Löst COVID-19-Impfung Herpes zoster aus?

Können COVID-19 und die Impfung zum Schutz vor der Erkrankung die Entstehung von Herpes zoster begünstigen? Die Datenlage scheint heterogen. Einzelne Fallberichte könnten auf ein höheres Herpes zoster-Risiko nach COVID-19-Impfung bei Jüngeren hindeuten.

Covid-19 Vakzine

Die Infektion mit dem Varizella-Zoster-Virus (VZV) führt bei Kindern zu Windpocken. VZV besitzt, wie andere Herpesviren auch, eine Erregerpersistenz. Bei Reaktivierung des Virus erkranken die Betroffenen an Herpes zoster, umgangssprachlich Gürtelrose. Durch eine beeinträchtigte zelluläre Immunität im Rahmen von Immunerkrankungen, anderen Komorbiditäten und im fortgeschrittenen Alter wird die Reaktivierung der VZV begünstigt.

Gürtelrose durch COVID-19?

Ob COVID-19 und auch die COVID-19-Impfung die Virusreaktivierung und damit Herpes zoster begünstigen, ist bereits in diversen Studien untersucht worden. Einen Überblick zur aktuellen Evidenzlage gibt Professor Dr. med. Axel Schnuch in einem Übersichtsartikel in „Arzneiverordnungen in der Praxis“, dem Informationsblatt der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), [1].

COVID-19 als neuer Risikofaktor für Herpes zoster

Das Risiko eines Herpes zoster bei COVID-19 wurde in einer großen US-amerikanischen Kohortenstudie untersucht [2]. Die Kohorte umfasste 394.677 Personen im Alter von ≥ 50 Jahren, bei denen COVID-19 diagnostiziert worden war. Als Kontrolle wurden 1.577.236 gesunde Personen gleichen Alters ohne COVID-19 gegenübergestellt, es erfolgte eine Bereinigung für zahlreiche Faktoren. Dabei zeigte sich, dass Personen mit COVID-19 im Vergleich zur gesunden Kontrollpopulation ein 15% höheres Risiko für Herpes zoster hatten (adjusted Incidence Rate Ratio [aIRR]: 1,15; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,07 bis 1,24; p < 0,001). Bei Patienten, die aufgrund ihrer SARS-CoV-2-Infektion ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten, war das Risiko für Herpes zoster noch höher und lag bei 21%.

COVID-19-Impfung und Herpes zoster

In dem Übersichtsartikel zitiert Schnuch verschiedene Studien und einige Fallberichte, welche das Risiko eines Herpes zoster nach COVID-19-Impfung untersucht haben. Eine israelische Studie untersuchte potenzielle Nebenwirkungen durch den COVID-19-Impfstoff Comirnaty (BNT162b2) von BioNTech [3]. Es wurden über 800.000 geimpfte Personen mit einer gematchten Kontrolle von Nichtgeimpften verglichen. Dabei zeigte sich eine signifikante Risikoerhöhung bei den geimpften Personen (Risk Ratio [RR] 1,43; 95%-KI 1,20 bis 1,73). Im Gegensatz zur zuvor zitierten Studie mit einer US-amerikanischen Kohorte war hier das Risiko einer Gürtelrose durch die COVID-19-Infektion nicht erhöht.

Erhöhtes Risiko vor allem nach Erstimpfung

Eine Studie aus Hongkong verglich die Rate von Hospitalisierungen aufgrund eines Herpes zoster nach der Impfung mit dem chinesischen COVID-19-Impfstoff CoronaVac mit dem Risiko nach Impfung mit Comirnaty [4]. Dabei zeigte sich das Risiko einer Hospitalisierung nach der Impfung signifikant erhöht. Für Comirnaty waren die Ergebnisse wie folgt: aIRR zwischen 5,14 und 5,82, jeweils in Abhängigkeit vom Zeitpunkt des Auftretens. Dabei war das Risiko für eine Hospitalisierung aufgrund von Herpes zoster nach der Impfung mit Comirnaty nach der Erstimpfung 2,6-fach bis 3,9-fach erhöht (adjusted Odds Ratio [OR] 2,60 [0−13 Tage], 3,93 [14−27 Tage]). Die Autoren der Studie stuften das absolute Risiko jedoch als sehr gering ein und betonten, dass der Nutzen der Impfung gegenüber den Risiken überwiege.

Trifft es vermehrt jüngere Personen?

In dem Übersichtsartikel von Schnuch werden mehrere Fallberichte und kleinere Fallserien präsentiert, welche sich ebenfalls mit dem Auftreten von Herpes zoster nach der COVID-19-Impfung beschäftigen. Diese Kasuistiken erlauben keine Rückschlüsse auf eine mögliche kausale Rolle der COVID-19-Impfung bei der Reaktivierung des VZV und der Entstehung von Herpes zoster. Interessant ist in den geschilderten Fällen aber das Alter der Betroffenen. Es scheinen vermehrt Menschen im jüngeren Alter, je nach Kasuistik unter 30 Jahren bzw. mit einem Median von 46 Jahren, betroffen. Normalerweise haben Personen ab dem 60. Lebensjahr ein erhöhtes Risiko an Herpes zoster zu erkranken, weshalb die STIKO eine Impfung mit Shingrix für Personen dieser Altersgruppe als Standardimpfung empfiehlt. Diese Beobachtungen bestätigen sich in einer spanischen Kohorte, in der Gürtelrose nach der COVID-19-Impfung zu 30% bei Personen auftrat, die unter 50 Jahre alt waren und keine Komorbiditäten aufwiesen [5].

Fazit

Die aktuelle Evidenzlage bezüglich eines erhöhten Herpes zoster-Risikos nach COVID-19-Impfung bleibt heterogen. Insgesamt scheint das relative Risiko erhöht, das absolute Risiko aber sehr gering. Daten aus Kasuistiken und Registerdaten deuten auf ein erhöhtes Herpes zoster-Risiko nach einer COVID-19-Impfung bei jüngeren Personen hin. Daten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) ergeben bislang keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Gürtelrose nach einer COVID-19-Impfung [6]. Hier sei aber zu berücksichtigen, dass in Deutschland eine Impfempfehlung zur Prophylaxe von Herpes zoster für Menschen über 60 und für Risikopersonen bestehe, so Schnuch. „Weitere Untersuchungen beispielsweise zu möglichen Pathomechanismen sind für eine abschließende Bewertung notwendig“, so das Fazit des Experten der AkdÄ.

Quelle:
  1. Schnuch (2022): Herpes zoster nach COVID-19-Impfung. Arzneiverordnungen in der Praxis, Ausgabe 3/2022
  2. Bhavsar et al. (2022): Increased Risk of Herpes Zoster in Adults ≥50 Years Old Diagnosed With COVID-19 in the United States. Open Forum Infectious Diseases, DOI: https://doi.org/10.1093/ofid/ofac118
  3. Barda et al. (2021): Safety of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Setting. New England Journal of Medicine, DOI: 10.1056/NEJMoa2110475
  4. Wan et al. (2022): Herpes zoster related hospitalization after inactivated (CoronaVac) and mRNA (BNT162b2) SARS-CoV-2 vaccination: A self-controlled case series and nested case-control study. The Lancet Regional Health, DOI: https://doi.org/10.1016/j.lanwpc.2022.100393
  5. Català et al. (2021): Cutaneous reactions after SARS-CoV-2 vaccination: a cross-sectional Spanish nationwide study of 405 cases. British Journal of Dermatology, DOI: https://doi.org/10.1111/bjd.20639
  6. Paul-Ehrlich-Institut (PEI): Sicherheit von COVID-19-Impfstoffen; abgerufen am 02.11.2022

 

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