dosisproportional und erreichten ein Plateau bei Dosen von 240 mg bis 480 mg.
  • Die AUC steigt linear.
  • Nach mehreren Dosen von 300 mg einmal täglich war die Tolvaptan-Konzentration verglichen mit einer Dosis von 30 mg nur 6,4-fach erhöht.
  • Bei ADPKD-Patienten, die aufgeteilte Dosierungen von 30 mg/Tag, 60 mg/Tag und 120 mg/Tag erhalten, steigt die Tolvaptan-Konzentration (AUC) linear

Dosierung

Tolvaptan wird zweimal täglich angewendet, wobei sich die Dosierung aufteilt in entweder 45 mg + 15 mg, 60 mg + 30 mg oder 90 mg + 30 mg. Die erste Dosis am Morgen muss mindestens 30 Minuten vor dem Frühstück eingenommen werden. Die Einnahme der zweiten Tagesdosis kann zusammen mit einer Mahlzeit oder auch unabhängig davon erfolgen.

Die Tagesgesamtdosis beträgt dementsprechend entweder 60 mg, 90 mg oder 120 mg.

Dosistitration

Die Eingangsdosis beträgt 60 mg Tolvaptan pro Tag, aufgeteilt in Dosen von 45 mg + 15 mg (45 mg werden nach dem Aufwachen vor dem Frühstück und 15 mg acht Stunden später eingenommen).

Die Eingangsdosis wird auftitriert auf eine geteilte Dosierung von 90 mg Tolvaptan (60 mg + 30 mg) pro Tag und anschließend auf eine geteilte Zieldosierung von 120 mg Tolvaptan (90 mg + 30 mg) pro Tag, sofern verträglich.

Zwischen den Titrationen müssen mindestens wöchentliche Intervalle liegen. Die Dosistitration muss vorsichtig durchgeführt werden, um eine schlechte Verträglichkeit der hohen Dosen durch zu schnelle Aufdosierung zu verhindern. Je nach Verträglichkeit können die Patienten auf niedrigere Dosen abdosiert werden. Die Patienten müssen auf Dauer die höchste verträgliche Tolvaptan-Dosis erhalten.

Das Ziel dieser Dosistitration besteht darin, die Aktivität von Vasopressin am V2-Rezeptor in der Niere so vollständig und konstant wie möglich zu hemmen und gleichzeitig einen akzeptablen Flüssigkeitshaushalt aufrechtzuerhalten.

Nebenwirkungen

Die am häufigsten in klinischen Studien beobachteten Nebenwirkungen waren Durst, Polyurie, Nykturie und Pollakisurie.

Darüber hinaus ist eine idiosynkratische hepatozelluläre Schädigung beschrieben worden, die auf Veränderungen der Gallensäureverteilung und die Hemmung der mitochondrialen Atmung zurückgeführt wird.

Erhöhungen der hepatischen Transaminasen traten hauptsächlich während der ersten 18 Behandlungsmonate auf und bildeten sich innerhalb von 1 bis 4 Monaten nach Absetzen von Tolvaptan zurück.

Aufgrund der potenziellen hepatozellulären Toxizität ist ein Programm zur Risikobewertung und -minderung einschließlich Leberfunktionstests vor Beginn und in bestimmten Intervallen (nach 2 und 4 Wochen, dann monatlich für 18 Monate und danach alle 3 Monate) erforderlicher Bestandteil der Tolvaptan-Behandlung.

Wechselwirkungen

Bei der Therapie mit Tolvaptan kann es bei gleichzeitiger Anwendung mit folgenden Verbindungen zu Interaktionen kommen:

  • CYP3A-Inhibitoren können die Tolvaptan-Konzentration erhöhen (CAVE Grapefruitsaft)
  • Potente CYP3A-Induktoren wie z. B. Rifampicin verringert die Tolvaptan Konzentration und Wirkung.
  • Arzneimittel, die zu einer Erhöhung der Natriumkonzentration im Serum führen, können das Risiko für eine Hypernatriämie erhöhen.
  • Diuretika können in Kombination potenziell zu schwerer Dehydratation führen, was einen Risikofaktor für eine Nierenfunktionsstörung darstellt.
  • P-Glykoprotein (P-gp) -Substrate: Da Tolvaptan ein Substrat und kompetitiver Inhibitor von P-gp ist, müssen Patienten, die Digoxin oder andere therapeutisch eng wirksame P-gp-Substrate (z. B. Dabigatran) erhalten, vorsichtig behandelt und auf übermäßige Wirkungen untersucht werden.
  • BCRP-Substrate (z. B.Sulfasalazin) können zu übermäßigen Wirkungen der Arzneimittel führen.
  • OCT1-Substrate (z. B. Metformin) können zu übermäßigen Wirkungen der Arzneimittel führen.
  • Vasopressin-Analoga: Da Tolvaptan vaskuläre Vasopressin-V2-Rezeptoren unterdrückt, die an der Freisetzung von Gerinnungsfaktoren (z. B. Von-Willebrand-Faktor) aus den Endothelzellen beteiligt sind, kann bei Patienten, die solche Analoga zur Prävention oder Kontrolle von Blutungen erhalten, die Wirkung von Vasopressin-Analoga wie Desmopressin abgeschwächt werden.

Kontraindikationen

Tolvaptan darf weder in der Schwangerschaft noch in der Stillzeit angewendet werden sowie bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, einen der genannten sonstigen Bestandteile des Arzneimittels oder gegen Benzazepin oder Benzazepin-Derivate
  • Erhöhten Leberenzymen und/oder Anzeichen oder Symptomen von Leberschäden
  • Anurie
  • Volumendepletion
  • Hypernatriämie
  • Patienten, die keinen Durst empfinden oder nicht auf ein Durstgefühl reagieren können

Schwangerschaft

Tolvaptan ist während der Schwangerschaft kontraindiziert, da bisher keine oder nur sehr begrenzte Erfahrungen mit der Anwendung bei Schwangeren vorliegen. Tierexperimentelle Studien haben eine Reproduktionstoxizität gezeigt, so dass Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht mit Tolvaptan behandelt werden sollen.

Stillzeit

Tolvaptan ist in der Stillzeit kontraindiziert, da ein Risiko für das Neugeborene/Kind nicht ausgeschlossen werden kann.

Verkehrstüchtigkeit

Da es bei der Anwendung von Tolvaptan gelegentlich zu Schwindelgefühl, Asthenie oder Ermüdung kommen kann, hat das Medikament einen geringen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Anwendungshinweise

Vor der Anwendung von Tolvaptan und anschließend 18 Monate lang monatlich und danach regelmäßig alle drei Monate sollen zur Minderung des Risikos irreversibler Leberschädigungen Bluttests zur Bestimmung der hepatischen Transaminase- und Bilirubinwerte durchgeführt werden.

Darüber hinaus sollen Patienten auf Symptome von Leberschädigungen überwacht werden wie:

  • Ermüdung
  • Anorexie
  • Übelkeit
  • Beschwerden im rechten Oberbauch
  • Erbrechen
  • Fieber
  • Ausschlag
  • Pruritus
  • dunkler Urin
  • Ikterus

Sollte ein Patient vor der Behandlungseinleitung anomale ALT-, AST- oder Gesamt-bilirubin-Werte aufweisen, ist die Anwendung von Tolvaptan kontraindiziert.

Empfohlene Richtlinien für die da die dauerhafte Absetzung:

  • ALT oder AST > 8 × ULN
  • ALT oder AST > 5 × ULN für mehr als zwei Wochen
  • ALT oder AST > 3  x ULN und (Gesamtbilirubin > 2 × ULN oder INR [International Normalised Ratio] > 1,5)
  • ALT oder AST > 3 × ULN mit anhaltenden Symptomen einer Leberschädigung
  • Falls die ALT- und AST-Konzentrationen unter dem Dreifachen der ULN bleiben, kann die Tolvaptan-Therapie vorsichtig mit derselben oder einer niedrigeren Dosis fortgesetzt werden, wobei häufige Überwachungen durchzuführen sind, da die Transaminasewerte sich bei manchen Patienten im weiteren Therapieverlauf zu stabilisieren scheinen.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
448.94 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 8.0 H
Q0-Wert:
0.98
Autor:
Stand:
07.02.2022
Quelle:
  1. AKDAE: Tolvaptan bei Zystennierenerkrankungen, 1/2017
  2. Chebib FT, Perrone RD, Chapman AB, et al. A Practical Guide for Treatment of Rapidly Progressive ADPKD with Tolvaptan. J Am Soc Nephrol. 2018;29(10):2458-2470. doi:10.1681/ASN.2018060590
  3. Fachinformation Jinarc
  4. Woodhead JL et al; Application of a Mechanistic Model to Evaluate Putative Mechanisms of Tolvaptan Drug-Induced Liver Injury and Identify Patient Susceptibility Factors. Toxicol Sci. 2017 Jan;155(1):61-74. doi: 10.1093/toxsci/kfw193. Epub 2016 Sep 21. PMID: 27655350 PMCID: PMC5216653.


 

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