
Unsere Skelettmuskulatur braucht Glukose, um effizient arbeiten zu können. Etwa 85% der im peripheren Blutstrom vorhandene Glukose wird durch die Skelettmuskeln eliminiert. Damit das möglich ist, bedarf es verschiedener Stimuli. Einer der Hauptstimuli ist das Insulin, aber auch Muskelkontraktionen, wie sie beispielsweise beim Training stattfinden, können die Glukoseaufnahme anregen. Das spielt eine wichtige Rolle bei Diabetes. Fehlt dem Körper Insulin oder sprechen Muskelzellen nicht mehr ausreichend auf eine Stimulation durch Insulin an, wird weniger Glukose aus dem Blutstrom aufgenommen und der Blutzuckerspiegel steigt. Deshalb ist ein besseres Verständnis der Mechanismen, die dafür sorgen, dass Glukose aus dem Blutstrom in Muskeln aufgenommen wird, wichtig.
GLUT4-Translokation
In beiden Fällen, sowohl der Insulinstimulation als auch der durch Muskelkontraktion, wird der Transporter GLUT4 an die Zelloberfläche transportiert, damit die Glukose aus dem Blutstrom aufgenommen werden kann. Der genaue Signalweg der GLUT4-Translokation ist weiterhin Thema vieler Forschungsvorhaben, vor allem im Kontext von sportlicher Betätigung.
AMPK-abhängiger Signalweg
Eine wichtiger Mechanismus, der die GLUT4-Translokation bei Muskelkontraktionenerklären könnte, hängt mit der Serin/Threonin-Proteinkinase AMPK zusammen. Sie wird durch AMP aktiviert. Das AMP wiederum steigt intrazellulär an, wenn der Muskel kontrahiert wird. Die AMPK lässt sich jedoch auch chemisch aktivieren, indem in vitro das synthetische AMP-Analogon AICAR hinzugegeben wird.
Rac1
Ein anderer wichtiger Mitspieler in der Translokation von GLUT4 an die Zelloberfläche ist das Rho GTPase Ras-related C4 Boulinumtoxinsubstrat 1 (Rac1). Im Gegensatz zu AMPK wird es durch mechanischen Stress oder Muskeldehnung während einer Muskelkontraktion aktiviert. Beiden ist jedoch gemein, dass sie in vielen Organismen vorhanden sind. Das lässt vermuten, dass sie eine wichtige Rolle spielen könnten, denn kombiniert machen sie fast die gesamte kontraktionsabhängige Glukoseaufnahme aus dem Blutstrom in die Skelettmuskulatur aus.
AMPK-Effektoren
Zwei der wichtigsten Downstream-Effektoren von AMPK sind die RabGPTase-activating Proteine (RabGAPs) TBC1D1 und TBC1D4. In Experimenten mit AICAR-Stimulation konnte in der Vergangenheit bereits gezeigt werden, dass in Tieren, die kein TBC1D1 haben (D1KO-Tiere), der Insulin- und AICAR-stimulierte Glukosetransport im glykolytischen Musculus extensor digitorum longus gestört ist, nicht aber im oxidativen Musculus soleus. In Knockoutmäusen für TBC1D4 (D4KO) ist es genau andersherum. Daraus entstand die Schlussfolgerung, dass TBC1D1 in glykolytischen Skelettmuskeln (weiße Muskelfasern) die dominante Form ist, während TBC1D4 vor allem in oxidativen Skelettmuskeln (rote Muskelfasern) und Adipozyten vorkommt.
Ähnlich verhält es sich mit dem GLUT4-Protein: D4KO-Mäusen haben einen GLUT4-Mangel in oxidativer Skelettmuskulatur und weißem Fettgewebe, D1KO-Mäuse in glykolytischer Skelettmuskulatur. Aber auch Mäuse, bei denen der AMPK-Signalweg gar nicht funktioniert, konnten bei Muskelkontraktion noch Glukose in die Muskelzellen aufnehmen, wenn auch weniger.
Das lässt ein Forscherteam vom Deutschen Diabetes-Zentrum aus Düsseldorf und München vermuten, dass der Mechanismus deutlich komplexer sein muss und es weitere, häufig inaktive Signalkaskaden geben könnte. Sie haben sich in einer Studie am Tiermodell näher mit dem Thema befasst. Die Daten wurden im Journal »Diabetes« veröffentlicht.
Zielsetzung
Die Laborstudie zielte darauf ab, zu untersuchen, welche Rolle TBC1D1, TBC1D4 und AMPK jeweils einzeln bei der Glukoseaufnahme in Skelettmuskeln spielen. Dafür wollten die Wissenschaftler die verschiedenen Signalachsen und die jeweilige metabolische Antwort auf Muskelkontraktionen untersuchen.
Methodik
Für das Forschungsvorhaben nutzte das deutsche Team fünf verschiedene Mausmodelle: Wildtyp (WT), transgenetische AMPKalpha2-DN (DN), AMPKalpha2-DN-D1KO (D1KO-DN), AMPKalpha2-DN-D4KO (D4KO-DN) und AMPKalpha-2-DN-Tbc1d1/Tbc1d4 (D1/4KO-DN) Mäuse.
Alle Tiere wurden unter Laborbedingungen verschiedenen Tests unterzogen: Mittels intraperitonealer Glukoseinjektionen bei seit 16 Stunden nüchternen Tieren wurde ein Glukosetoleranztest durchgeführt. An nicht nüchternen Tieren wurde zusätzlich ein AICAR-Toleranztests in ähnlicher Weise durchgeführt. Bei beiden Testes wurde den Tieren anschließend nach 0, 15, 30, 60 und 120 Minuten eine Blutprobe aus der Schwanzspitze entnommen und analysiert. Aus den Ergebnissen berechnete das Team den HOMA-IR (Insulin- und Glukoselevel HOMA der Insulinresistenz). Zusätzlich wurden das Plasmainsulin mittels ELISA und die nicht veresterten Fettsäuren mittels enzymatischer Kolorimetrie gemessen.
Die Glukoseaufnahme in die Skelettmuskulatur wurde in vivo untersucht, indem die Tiere auf einem Laufband laufen mussten und anschließend der Soleusmuskel und der Extensor digitorum longus (EDL) den betäubten Tieren entnommen, in verschiedenen Lösungen inkubiert - beispielsweise um Rac1 zu inhibieren - und anschließend sofort eingefroren wurden. Mittels SDS-PAGE, RNA-Extraktion und real-time quantitativer PCR wurden die Proben weiter analysiert und Glykogen- und Triglyzeridgehalte in den gesamten Tieren gemessen.
Ergebnisse
Zwischen den fünf verschiedenen Mausmodellen bestanden signifikante Unterschiede in der Fähigkeit, Glukose in den Skelettmuskeln aufzunehmen. Im Nüchternzustand glichen sich der Blutzucker- und der Plasmainsulinwert in allen Mausmodellen. Eine Stunde nach dem Refeeding nach 16-stündiger Fastenzeit hingegen änderte sich das bereits: Nun zeigten die D4KO und die D1/4KO-Mäuse im Vergleich zum Wildtyp erhöhte Blutzucker- und Plasmainsulinwerte. Einzige Ausnahme waren die D1KO-Mäuse. Sie hatten im Refeed-Status weder erhöhte Blutzuckerwerte, noch erhöhte Plasmainsulinlevel.
AMPK und Effektoren
Bei genauerer Analyse zeigten sich noch weitere Unterschiede zwischen den verschiedenen Tiergruppen: Bei allen erzeugte ein AMPK-Mangel eine schlechtere Performance auf dem Laufband. Muskelkontraktionsstimuliert war die Glukoseaufnahme im Musculus extensor digitorum longus (EDL) bei den D1/4KO-DN-Mäusen im Vergleich zum Wildtyp um ca. 50% reduziert. Auch der basale Glukosetransport war bei diesen Mäusen gestört - ebenso bei D1KO-Mäusen -, nicht aber bei D4KO-DN-Mäusen. Im oxidativen Musculus soleus hingegen gab es nur bei den D1/4KO-DN-Mäusen einen Unterschied: Nach Muskelkontraktion war die Glukoseaufnahme hier reduziert. Das Verhalten war hier also genau gegenteilig zum glykolytischen EDL-Muskel.
Auch die AMPKalpha-2-Mäuse zeigten Auffälligkeiten: Durch die Inaktivierung der AMPKalpha2 erschöpften die Tiere deutlich schneller als ihre Wildtyp-Artgenossen. D1KO-DN- und D1/4KO-DN-Mäuse waren zusätzlich in ihrer Lauffähigkeit beeinträchtigt. Zusätzlich entferntes TBC1D4 in D4KO-DN-Mäusen zeigte jedoch keinen stärkeren Effekt als die alleinige AMPK-Inaktivierung. Wurde hingegen Rac1 inhibiert, war vor allem im Wildtyp der kontraktionsstimulierte Glukosetransport gestört. D1/4KO-veränderte Muskeln zeigten gleichartige Verhaltensmuster, was die kontraktionsstimulierte Glukoseaufnahme im EDL betrifft.
GLUT4
Ähnliches wurde auch hinsichtlich des GLUT4 beobachtet. Im EDL-Muskel in D1KO-DN-Mäusen und D1/4KO-DN-Mäusen war er auf der Oberfläche weniger häufig zu finden, während er in den D4KO-DN-Mäusen unverändert war. Andersherum war es im Soleusmuskel. Hier war GLUT4 bei den D4KO-DN- und den D1/4KO-DN-Mäusen reduziert, nicht aber in den D1KO-DN-Mäusen.
Fazit
Wie sich fehlendes TBC1D1 und TBC1D4 auswirken, hängt also davon ab, in welchem Muskel jeweils untersucht wird. Im oxidativen Musculus soleus sorgt ein AMPK-Mangel bereits für eine schlechtere kontraktionsstimulierte Glukoseaufnahme. RabGAPs zusätzlich zu entfernen, hat keinen weiteren Effekt. Im glykolytischen Musculus extensor digitorum longus hingegen kann der Effekt von AMPK-Mangel durch Deletion von TBC1D1 noch weiter verstärkt werden, nicht jedoch durch TBC1D4. In allen Fällen bleibt aber weiterhin ein gewisses Maß an kontraktionsstimulierter Glukoseaufnahme möglich, solange die GTPase Rac1 funktionsfähig ist. Erst, wenn auch sie inhibiert wird, ist die Glukoseaufnahme ganz aufgehoben.
Einfluss auf Diabetes-Subtypen möglich
Die Ergebnisse stellen eine wichtige neue Erkenntnis in der Grundlagenforschung dar, denn sie zeigen neue Signalwege auf. „Dieser Signalweg, den wir wissenschaftlich als AMPK/Rac1 bezeichnen, stellt eine Art natürlichen Reservemechanismus dar und könnte für die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe für die Behandlung von Insulinresistenz und Diabetes genutzt werden“, sagt Professor Al-Hasani, Direktor des Instituts für Klinische Biochemie und Pathobiochemie am Deutschen Diabetes-Zentrum. „Die Rolle dieses Mechanismus bei der Entwicklung von verschiedenen Subtypen des Diabetes, insbesondere bei geringer Verbesserung der Blutglukose durch regelmäßigen Sport sollte in künftigen Studien weiter untersucht werden“, ergänzt er.