Humaninsuline

Humaninsuline werden zur Therapie von Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sowie nach Pankreatektomie eingesetzt. Es existieren Normalinsuline und Verzögerungsinsuline.

Anwendung

Humaninsuline werden zur Behandlung sowohl des Diabetes mellitus Typ 1 als auch des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt, um den Mangel an Insulin auszugleichen. Auch nach einer Pankreatektomie muss eine Therapie mit Insulin erfolgen. Insulin wird in Internationalen Einheiten (IE) nach Maßgabe seiner blutzuckersenkenden Wirksamkeit dosiert. Humaninsuline werden in der Regel unter die Haut gespritzt. Bei den kurz wirksamen Normalinsulinen sollte ein Spritz-Ess-Abstand von 20 - 30 Minuten eingehalten werden.

Wirkmechanismus

Humaninsuline unterscheiden sich in ihrer Aminosäuresequenz nicht von dem in der menschlichen Bauchspeicheldrüse gebildeten körpereigenen Insulin. Humaninsulin kann gentechnologisch mit Hilfe von Bakterien oder Hefepilzen oder enzymatisch aus Schweineinsulin (durch Austausch einer Aminosäure) hergestellt werden. Präparate aus gereinigtem Schweineinsulin sind in Europa seit dem Jahr 2015 nicht mehr verfügbar.

Humaninsuline kompensieren einen Mangel an körpereigenem Insulin. Durch Bindung an Insulinrezeptoren in Muskel- und Fettzellen mobilisieren sie Glukosetransporter. Dadurch wird die Aufnahme von Glukose (Blutzucker) in den Intrazellulärraum erhöht und der Blutzuckerspiegel sinkt. Bei der Bindung von Insulin an seinen Rezeptor werden zahlreiche Signalkaskaden aktiviert. Die Wirkungen auf den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel setzen dabei innerhalb von Sekunden bis Minuten ein. Dagegen erfordern andere Wirkungen des Insulins wie z. B. die Steigerung der Proteinsynthese und Änderung der Transkription mehrerer Gene oder die Stimulation des Zellwachstums einige Stunden bzw. Tage.

Normalinsuline und Verzögerungsinsuline

Je nach Wirkungsdauer bei der Blutzuckersenkung unterscheidet man Normalinsuline (früher Altinsulin) und Verzögerungsinsuline. Die Wirkung der Normalinsuline setzt relativ rasch ein und hält nur wenige Stunden an während die Verzögerungsinsuline nicht so schnell wirken, dafür aber länger. Verzögerungsinsuline müssen folglich nicht so häufig gespritzt werden. Entsprechend ihres Protamin-Bestandteils werden sie auch als NPH-Insuline bezeichnet (NPH = Neutrales Protein Hagedorn). Im Gegensatz zu den klaren Lösungen des Normalinsulin handelt es sich bei den Verzögerungsinsulinen um Suspensionen. Damit verbunden sind erhebliche Nachteile wie z. B. Dosierungsfehler und ungleichmäßiges Wirkprofil.

Insulin

Pharmakokinetik

Normalinsulin (kurzwirksames Humaninsulin):

  • Resorption: Normalinsulin beginnt etwa 30 Minuten nach subkutaner Injektion zu wirken.
  • Wirkbeginn: Der Blutzuckerspiegel beginnt in der Regel etwa 30 Minuten nach der Injektion zu sinken.
  • Wirkungshöhepunkt: Die maximale Wirkung wird typischerweise nach 2 bis 3 Stunden erreicht.
  • Wirkdauer: Die Gesamtdauer der Wirkung beträgt etwa 5 bis 8 Stunden, was eine zeitliche Abstimmung zwischen Injektion und Nahrungsaufnahme erforderlich macht.
  • Plasmaspiegel: Nach der Injektion steigt der Insulinspiegel im Plasma relativ schnell an, erreicht seinen Höhepunkt nach etwa 2 bis 3 Stunden und fällt danach allmählich ab.

NPH-Insulin (intermediär wirksames Humaninsulin):

  • Resorption: NPH-Insulin hat einen verzögerten Wirkungseintritt aufgrund seiner speziellen Formulierung, bei der Insulin mit Protamin stabilisiert wird, um die Freisetzung zu verlangsamen.
  • Wirkbeginn: Der Beginn der Wirkung liegt in der Regel 1 bis 2 Stunden nach der Injektion.
  • Wirkungshöhepunkt: Der maximale Effekt tritt typischerweise nach 4 bis 6 Stunden ein.
  • Wirkdauer: Die Wirkung von NPH-Insulin hält normalerweise 12 bis 18 Stunden an, weshalb es oft zweimal täglich verabreicht wird, um eine 24-Stunden-Abdeckung zu gewährleisten.
  • Plasmaspiegel: Der Insulinspiegel im Plasma steigt langsamer an als bei Normalinsulin und zeigt eine längere Halbwertszeit.

Vergleich der Pharmakokinetik zwischen Normalinsulin und NPH-Insulin:

  • Wirkbeginn und Wirkungsdauer: Normalinsulin hat einen schnelleren Wirkungseintritt und eine kürzere Wirkungsdauer im Vergleich zu NPH-Insulin, das langsamer wirkt und eine längere Wirkung hat.
  • Anwendung: Normalinsulin wird typischerweise 30 Minuten vor den Mahlzeiten verwendet, während NPH-Insulin als Basalinsulin zur Deckung des Insulinbedarfs zwischen den Mahlzeiten und über Nacht dient.

Dosierung

Die Dosierung von Humaninsulinen erfordert eine individuelle Anpassung, die auf den spezifischen Bedürfnissen des Patienten, dem Blutzuckermuster und dem Lebensstil basiert. Humaninsuline wie Normalinsulin (kurzwirksam) und NPH-Insulin (intermediär wirksam) werden häufig in Kombination verwendet, um sowohl den postprandialen Blutzuckeranstieg als auch den basalen Insulinbedarf abzudecken.

  • Normalinsulin: Normalinsulin wird typischerweise etwa 30 Minuten vor den Mahlzeiten verabreicht, um den postprandialen Blutzucker zu kontrollieren. Die Dosis richtet sich nach der geplanten Kohlenhydrataufnahme und dem aktuellen Blutzuckerspiegel und liegt oft bei etwa 4-6 Einheiten pro Mahlzeit oder 0,1 bis 0,2 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht.
  • NPH-Insulin: NPH-Insulin wird in der Regel ein- oder zweimal täglich verabreicht, um den basalen Insulinbedarf zu decken. Es wird häufig vor dem Frühstück und/oder vor dem Schlafengehen injiziert. Die tägliche Gesamtdosis liegt typischerweise zwischen 0,2 und 0,4 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht, aufgeteilt auf eine oder zwei Injektionen.

Eine regelmäßige Überwachung des Blutzuckerspiegels ist entscheidend, um die Dosierung von Humaninsulinen optimal anzupassen und das Risiko von Hypoglykämien zu minimieren. Patienten sollten zudem geschult werden, wie sie ihre Dosis basierend auf ihrer täglichen Nahrungsaufnahme, körperlicher Aktivität und Blutzuckermessungen anpassen können.

Nebenwirkungen

Unter der Anwendung von Humaninsulinen können folgende Nebenwirkungen auftreten:

  • Hypoglykämie
  • Gewichtszunahme
  • Vorübergehende Refraktionsanomalie (zu Therapiebeginn)
  • Lipohypertrophie des subkutanen Fettgewebes
  • Allergische Reaktionen (Lokal oder sehr selten generalisiert als anaphylaktischer Schock)
  • Mitogene Wirksamkeit.

Wechselwirkungen

Verstärkung der hypoglykämischen Wirkung

Die hypoglykämische Wirkung von Humaninsulinen kann durch die gleichzeitige Anwendung anderer Substanzen, Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen verstärkt werden. Dazu gehören z. B.:

Die Erholung des Blutzuckers nach einer insulininduzierten Hypoglykämie kann durch Propranolol beeinträchtigt werden. Nichtkardioselektive Betablocker und Clonidin können die Symptome einer Hypoglykämie maskieren.

Abschwächung der hypoglykämischen Wirkung

Die hypoglykämische Wirkung von Humaninsulinen kann durch die gleichzeitige Anwendung anderer Substanzen, Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen abgeschwächt werden. Dazu gehören z. B.:

Somatostatin-Analoga können sowohl zu einer Erhöhung als auch zu einer Senkung des Insulinbedarfs führen.

Kontraindikationen

Kontraindikationen für die Anwendung von Humaninsulinen sind:

  • Überempfindlichkeit
  • Hypoglykämie
  • Insulinom

Wirkstoffe

Kurz wirksame Humaninsuline

Normalinsulin (auch bekannt als Altinsulin oder Neutralinsulin)

  • Handelsnamen: Actrapid®, Huminsulin® Normal, Insuman® Rapid

Intermediär wirksame Humaninsuline

NPH-Insulin (Neutral Protamin Hagedorn-Insulin)

  • Handelsnamen: Insulatard®, Huminsulin® Basal, Insuman® Basal

Mischinsuline (Kombinationen von Normal- und NPH-Insulin)

Mischinsuline (z. B. 30/70, 50/50)

  • Handelsnamen: Huminsulin® Profil 30/70, Insuman® Comb

Alternativen

Insulinanaloga werden ebenfalls bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes verwendet, haben aber einige spezifische Vorteile, die sie besonders in bestimmten Szenarien bevorzugt machen:

  • Typ-1-Diabetes: Insulinanaloga werden häufig in der intensivierten Insulintherapie (Basis-Bolus-Therapie) eingesetzt. Diese Therapieform ermöglicht eine genauere Anpassung der Insulindosis an die Mahlzeiten und die Blutzuckerspiegel. Kurz wirksame Insulinanaloga wie Insulin lispro oder Insulin aspart bieten eine schnellere Wirkung und eine kürzere Wirkungsdauer, wodurch das Risiko von postprandialen Hypoglykämien verringert wird. Langwirksame Insulinanaloga wie Insulin glargin oder Insulin degludec sorgen für eine stabile Basalinsulinversorgung mit einem geringeren Risiko für nächtliche Hypoglykämien.
  • Typ-2-Diabetes: Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die eine intensivere Insulintherapie benötigen oder bei denen Humaninsuline zu häufigen Hypoglykämien führen, sind Insulinanaloga eine vorteilhafte Option. Langwirksame Insulinanaloga wie Insulin glargin oder Insulin degludec bieten eine gleichmäßige Insulinversorgung über 24 Stunden oder länger und reduzieren das Risiko für Hypoglykämien. Diese Eigenschaft macht sie besonders geeignet für die Basalinsulintherapie bei Typ-2-Diabetes.
  • Spezielle Situationen: Insulinanaloga sind besonders nützlich für Patienten, die eine hohe Flexibilität bei der Nahrungsaufnahme und den Insulininjektionen benötigen. Dies gilt insbesondere für Menschen mit unregelmäßigen Essenszeiten oder für Schichtarbeiter, bei denen die Flexibilität der Insulintherapie ein entscheidender Vorteil sein kann. Die rasche Wirkung und kürzere Wirkungsdauer der kurzwirksamen Insulinanaloga bieten hier eine bessere Anpassung an wechselnde Tagesabläufe.
Quelle:

Aktories K. et al., Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2017, 12. Auflage

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