Valproinsäure

Valproinsäure ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Antiepileptika (Antikonvulsiva), der zur Behandlung verschiedener Anfallsformen bei Epilepsie sowie zur Behandlung manischer Episoden bei bipolaren Störungen eingesetzt wird. Darüber hinaus kann Valproinsäure off-label zur Migräneprophylaxe angewendet werden.

Valproinsaeure

Anwendung

Der antikonvulsive Wirkstoff Valproinsäure ist indiziert zur Behandlung von:

  • Generalisierten Anfällen in Form von Absencen, myoklonischen Anfällen und tonisch-klonischen Anfällen
  • Fokalen und sekundär generalisierten Anfällen
  • Anderen Anfallsformen wie fokalen Anfällen mit einfacher und komplexer Symptomatologie sowie fokalen Anfällen mit sekundärer Generalisation, wenn diese Anfallsformen auf die übliche antiepileptische Behandlung nicht ansprechen (als Kombinationsbehandlung)
  • Manischen Episoden bei einer bipolaren Störung, wenn Lithium kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird (die weiterführende Behandlung nach einer manischen Episode kann bei Patienten in Erwägung gezogen werden, die auf Valproinsäure bei der Behandlung der akuten Manie angesprochen haben)

Bei Kleinkindern ist Valproinsäure lediglich in Ausnahmefällen Mittel der ersten Wahl und sollte nur unter besonderer Vorsicht nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung und möglichst als Monotherapie angewendet werden.

Zusätzlich kann Valproinsäure off-label zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden.

Anwendungsart

Valproinsäure ist in unterschiedlichen Darreichungsformen erhältlich:

  • Magensaftresistente Filmtabletten (150, 300, 500, 600 mg)
  • Magensaftresistente Kapseln (150, 300, 500 mg)
  • Magensaftresistente Dragees (150, 300, 600 mg)
  • Lösung zum Einnehmen (60, 300 mg/mL)
  • Tropfen zum Einnehmen (300 mg/g)
  • Retardtabletten (300, 500 mg)
  • Hartkapseln retardiert (150, 300 mg)
  • Injektionslösung (100 mg/mL)
  • Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung (400 mg)

Die magensaftresistenten und retardierten Formulierungen sollten möglichst eine Stunde vor den Mahlzeiten (morgens nüchtern) unzerkaut mit reichlich Flüssigkeit (z.B. einem Glas Wasser, jedoch kein kohlensäurehaltiges Mineralwasser) eingenommen werden.

Die Lösung zum Einnehmen sollte im Vergleich dazu möglichst zu den Mahlzeiten eingenommen werden.

Bei Umstellung von bisherigen (nicht retardierten) Darreichungsformen auf Retardformulierungen ist auf ausreichende Serumspiegel von Valproinsäure zu
achten.

Die Dauer der Anwendung ist patientenindividuell und wird vom behandelnden Arzt festgelegt. Im Allgemeinen ist eine antikonvulsive Therapie eine Langzeittherapie. Über die Behandlungsdauer und das Absetzen von Valproinsäure sollte im Einzelfall ein Facharzt entscheiden.

Generell ist eine Dosisreduktion und ein Absetzen der Medikation frühestens nach zwei- bis dreijähriger Anfallsfreiheit zu erwägen.

Das Absetzen muss dabei in schrittweiser Dosisreduktion über ein bis zwei Jahre erfolgen, wobei sich der EEG-Befund nicht verschlechtern sollte.

Bei Kindern kann bei der Dosisreduktion das Entwachsen der Dosis pro kg Körpergewicht berücksichtigt werden.

Wirkmechanismus

Die Wirkung von Valproinsäure (insbesondere als Antikonvulsivum) wird über multiple pharmakologische Mechanismen vermittelt, die zum breiten Wirkspektrum bei verschiedenen Anfallsformen beitragen. Die Mechanismen umfassen:

  • Verstärkung der GABAergen Neurotransmission durch Erhöhung der GABA-Konzentration (unter anderem aufgrund inhibierender Effekte auf GABA-abbauende Enzyme wie die GABA-Transaminase)
  • Hemmung spannungsabhängiger Ionenkanäle (Natrium- und Calciumkanäle)

Zusätzlich inhibiert Valproinsäure Histondeacetylasen (HDACs).

Primäres Ziel einer antikonvulsiven Therapie ist die Reduktion bzw. Unterdrückung epileptischer Anfälle. Folglich muss entweder das hochfrequente synchronisierte „Feuern“ von Nervenzellen oder die Erregungsweiterleitung unterbunden werden. Für Depolarisationen sowie deren Frequenz sind vor allem spannungsaktivierte Ionenkanäle verantwortlich. Die Erregungsausbreitung wird durch inhibitorische GABAerge Nervenzellen eingedämmt. Valproinsäure inhibiert spannungsabhängige Ionenkanäle und verstärkt die GABAerge Neurotransmission, weshalb der Wirkstoff bei vielen verschiedenen Anfallsformen wirksam ist.

Pharmakokinetik

Resorption

  • Nach oraler Gabe werden Valproinsäure und ihr Natriumsalz im Gastrointestinaltrakt schnell und nahezu vollständig resorbiert.
  • Der Zeitpunkt der maximalen Serumkonzentration hängt von der galenischen Darreichungsform ab.
  • Die maximale Serumkonzentration nach Einnahme einer Retardtablette mit 500 mg Natriumvalproat wird innerhalb von 6,3 ± 0,95 Stunden erreicht, wohingegen sie bei Lösungen innerhalb von 0,5–2 Stunden erreicht wird.

Verteilung

  • Der mittlere therapeutische Bereich der Serumkonzentration wird mit 50-100 μg/mL angegeben.
  • Oberhalb von 100 μg/mL ist vermehrt mit Nebenwirkungen bis hin zur Intoxikation zu rechnen.
  • Steady-State-Serumspiegel werden in der Regel innerhalb von 3-4 Tagen erreicht.
  • In der Zerebrospinalflüssigkeit liegen die Valproinsäurekonzentrationen bei 10% der jeweiligen Serumkonzentration.
  • Das Verteilungsvolumen ist altersabhängig und beträgt in der Regel 0,13-0,23 L/kg KG, bei Jüngeren 0,13-0,19 L/kg KG.
  • Valproinsäure wird zu 90-95% an Plasmaproteine gebunden (vornehmlich an Albumin).
  • Bei höherer Dosierung nimmt die Eiweißbindung ab.
  • Die Plasmaproteinbindung ist bei älteren Patienten sowie bei Patienten mit Nieren- oder Leberfunktionsstörungen niedriger.
  • In einer Studie wurden erhöhte Werte freien Wirkstoffs (8,5 bis über 20 %) bei Patienten mit signifikant verminderter Nierenfunktion beobachtet.
  • Die Valproinsäuregesamtkonzentration (bestehend aus freiem und proteingebundenem Anteil) kann bei Vorliegen einer Hypoproteinämie jedoch im Wesentlichen unverändert sein (sie kann aber auch auf Grund der vermehrten Metabolisierung des freien Anteils vermindert sein).

Metabolismus

  • Die Biotransformation erfolgt über Glukuronidierung sowie β-(Beta-), ω-(Omega-) und ω-1-(Omega-1-)Oxidation.
  • Den Hauptabbauweg bei der Biotransformation von Valproat stellt die Glukuronidierung dar (ungefähr 40%), hauptsächlich über UGT1A6, UGT1A9 und UGT2B7.
  • Etwa 20% der applizierten Dosis treten nach renaler Exkretion als Ester-Glukuronid im Harn auf.
  • Es existieren mehr als 20 Metaboliten, wobei die der Omega-Oxidation als hepatotoxisch angesehen.
  • Weniger als 5% der applizierten Dosis Valproinsäure erscheinen unverändert im Urin.
  • Hauptmetabolit ist die 3-Keto-Valproinsäure, die zu 3-60 % im Harn auftritt (dieser Metabolit ist bei der Maus antikonvulsiv wirksam, beim Menschen ist die Wirkung noch nicht geklärt).
  • Im Unterschied zu anderen Antiepileptika besitzt Valproinsäure keinen Leberenzyme induzierenden Effekt und fördert somit auch nicht die eigene Metabolisierung.

Elimination

  • Die Plasmaclearance betrug in einer Studie 12,7 mL/min bei Patienten mit Epilepsie, bei Gesunden liegt sie bei 5-10 mL/min (bei Einnahme enzyminduzierender Antiepileptika erhöht sie sich).
  • Die Plasmahalbwertszeit von Valproinsäure liegt bei gesunden Probanden bei 17,26 ± 1,72 Stunden.
  • Bei Kombination mit anderen Arzneimitteln (z.B. Primidon, Phenytoin, Phenobarbital und Carbamazepin) sinkt die Halbwertszeit auf Werte zwischen 4 und 9 Stunden (in Abhängigkeit von der Enzyminduktion).
  • Neugeborene und Kinder bis zu 18 Monaten zeigen Plasmahalbwertszeiten zwischen 10 und 67 Stunden.
  • Die längsten Halbwertszeiten wurden unmittelbar nach der Geburt beobachtet, oberhalb von 2 Monaten nähern sich die Werte denen von Erwachsenen.

Linearität/Nicht-Linearität

Es besteht eine annähernd lineare Beziehung zwischen der Dosis von Valproat und der Serumkonzentration.

Spezielle Patientenpopulationen

  • Bei Leberkranken ist die Halbwertszeit verlängert.
  • Im Falle von Überdosierung wurden Halbwertszeiten von bis zu 30 Stunden beobachtet.
  • In der Schwangerschaft nimmt bei Zunahme des Verteilungsvolumens im dritten Trimenon die hepatische und renale Clearance zu, mit einem möglichen Abfall der Serumkonzentration bei gleich hoher Dosierung.
  • Im Verlauf der Schwangerschaft verändert sich die Plasmaproteinbindung und der freie (therapeutisch wirkende) Anteil der Valproinsäure kann zunehmen.

Dosierung

Epilepsien

Allgemeine Dosierungsempfehlung:

  • Die Dosierung ist individuell vom (Fach-)Arzt zu bestimmen und zu kontrollieren, wobei grundsätzlich eine Anfallsfreiheit bei minimaler Dosierung angestrebt werden sollte.
  • Da keine enge Korrelation zwischen der täglichen Dosis, der Serumkonzentration und der therapeutischen Wirkung nachgewiesen wurde, sollte die optimale Dosierung im Wesentlichen anhand des klinischen Ansprechens festgelegt werden.
  • Die Bestimmung des Valproinsäureserumspiegels kann zusätzlich zur klinischen Überwachung in Betracht gezogen werden, wenn eine angemessene Kontrolle der Anfälle nicht erzielt wird oder unerwünschte Wirkungen vermutet werden.
  • Der Wirkungsbereich liegt im Allgemeinen zwischen 40–100 mg/L (300–700 μmol/L).
  • Die Serumkonzentration (bestimmt vor der ersten Tagesdosis) sollte 100 mg Valproinsäure/L nicht überschreiten.
  • Es empfiehlt sich ein stufenweiser (einschleichender) Aufbau der Dosierung bis zur optimal wirksamen Dosis.

Monotherapie:

  • Empfohlene Initialdosis: 5-10 mg Valproinsäure/kg Körpergewicht mit schrittweiser Erhöhung alle 4-7 Tage um etwa 5 mg Valproinsäure/kg Körpergewicht (bis die anfallskontrollierende Dosierung erreicht ist)
  • Die volle Wirkung ist in einigen Fällen erst nach 4-6 Wochen zu beobachten, weshalb die Tagesdosen nicht zu früh über mittlere Werte hinaus gesteigert werden sollen.
  • Die mittlere Tagesdosis beträgt (während der Langzeitbehandlung) für Erwachsene und ältere Patienten im Allgemeinen 20 mg Valproinsäure/kg Körpergewicht, für Jugendliche 25 mg Valproinsäure/kg Körpergewicht und für Kinder 30 mg Valproinsäure/kg Körpergewicht.
  • Für Kleinkinder bis zu 3 Jahren sollten die zur Verfügung stehenden Darreichungsformen mit niedrigerem Wirkstoffgehalt (z.B. Lösung zum Einnehmen) verwendet werden.
  • Die Tagesdosis kann auf 2–4 Einzelgaben verteilt werden.

Kombinationstherapie und spezielle Patientengruppen:

  • Wird Valproinsäure in Kombination oder als Substitutionstherapie zu einer früheren Medikation gegeben, muss die Dosis der bis dahin eingenommenen Antiepileptika (besonders die von Phenobarbitals) unverzüglich vermindert werden.
  • Falls die vorausgegangene Medikation abgesetzt wird, muss dies ausschleichend erfolgen
  • Da die enzyminduzierende Wirkung anderer Antiepileptika auf die Metabolisierung von Valproinsäure reversibel ist, ist etwa 4–6 Wochen nach der letzten Einnahme eines solchen Antiepileptikums der Valproinsäureserumspiegel zu kontrollieren und die Tagesdosis gegebenenfalls zu reduzieren.
  • Bei Patienten mit Niereninsuffizienz oder Hypoproteinämie muss der Anstieg an freier Valproinsäure im Serum in Betracht gezogen und die Dosis gegebenenfalls reduziert werden (entscheidend für eine Dosisanpassung sollte jedoch das klinische Bild sein, da eine Bestimmung der Valproinsäuregesamtkonzentration im Serum zu falschen Schlussfolgerungen führen kann).

Manische Episoden bei bipolaren Störungen

  • Die tägliche Dosis sollte individuell vom behandelnden Arzt festgelegt und kontrolliert werden.
  • Empfohlene Initialdosis: 750 mg täglich (in klinischen Studien zeigte eine Anfangsdosis von 20 mg Natriumvalproat/kg Körpergewicht ebenfalls ein akzeptables Sicherheitsprofil)
  • Die Retardtabletten können ein- oder zweimal täglich gegeben werden.
  • Die Dosis sollte so schnell wie möglich gesteigert werden, um die niedrigste therapeutische Dosis zu erreichen, die den gewünschten klinischen Effekt erzielt.
  • Die tägliche Dosis sollte an das klinische Ansprechen angepasst werden, um die niedrigste wirksame Dosis für den Patienten individuell zu ermitteln.
  • Die durchschnittliche tägliche Dosis beträgt üblicherweise zwischen 1000 und 2000 mg Natriumvalproat.
  • Patienten, die tägliche Dosierungen über 45 mg/kg Körpergewicht/Tag erhalten, sollten sorgfältig überwacht werden.
  • Die weiterführende Behandlung einer manischen Episode bei einer bipolaren Störung sollte unter Verwendung der niedrigsten effektiven Dosis individuell angepasst werden.
  • Die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Valproat bei der Behandlung einer manischen Episode bei einer bipolaren Störung wurde bei Patienten unter 18 Jahren nicht untersucht.

Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter

  • Die Behandlung mit Valproat muss von einem in der Therapie von Epilepsie oder bipolaren Störungen erfahrenen Spezialisten eingeleitet und überwacht werden.
  • Valproat darf nur dann bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter angewendet werden, wenn andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
  • Valproat wird entsprechend dem Valproat-Schwangerschaftsverhütungsprogramms verschrieben und abgegeben und sollte vorzugsweise als Monotherapie sowie in der niedrigsten wirksamen Dosis verschrieben werden (wenn möglich als Retardformulierung).
  • Die tägliche Dosis sollte dabei in mindestens zwei Einzeldosen aufgeteilt werden.

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen, die (sehr) häufig unter einer Therapie mit Valproinsäure auftreten, umfassen:

  • Anämie
  • Thrombozytopenie
  • Leukopenie (bildet sich oft unter Beibehalten der Medikation, aber immer nach Absetzen von Valproinsäure vollständig zurück)
  • Hyperammonämie (es kann eine isolierte und mäßig ausgeprägte Hyperammonämie ohne Veränderung der Leberfunktionsparameter auftreten, die keinen Therapieabbruch erfordert oder eine Hyperammonämie, bei der neurologische Symptome auftreten, die wiederum weitere Untersuchungen erfordert)
  • Gewichtszunahme (Risikofaktor für polyzystisch-ovarielles Syndrom, daher sorgfältige Überwachung nötig) oder -abnahme
  • Erhöhter Appetit oder auch Appetitlosigkeit
  • Hyponatriämie
  • Verwirrtheitszustände
  • Halluzinationen
  • Aggression
  • Agitiertheit
  • Aufmerksamkeitsstörungen
  • Tremor
  • Extrapyramidale Störungen (z.T. irreversibel)
  • Stupor
  • Schläfrigkeit
  • Parästhesien
  • Konvulsionen
  • Eingeschränktes Erinnerungsvermögen
  • Kopfschmerzen
  • Nystagmus
  • Schwindelgefühl
  • Taubheit (z.T. irreversibel)
  • Blutungen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Zahnfleischerkrankung (hauptsächlich Gingivahyperplasie)
  • Stomatitis
  • Diarrhö
  • Oberbauchbeschwerden
  • Vorübergehender und/oder dosisabhängiger Haarausfall
  • Nagel- und Nagelbetterkrankungen
  • Harninkontinenz
  • Dysmenorrhö

Darüber hinaus können dosisunabhängig schwerwiegende (bis tödlich verlaufende) Leberschädigungen auftreten. Bei Kindern (insbesondere in der Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika) ist das Risiko der Leberschädigung deutlich erhöht.

Außerdem wurden Fälle von Stupor und Lethargie bis hin zum transienten Koma/Hirnschädigung (Enzephalopathie) berichtet, die zum Teil mit einer erhöhten Anfallsfrequenz verbunden waren und deren Symptomatik sich bei Reduktion der Dosis oder Absetzen des Arzneimittels zurückbildete. Die Mehrzahl dieser Fälle trat bei einer Kombinationstherapie (insbesondere mit Phenobarbital oder Topiramat) oder nach einer raschen Dosiserhöhung auf.

Bei einer Langzeittherapie mit Valproat zusammen mit anderen Antiepileptika (insbesondere Phenytoin) kann es zu Zeichen einer Hirnschädigung (Enzephalopathie) kommen. Dazu zählen:

  • Vermehrte Krampfanfälle
  • Antriebslosigkeit
  • Stupor
  • Muskelschwäche (muskuläre Hypotonie)
  • Schwere Allgemeinveränderungen im EEG

Wechselwirkungen

Auswirkungen anderer Wirkstoffe (auf Valproinsäure)

  • Enzyminduzierende Antiepileptika wie Phenobarbital, Primidon, Phenytoin und Carbamazepin: Enzyminduzierende Antiepileptika wie Phenobarbital, Primidon, Phenytoin und Carbamazepin erniedrigen die Valproinsäure-Serumspiegel und vermindern dadurch die Wirkung (im Falle einer kombinierten Therapie sollte die Dosierung unter Berücksichtigung der klinischen Wirksamkeit und des Serumspiegels angepasst werden). Bei gleichzeitiger Anwendung von Phenytoin oder Phenobarbital kann die Menge an Metaboliten von Valproinsäure zunehmen, weshalb Patienten, die mit diesen Arzneimitteln behandelt werden, sorgfältig hinsichtlich Symptomen einer Hyperammonämie überwacht werden sollten.
  • Mefloquin: Mefloquin verstärkt den Abbau von Valproinsäure und besitzt außerdem potenziell krampfauslösende Wirkungen (eine gleichzeitige Anwendung kann daher zu epileptischen Anfällen führen).
  • Carbapeneme: Ein Absinken der Serumkonzentrationen von Valproinsäure wurde beschrieben, wenn gleichzeitig Carbapeneme angewendet wurden (60 - 100%ige Senkung der Valproinsäurespiegel in etwa 2 Tagen). Aufgrund des raschen Eintritts und des Ausmaßes des Absinkens werden die Folgen einer Wechselwirkung zwischen Valproinsäure und Carbapenemen bei Patienten, die stabil auf Valproinsäure eingestellt sind, als nicht kontrollierbar angesehen, weshalb eine gleichzeitige Anwendung vermieden werden sollte. Wenn die Behandlung mit diesen Antibiotika nicht vermieden werden kann, sollte der Blutspiegel von Valproinsäure eng überwacht werden.
  • Cimetidin oder Erythromycin: Die Valproinsäurekonzentration im Serum kann durch gleichzeitige Gabe von Cimetidin oder Erythromycin erhöht werden (als Folge einer verminderten Verstoffwechselung in der Leber).
  • Fluoxetin: Durch gleichzeitige Gabe von Fluoxetin kann die Valproinsäurekonzentration im Serum erhöht werden (es sind jedoch auch Fälle beschrieben, in denen sie erniedrigt wurde).
  • Felbamat: Felbamat erniedrigt die Ausscheidung von Valproinsäure um 22% bis 50% und erhöht demzufolge dosisabhängig die Serumkonzentration von freier Valproinsäure linear um 18% (der Valproat-Spiegel sollte daher überwacht werden).
  • Arzneimittel mit einer hohen Plasmaproteinbindung wie Acetylsalicylsäure: Arzneimittel mit einer hohen Plasmaproteinbindung wie Acetylsalicylsäure können die Valproinsäure kompetitiv aus ihrer Proteinbindung verdrängen und die Konzentration freier Valproinsäure im Serum erhöhen. Die gleichzeitige Gabe von Valproinsäure-haltigen Arzneimitteln und Acetylsalicylsäure sollte bei fieberhaften Erkrankungen bei Säuglingen und Kindern vermieden werden und bei Jugendlichen nur auf ausdrückliche ärztliche Anweisung erfolgen.
  • Vitamin-K-Antagonisten: Bei gleichzeitiger Einnahme von Vitamin- K-Antagonisten wird eine engmaschige Kontrolle des INR-Wertes empfohlen.
  • Rifampicin: Rifampicin kann den Valproinsäureserumspiegel erniedrigen, was zu einem fehlenden therapeutischen Effekt führt (daher kann bei gleichzeitiger Gabe von Rifampicin eine Dosisanpassung von Valproinsäure notwendig sein).
  • Protease-Inhibitoren: Der Plasmaspiegel von Valproat wird bei gleichzeitiger Anwendung von Protease-Inhibitoren wie Lopinavir oder Ritonavir erniedrigt.
  • Colestyramin: Die gleichzeitige Anwendung von Colestyramin kann den Plasmaspiegel von Valproat erniedrigen.

Auswirkungen von Valproinsäure auf andere Wirkstoffe

  • Phenobarbital oder Primidon: Von besonderer klinischer Bedeutung ist die Erhöhung der Phenobarbital-Konzentration durch Valproinsäure, was sich in einer starken Sedierung (besonders bei Kindern) äußern kann. Falls diese auftritt, muss die Phenobarbital- bzw. Primidondosis erniedrigt werden (Primidon wird z.T. zu Phenobarbital metabolisiert). Deshalb ist insbesondere innerhalb der ersten 15 Tage einer Kombinationstherapie eine sorgfältige Überwachung empfehlenswert.
  • Phenytoin: Bei bestehender Therapie mit Phenytoin kann durch die zusätzliche Gabe oder eine Dosiserhöhung von Valproinsäure-haltigen Arzneimitteln die Menge von freiem Phenytoin ansteigen (Konzentration des nicht eiweißgebundenen wirksamen Anteils), ohne dass der Serumspiegel des Gesamtphenytoins erhöht ist. Folglich kann das Risiko für das Auftreten von Nebenwirkungen, insbesondere einer Hirnschädigung, erhöht werden, weshalb ein klinisches Monitoring empfohlen wird (wenn Phenytoin-Plasmakonzentrationen erhoben werden, sollte die freie Form bestimmt werden).
  • Carbamazepin: In der Kombinationstherapie Carbamazepin und Valproinsäure wurden Symptome beschrieben, die möglicherweise auf die Potenzierung des toxischen Effektes von Carbamazepin durch Valproinsäure zurückzuführen sind. Klinisches Monitoring ist insbesondere zu Beginn der Kombinationstherapie angezeigt (die Dosis sollte bei Bedarf angepasst werden).
  • Lamotrigin: Valproinsäure hemmt den Metabolismus von Lamotrigin und erhöht dessen durchschnittliche Halbwertszeit auf fast das Doppelte. Bei einer Kombination von Lamotrigin und Valproinsäure-haltigen Arzneimitteln kann das Risiko von Hautreaktionen erhöht sein (einzelne Fälle schwerer Hautreaktionen wurden berichtet, die innerhalb von 6 Wochen nach Beginn einer Kombinationstherapie auftraten und sich teilweise nach Absetzen der Medikation oder erst nach entsprechender Behandlung zurückbildeten), weshalb eine klinische Überwachung empfohlen wird (die Dosierung von Lamotrigin sollte gegebenenfalls angepasst bzw. reduziert werden).
  • Felbamat: Valproinsäure kann die durchschnittliche Felbamat-Clearance um bis zu 16% reduzieren und den Serumspiegel von Felbamat um ca. 50% erhöhen.
  • Zentraldämpfende Wirkstoffe: In Kombination mit Benzodiazepinen, Barbituraten,Neuroleptika, MAO-Hemmern und Antidepressiva kann Valproinsäure die zentraldämpfende Wirkung dieser Arzneimittel verstärken, weshalb bei entsprechenden Kombinationen die Patienten sorgfältig beobachtet und die Dosierungen ggf. angepasst werden sollten.
  • Codein: Auch der Metabolismus und die Proteinbindung von anderen Wirkstoffen wie Codein werden beeinflusst.
  • Zidovudin: Valproinsäure erhöht möglicherweise die Serumkonzentration von Zidovudin, was zu einem Ansteigen der Toxizität von Zidovudin führen kann.
  • Antikoagulanzien oder TAH: Bei gleichzeitiger Einnahme von Valproinsäure-haltigen Arzneimitteln und Antikoagulanzien oder TAH kann es zu erhöhter Blutungsneigung kommen, weshalb bei gleichzeitiger Anwendung regelmäßige Kontrollen der Blutgerinnungswerte empfohlen werden.
  • Benzodiazepine: Valproat verdrängt bei gesunden Probanden Diazepam aus der Plasmaalbuminbindung und hemmt seinen Metabolismus. Bei einer Kombinationsbehandlung kann die Konzentration von ungebundenem Diazepam erhöht sowie die Plasmaclearance und das Verteilungsvolumen der freien Diazepam-Fraktion (um 25%; 20%) reduziert sein. Die Halbwertszeit bleibt jedoch unverändert. Die gleichzeitige Behandlung mit Valproat und Lorazepam hatte bei Gesunden eine Erniedrigung der Plasmaclearance von Lorazepam um bis 40% zur Folge.
  • Phenytoin: Der Serumspiegel von Phenytoin bei Kindern kann nach gleichzeitiger Applikation von Clonazepam und Valproinsäure erhöht werden.
  • Olanzapin: Valproinsäure kann die Plasmakonzentration von Olanzapin erniedrigen.
  • Rufinamid: Valproinsäure kann den Plasmaspiegel von Rufinamid erhöhen. Dieser Anstieg ist von der Valproinsäure-Konzentration abhängig. Insbesondere bei Kindern ist Vorsicht geboten, da der Effekt bei diesen stärker ist.

Weitere Wechselwirkungen

  • Lebertoxizität: Es wird darauf hingewiesen, dass potenziell hepatotoxische Arzneimittel sowie auch Alkohol die Lebertoxizität von Valproinsäure verstärken können.
  • Hyperammonämie: Bei gleichzeitiger Anwendung von Valproinsäure und Topiramat ist über Enzephalopathie und/oder einen Anstieg des Ammoniakserumspiegels (Hyperammonämie) berichtet worden. Zu einer Hyperammonämie kann es auch bei Anwendung von Valproinsäure zusammen mit Acetazolamid kommen, wodurch das Risiko für eine Enzephalopathie erhöht sein kann. Patienten, die mit diesen beiden Arzneistoffen behandelt werden, sollten sorgfältig hinsichtlich Anzeichen für eine hyperammonämische Enzephalopathie überwacht werden.
  • Quetiapin: Bei gleichzeitiger Anwendung von Valproinsäure und Quetiapin kann das Risiko einer Neutropenie/Leukopenie erhöht sein.
  • Diabetiker: Da Valproinsäure teilweise zu Ketonkörpern metabolisiert wird, sollte bei Diabetikern mit Verdacht auf Ketoazidose eine mögliche falsch positive Reaktion eines Tests auf Ketonkörperausscheidung berücksichtigt werden.
  • Clonazepam: Bei gleichzeitiger Behandlung mit Valproinsäure-haltigen Arzneimitteln und Clonazepam trat bei Patienten mit Anfällen vom Absence-Typ in der Vorgeschichte ein Absence-Status auf.

Kontraindikationen

Valproinsäure darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
  • Hepatischer Porphyrie
  • Blutgerinnungsstörungen
  • Lebererkrankungen in der eigenen oder Familienanamnese sowie manifesten schwerwiegenden Leber- und Pankreasfunktionsstörungen
  • Leberfunktionsstörungen mit tödlichem Ausgang während einer Valproinsäuretherapie bei Geschwistern
  • Patienten, die unter mitochondrialen Erkrankungen leiden, die durch Mutationen in dem das mitochondriale Enzym Polymerase Gamma (POLG) kodierenden Kerngen verursacht sind (wie beispielsweise das Alpers-Huttenlocher-Syndrom) sowie bei Kindern im Alter unter zwei Jahren, bei denen der Verdacht auf eine POLG-verwandte Erkrankung besteht. Valproinsäure ist in folgenden Fällen kontraindiziert:
  • Behandlung von Epilepsien: Während der Schwangerschaft (es sei denn, es stehen keine geeigneten alternativen Behandlungen zur Verfügung) sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter (es sei denn, die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms werden eingehalten)
  • Behandlung von bipolaren Störungen: Während der Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter (es sei denn, die Bedingungen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms werden eingehalten)

Schwangerschaft

Allgemein

  • Valproinsäure darf nicht bei Mädchen, weiblichen Jugendlichen, Frauen im gebärfähigen Alter und schwangeren Frauen angewendet werden (es sei denn, dass andere Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden).
  • Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung zuverlässige Verhütungsmethoden anwenden.
  • Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um vor der Empfängnis auf eine geeignete Alternativbehandlung umzustellen, sofern dies möglich ist.

Risiko einer Exposition gegenüber Valproat während der Schwangerschaft

  • Valproat ist sowohl bei alleiniger Gabe als auch bei Gabe in Kombination mit anderen Arzneimitteln mit Anomalien des Neugeborenen assoziiert.
  • Die verfügbaren Daten legen nahe, dass bei der Behandlung von Epilepsie die Anwendung von Valproat zusammen mit anderen Arzneimitteln zu einem höheren Risiko für angeborene Missbildungen führt, als eine Valproat-Monotherapie.

Angeborene Missbildungen

  • Daten aus einer Metaanalyse (einschließlich Registern und Kohortenstudien) haben gezeigt, dass es bei 10,73% der Kinder von Frauen, die an Epilepsie leiden und während der Schwangerschaft eine Monotherapie mit Valproat erhalten haben, zu angeborenen Missbildungen gekommen ist (95% KI: 8,16-13,29).
  • Dies stellt ein höheres Risiko für schwerwiegende Missbildungen als in der Allgemeinbevölkerung dar, in der das Risiko bei ca. 2-3 % liegt.
  • Das Risiko ist dosisabhängig (es lässt sich allerdings keine Schwellendosis, unterhalb derer kein Risiko besteht, festlegen).
  • Die verfügbaren Daten zeigen eine erhöhte Inzidenz von leichteren und schwerwiegenderen Missbildungen.
  • Zu den häufigsten Arten von Missbildungen zählen Neuralrohrdefekte, faziale Dysmorphien, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Kraniostenose, Schädigungen des Herzens, der Nieren, des Urogenitaltraktes, der Extremitäten (einschließlich bilateraler Aplasie des Radius) sowie zahlreiche Anomalien verschiedener Körpersysteme.

Entwicklungsstörungen

  • Bei Kindern, die im Mutterleib Valproat ausgesetzt waren, kann es zu unerwünschten Wirkungen in Hinblick auf deren geistige und körperliche Entwicklung kommen.
  • Das Risiko scheint dosisabhängig zu sein (anhand der verfügbaren Daten lässt sich allerdings keine Schwellendosis, unterhalb derer kein Risiko besteht, festlegen).
  • Über den genauen Schwangerschaftsabschnitt, in dem ein Risiko für diese Wirkungen besteht, gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, und die Möglichkeit, dass das Risiko während der gesamten Schwangerschaft besteht, kann nicht ausgeschlossen werden.
  • Studien mit Vorschulkindern, die im Mutterleib Valproat ausgesetzt waren, zeigen, dass es bei bis zu 30-40% zu Verzögerungen in der frühkindlichen Entwicklung kommt (sie fangen zum Beispiel später an zu sprechen und zu laufen, haben geringere geistige Fähigkeiten, eine geringe Sprachkompetenz und leiden unter Gedächtnisproblemen).
  • Der Intelligenzquotient (IQ), der bei Kindern im Alter von 6 Jahren mit einer Exposition gegenüber Valproat im Mutterleib bestimmt wurde, war um durchschnittlich 7-10 Punkte niedriger als bei Kindern, die anderen Antiepileptika ausgesetzt waren.
  • Obwohl die Bedeutung von Störfaktoren nicht ausgeschlossen werden kann, steht jedoch fest, dass das Risiko einer intellektuellen Beeinträchtigung bei Kindern, die Valproat ausgesetzt waren, unabhängig vom IQ der Mutter erhöht sein kann.
  • Über die langfristigen Auswirkungen liegen nur begrenzte Daten vor.
  • Die verfügbaren Daten zeigen, dass Kinder, die im Mutterleib Valproat ausgesetzt waren, im Vergleich zur allgemeinen Studienpopulation ein erhöhtes Risiko für Störungen des autistischen Formenkreises (ca. 3-fach erhöht) und frühkindlichen Autismus (ca. 5-fach erhöht) aufweisen.
  • Begrenzte Daten legen nahe, dass bei Kindern, die Valproat im Mutterleib ausgesetzt waren, eine höhere Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass bei ihnen die Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auftreten.

Risiken für Neugeborene

  • In sehr seltenen Fällen wurde bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft Valproat eingenommen haben, über das Auftreten eines hämorrhagischen Syndroms berichtet (geht mit Thrombozytopenie, Hypofibrinogenämie und/oder einer Abnahme anderer  Gerinnungsfaktoren einher).
  • Es wurde darüber hinaus über Afibrinogenämie berichtet, die zum Tod führen kann.
  • Dieses Syndrom muss jedoch von einer durch Phenobarbital und andere Enzyminduktoren hervorgerufenen Abnahme der Vitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren unterschieden werden, weshalb bei Neugeborenen Thrombozytenzahl, Fibrinogenspiegel im Plasma und Gerinnungsfaktoren untersucht sowie Gerinnungstests durchgeführt werden sollten.
  • Bei Neugeborenen, deren Mütter während des dritten Trimenons ihrer Schwangerschaft Valproat eingenommen haben, wurde über Fälle von Hypoglykämie berichtet.
  • Bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft Valproat eingenommen haben, wurde über Fälle von Hypothyreose berichtet
  • Bei Neugeborenen, deren Mütter während des letzten Trimenons ihrer Schwangerschaft Valproat eingenommen haben, kann es zu Entzugserscheinungen (insbesondere zu Agitiertheit, Reizbarkeit, Über-erregbarkeit, Nervosität, Hyperkinesie, Tonusstörungen, Tremor, Krämpfen und Störungen bei der Nahrungsaufnahme) kommen.

Schwangerschaftsplanung

  • Während der Schwangerschaft stellen bei der Mutter auftretende tonisch-klonische Anfälle und Status epilepticus, verbunden mit Hypoxie, ein besonderes Risiko dar, welches zum Tod der Mutter und des ungeborenen Kindes führen kann.
  • Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen oder schwanger sind, muss die Behandlung mit Valproat neu überprüft werden.
  • Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um vor der Empfängnis auf eine geeignete Alternativbehandlung umzustellen, sofern dies möglich ist.
  • Die Behandlung mit Valproat sollte nicht abgesetzt werden, ohne dass ein Arzt mit Erfahrung in der Behandlung von Epilepsie den Nutzen und die Risiken der Behandlung mit Valproat für die Patientin erneut bewertet hat.
  • Generell sollte eine regelmäßige Kontrolle der Valproinsäure-Serumkonzentration vorgenommen werden, da offenbar bei gleichbleibender Dosierung die Serumkonzentrationen im Verlauf der Schwangerschaft erheblichen Veränderungen unterliegen können (nach einer ungefähr gleichbleibenden Konzentration der freien Valproinsäure im ersten und zweiten Trimenon wurde ein Anstieg im dritten Trimenon bis zum Geburtstermin auf das Dreifache beobachtet).
  • Wenn nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung die Behandlung mit Valproat während der Schwangerschaft fortgesetzt wird, gelten folgende Empfehlungen:
  • Anwendung der niedrigsten wirksamen Dosis und Aufteilung der täglichen Valproat-Dosis in mehrere kleine Dosen, die über den Tag verteilt einzunehmen sind (möglicherweise ist die Anwendung einer Retardformulierung anderen Darreichungsformen vorzuziehen, um hohe Spitzenkonzentrationen im Plasma zu vermeiden)
  • Eine Folsäure-Supplementierung vor der Schwangerschaft kann das Risiko für Neuralrohrdefekte, das bei allen Schwangerschaften besteht, möglicherweise senken (allerdings lassen verfügbare Hinweise nicht darauf schließen, dass eine solche Supplementierung Geburtsfehler oder Missbildungen, die durch eine Exposition gegenüber Valproat bedingt sind, verhindert)
  • Einleitung einer speziellen pränatalen Überwachung, um möglicherweise auftretende Neuralrohrdefekte oder andere Missbildungen zu erkennen

Stillzeit

Valproat tritt in die Muttermilch in einer Konzentration zwischen 1% und 10% des mütterlichen Serumspiegels über. Bei gestillten Neugeborenen/Kindern von behandelten Müttern wurden hämatologische Störungen nachgewiesen.

Es muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, ob das Stillen zu unterbrechen ist oder ob auf die Behandlung mit Valproat verzichtet werden soll bzw. die Behandlung zu unterbrechen ist. Dabei sind sowohl der Nutzen des Stillens für das Kind als auch der Nutzen der Therapie für die Frau zu berücksichtigen.

Verkehrstüchtigkeit

Zu Beginn einer Therapie mit Valproat bei höherer Dosierung und/oder in Kombination mit zentral wirkenden Arzneimitteln können zentralnervöse Wirkungen wie Schläfrigkeit und/oder Verwirrtheit das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass (unabhängig von der Auswirkung des behandelten Grundleidens) die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird.

Anwendungshinweise

Leber- und/oder Pankreasschädigung

Allgemein:

  • Gelegentlich sind schwere Schädigungen der Leber und/oder selten Schädigungen des Pankreas beobachtet worden.
  • Am häufigsten betroffen sind Säuglinge und Kleinkinder unter 3 Jahren, die an schweren epileptischen Anfällen leiden.
  • Das Risiko einer Leber- oder Pankreasschädigung ist insbesondere bei Kombinationsbehandlung mit mehreren Antiepileptika, oder wenn zusätzlich eine Hirnschädigung, mentale Retardierung und/oder eine angeborene Stoffwechselerkrankung oder degenerative Erkrankung vorliegen, erhöht (bei diesen Patienten sollte die Anwendung der Valproinsäure mit besonderer Vorsicht und als Monotherapie erfolgen).
  • Leberschäden wurden in der Mehrzahl der Fälle innerhalb der ersten 6 Monate der Therapie beobachtet, insbesondere zwischen der 2. und 12. Woche.
  • Bei Kindern über 3 Jahre und vor allem jenseits des 10. Lebensjahres nimmt die Häufigkeit der Erkrankungen beträchtlich ab.
  • Der Verlauf dieser Erkrankungen kann letal sein.
  • Ein gemeinsames Auftreten von Hepatitis und Pankreatitis erhöht das Risiko eines letalen Verlaufs.

Zeichen einer Leber- und/oder Pankreasschädigung:

  • Schwerwiegenden oder tödlichen Leber- und/oder Pankreasschädigungen können unspezifische Symptome vorausgehen, die meistens plötzlich auftreten, wie erneutes Auftreten oder Zunahme der Häufigkeit bzw. der Schwere von epileptischen Anfällen, Bewusstseinsstörungen mit Verwirrtheit, Unruhe, Bewegungsstörungen, körperlichem Unwohlsein und Schwächegefühl, Appetitverlust, Abneigung gegen gewohnte Speisen, Abneigung gegen Valproinsäure, Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchbeschwerden, Lethargie, Schläfrigkeit und, insbesondere bei Leberschädigung, auffällig häufig Hämatome, Nasenbluten sowie unterschiedlich lokalisierte oder generalisierte Ödeme (hinsichtlich dieser Anzeichen sollten Patienten, vor allem Säuglinge und Kleinkinder, ärztlich engmaschig überwacht werden).
  • Sind die oben erwähnten Beschwerden anhaltend oder schwerwiegend, so sind neben einer gründlichen Untersuchung auch entsprechende Laboruntersuchungen vorzunehmen.
  • Da jedoch die Blutwerte bei Erkrankung nicht in allen Fällen auffällig sein müssen, sollte der behandelnde Arzt sich nicht ausschließlich auf veränderte Blutwerte verlassen.
  • Insbesondere zu Beginn der Behandlung können in Einzelfällen Werte der Leberenzyme auch unabhängig von einer Leberfunktionsstörung vorübergehend erhöht sein (deshalb sind stets Anamnese und klinisches Bild von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung).
  • Falls zusätzlich begleitend Salicylate eingenommen werden, sollten diese als Vorsichtsmaßnahme abgesetzt werden, da sie über denselben Weg wie Valproinsäure metabolisiert werden.

Maßnahmen zur Früherkennung einer Leberschädigung und/oder Pankreasschädigung:

  • Vor Behandlungsbeginn sind eine ausführliche Anamnese, insbesondere hinsichtlich Stoffwechselstörungen, Hepatopathien, Pankreasaffektionen und Gerinnungsstörungen beim Patienten und in der Familie, klinische und laborchemische Untersuchungen (z.B. PTT, Fibrinogen, Gerinnungsfaktoren, INR, Gesamteiweiß, Bestimmung von Blutbild mit Thrombozyten, Bilirubin, SGOT, SGPT, Gamma-GT, Lipase, Alpha-Amylase im Blut, Blutzucker) durchzuführen.
  • Vier Wochen nach Behandlungsbeginn sollte eine laborchemische Kontrolle mit Bestimmung der Gerinnungsparameter wie INR und PTT, SGOT, SGPT, Bilirubin und Amylase durchgeführt werden.
  • Bei klinisch unauffälligen Kindern sollten das Blutbild mit Thrombozyten, SGOT und SGPT, bei jeder zweiten ärztlichen Untersuchung außerdem die Gerinnungsparameter bestimmt werden.
  • Bei klinisch unauffälligen Patienten mit krankhaft erhöhten 4-Wochen-Werten sollte eine Verlaufskontrolle dreimal im Abstand von maximal 2 Wochen, dann einmal pro Monat bis zum 6. Behandlungsmonat durchgeführt werden.
  • Bei Jugendlichen (etwa ab dem 15. Lebensjahr) und Erwachsenen sind im ersten Halbjahr monatliche Kontrollen des klinischen Befundes und der Laborparameter sowie in jedem Fall vor Therapiebeginn anzuraten.
  • Nach 12-monatiger Therapie ohne Auffälligkeiten sind nur noch 2-3 ärztliche Kontrollen pro Jahr erforderlich.
  • Eltern sind auf mögliche Zeichen einer Leber- und/oder Pankreasschädigung hinzuweisen und angehalten, bei klinischen Auffälligkeiten unabhängig von diesem Zeitplan sofort den behandelnden Arzt zu informieren.

Therapieabbruch (in diesem Zusammenhang) bei:

  • Nicht erklärbarer Störung des Allgemeinbefindens
  • Klinischen Zeichen einer Leber- oder Pankreasaffektion oder Blutungsneigung
  • Mehr als 2- bis 3-facher Erhöhung der Lebertransaminasen auch ohne klinische Zeichen (Enzyminduktion durch evtl. Begleitmedikation bedenken)
  • Leichter (eineinhalb- bis zweifacher) Erhöhung der Lebertransaminasen bei gleichzeitigem, akut fieberhaftem Infekt
  • Ausgeprägter Störung des Gerinnungsstatus

Mädchen/weibliche Jugendliche/Frauen im gebärfähigen Alter/Schwangerschaft

  • Aufgrund seines hohen teratogenen Potenzials und des Risikos für Entwicklungsstörungen bei Kindern, die im Mutterleib Valproat ausgesetzt sind, darf Valproat nicht bei Mädchen, weiblichen Jugendlichen, Frauen im gebärfähigen Alter und schwangeren Frauen angewendet werden (es sei denn, dass alternative Behandlungen nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden).
  • Der Nutzen und die Risiken sollten bei Routineüberprüfungen der Behandlung, in der Pubertät sowie unverzüglich, wenn eine Frau im gebärfähigen Alter, die mit Valproat behandelt wird, eine Schwangerschaft plant oder schwanger wird, sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
  • Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung wirksame Verhütungsmethoden anwenden und über die Risiken, die mit einer Anwendung von Valproat während der Schwangerschaft verbunden sind, aufgeklärt werden.
  • Der verordnende Arzt muss dafür sorgen, dass die Patientin durch geeignete Materialien (wie z.B. die Patienteninformationsbroschüre) umfassend über die Risiken aufgeklärt wird, damit sie diese besser versteht.
  • Insbesondere muss der verordnende Arzt dafür sorgen, dass der Patientin folgende Punkte bewusst sind:
  • die Art und das Ausmaß der Risiken bei einer Exposition während der Schwangerschaft, insbesondere die teratogenen Risiken und die Risiken
  • für Entwicklungsstörungen
  • die Notwendigkeit der Anwendung einer zuverlässigen Verhütungsmethode
  • die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung der Behandlung
  • die Notwendigkeit, unverzüglich ihren Arzt aufzusuchen, wenn sie darüber nachdenkt, schwanger zu werden, oder die Möglichkeit einer Schwangerschaft besteht
  • Bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um vor der Empfängnis auf eine geeignete Alternativbehandlung umzustellen, sofern dies möglich ist.
  • Die Behandlung mit Valproat sollte nur fortgesetzt werden, wenn ein Arzt mit Erfahrung in der Behandlung von Epilepsie den Nutzen und die Risiken der Behandlung mit Valproat für die Patientin erneut bewertet hat.

Suizidgedanken und -verhalten

  • Über suizidale Gedanken und suizidales Verhalten wurde bei Patienten, die mit Antiepileptika in verschiedenen Indikationen behandelt wurden, berichtet.
  • Eine Metaanalyse randomisierter placebokontrollierter Studien mit Antiepileptika zeigte ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten von Suizidgedanken und suizidalem Verhalten.
  • Der Mechanismus für die Auslösung dieser Nebenwirkung ist nicht bekannt und die verfügbaren Daten schließen die Möglichkeit eines erhöhten Risikos bei der Einnahme von Valproinsäure nicht aus, weshalb Patienten hinsichtlich Anzeichen von Depression und/oder Suizidgedanken und suizidalen Verhaltensweisen überwacht und eine geeignete Behandlung in Erwägung gezogen werden sollten.
  • Patienten (und deren Betreuern) sollte geraten werden, ärztlichen Rat einzuholen, wenn Anzeichen von Depression und/oder Suizidgedanken oder suizidales Verhalten auftreten.

Patienten mit bekannter mitochondrialer Erkrankung bzw. mit Verdacht auf eine mitochondriale Erkrankung

  • Valproat kann die klinischen Anzeichen für zugrunde liegende mitochondriale Erkrankungen, die durch Mutationen der mitochondrialen DNA oder auch des kernkodierten POLG-Gens verursacht werden, auslösen oder verstärken.
  • So wurde von Patienten mit angeborenen neurometabolischen Erkrankungen, die durch Mutationen im Gen für das mitochondriale Enzym Polymerase Gamma (POLG) verursacht werden (wie beispielsweise das Alpers-Huttenlocher-Syndrom) eine höhere Rate an durch Valproat induzierten Fällen von akutem Leberversagen und leberbedingten Todesfällen gemeldet.
  • POLG-verwandte Erkrankungen sollten vermutet werden bei Patienten mit entsprechender familiärer Belastung oder Symptomen, die auf eine POLG-verwandte Erkrankung hinweisen, einschließlich nicht geklärter Enzephalopathie, refraktärer Epilepsie (fokal, myoklonisch), Status epilepticus bei Vorstellung, Entwicklungsverzögerung, psychomotorischer Regression, axonaler sensomotorischer Neuropathie, Myopathie, zerebellarer Ataxie, Ophthalmoplegie oder komplizierter Migräne mit okzipitaler Aura.
  • Die Untersuchung auf POLG-Mutationen sollte in Einklang mit der derzeitigen klinischen Praxis für die diagnostische Bewertung solcher Erkrankungen erfolgen.
  • Patienten mit einem bestehenden Carnitin-Palmitoyl-Transferase-(CPT-)II-Mangel sollten auf das erhöhte Risiko einer Rhabdomyolyse unter der Behandlung mit Valproinsäure hingewiesen werden.

Metabolische Erkrankungen

  • Unter der Behandlung mit Valproinsäure-haltigen Präparaten kann es zu einem Anstieg des Ammoniakserumspiegels (Hyperammonämie) kommen.
  • Deshalb sind beim Auftreten von Symptomen wie Apathie, Somnolenz, Erbrechen, Hypotension sowie bei der Zunahme der Anfallsfrequenz die Serumspiegel von Ammoniak und Valproinsäure zu bestimmen (ggf. ist die Dosis zu reduzieren).
  • Bei Verdacht auf eine bereits bestehende enzymatische Störung des Harnstoffzyklus sollte bereits vor Beginn einer Valproinsäure-Therapie eine genaue Abklärung eventueller Stoffwechselabweichungen erfolgen, um das Auftreten einer Hyperammonämie zu vermeiden.

Niereninsuffizienz und Hypoproteinämie

  • Bei Patienten mit Niereninsuffizienz und Hypoproteinämie muss der Anstieg an freier Valproinsäure im Serum in Betracht gezogen und die Dosis entsprechend reduziert werden.
  • Da die Überwachung der Plasmakonzentration allein irreführend sein kann, sollte die Dosisanpassung entsprechend dem klinischen Bild erfolgen.

Kinder und Jugendliche

  • Bei Kindern unter 3 Jahren wird im Falle einer Behandlung mit Valproat eine Monotherapie empfohlen.
  • Dabei ist vor Beginn der Therapie der potenzielle Nutzen gegenüber den möglichen Risiken wie Leberschädigungen oder Pankreatitis abzuwägen (siehe oben unter „Leber- und/oder Pankreasschädigung“).
  • Auf Grund des Risikos von Leberschädigungen sollte die gleichzeitige Einnahme mit Salicylaten bei Kindern unter 12 Jahren vermieden werden.

Alternativen

Die medikamentösen Therapiealternativen richten sich nach dem Indikationsgebiet bzw. der Anfallsform und sind darüber hinaus abhängig von patientenindividuellen Faktoren wie dem Alter der Patienten, Komorbiditäten oder dem Schweregrad der Erkrankung. Die Pharmakotherapie von Epilepsien bzw. epileptischen Anfällen bietet ein breites Spektrum an alternativen antikonvulsiven Wirkstoffen:

Weitere Informationen können der jeweiligen Fachinformation entnommen werden.

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
144.21 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 12.0 H
Q0-Wert:
0.95
Autor:
Stand:
27.02.2023
Quelle:
  1. Fachinformation: Neuraxpharm
  2. Fachinformation: Ratiopharm
  3. Fachinformation: Glenmark
  4. Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
  5. Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  6. Masum Rahman & Hoang Nguyen, Valproic Acid, StatPearls (Stand: Juli 2022)
  7. AWMF: Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter (2017)
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