Diabetes-Subgruppen haben unterschiedliche Biomarkerprofile

Diabetes wird zunehmend häufiger in fünf statt zwei Subgruppen unterteilt. Bisher geschah diese Unterteilung vor allem anhand von Alter und Stoffwechseleigenschaften. Mit Biomarkern könnten bald weitere, spezifischere Charakteristika hinzukommen.

Forscher wertet Ergebnisse aus

Diabetes mellitus gehört zu den großen Volkskrankheiten in Deutschland. Er verursacht nicht nur hohe jährliche Kosten, sondern kann mit viel Leid für die Betroffenen einhergehen. Nicht selten entstehen bei Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit weitere Folgeerkrankungen, die direkt oder indirekt auf die diabetische Vorbelastung zurückzuführen sind. Sie scheinen bei manchen Personen gehäufter aufzutreten als bei anderen, werden jedoch bisher in der Risikostratifizierung und der Klassifikation verschiedener Diabetes mellitus-Typen nicht ausreichend bedacht.

Neue Einteilung in fünf Subtypen

Klassischerweise wird zwischen einem Typ 1 und einem Typ 2 unterschieden. Diese Einteilung ist jedoch umstritten, da sie die verschiedenen Subtypen nur unzureichend charakterisiert. Deshalb wurde in den letzten Jahren viel zu neuen Subtypeneinteilungen geforscht. Eine Einteilung ist die Klassifikation in fünf Subtypen gemäß den folgenden sechs Parameter.

  • Body-Mass-Index (BMI)
  • Alter bei Diagnose
  • HbA1c
  • HOMA-2 (Homeostasis Model Assessment) Schätzungen der Funktion von beta-Zellen
  • Insulinresitenz
  • GAD (Glutaminsäure Decarboxylase) Antikörpern (GADA).

Die daraus entstandenen Subtypen sind

  • Severe autoimmune diabetes (SAID)
  • Severe insulin-deficient diabetes (SIDD)
  • Mild obesity-related diabetes (MOD)
  • Mild age-related diabetes (MARD)
  • Ssevere insulin-resistand diabetes (SIRD)

Präzisere Einteilung mit Entzündungsparametern?

Ob die Subtypen sich wirklich nur in den sechs Parametern unterscheiden, oder es noch weitere und möglicherweise präzisere Parameter gibt, ist ein großes Thema der Forschung. Zu möglichen weiteren Parametern gehören Entzündungsparameter. Sie können beispielsweise bei chronischen Entzündungen erhöht sein, die wiederum seit längerem als mögliche Ursache für viele im Alter zunehmende Erkrankungen gehandelt werden. Für Diabetes wurde bisher hier jedoch nur der hs-CRP (hochsensitives C-reaktives Protein)-Wert untersucht. Weitere Biomarker wurden vor allem in Bezug auf die neue Subgruppeneinteilung nicht untersucht.

Zielsetzung:

Mit den fünf Subtypen des Diabetes mellitus und der Frage nach möglichen Biomarkern für Entzündungen als weitere Parameter hat sich nun auch ein Forscherteam um Christian Herder vom Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ) befasst. Sie vermuteten, dass die verschiedenen Subgruppen sich nicht nur hinsichtlich der eingangs erwähnten sechs Parameter unterscheiden. Sie glaubten, dass sie sich auch darin unterscheiden, wie hoch Biomarker für Entzündungen im Blut der Patientinnen und Patienten sind. Diese Biomarker könnten diabetesbedingte Komplikationen befördern oder beeinflussen.

Methodik:

In die Querschnittsstudie eingeschlossen wurden 414 Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 69 Jahren. Alle waren erst im Erwachsenenalter und kürzlich mit einem Diabetes diagnostiziert worden. Die Diabetesdiagnose wurde gemäß der Regeln der American Diabetes Association gestellt. Es wurden - neben weiteren Ausschlusskriterien - nur Patientinnen und Patienten aufgenommen, die einen HbA1c <9,0% hatten. Die Teilnehmenden waren bereits Teil der Deutschen Diabetes-Studie (GDS), einer fortlaufenden prospektiven Beobachtungsstudie.

Messung der Biomarker

Gemessen wurden verschiedene Biomarker im Serum der nüchtern zur Blutabnahme gekommenen Patientinnen und Patienten. Für die Biomarkerbestimmung nutzte das Team das Inflammation Panel von Olink Proteomics, mit dem insgesamt 92 verschiedene Proteinbiomarker gemessen werden können. Verwendet wurden davon 74 Biomarker, die mit Entzündungen in Verbindung stehen.

Klassifizierung und Auswertung

Die Daten wurden gemäß der GDS-Kohorte geclustert. Für das Clustering nutzte das Team die bereits früher eingesetzte Diabetes-Subgruppen, hier basierend auf Alter bei Diagnose, dem BMI, HbA1c, HOMA2-B, HOMA2-IR und GADA. Die Einordnung basierte auf den geschlechtsspezifischen Klassifikationsregeln von Alhqvist et al. in die fünf Subtypen des Diabetes [1]. Anschließend wurden die Daten mittels verschiedener statistischer Tests und Modellen analysiert - mit Model 1 und Model 2. Model 1 ist vor der Anpassung an die geclusterten Variablen und Model 2 danach. Beide Modelle wurden mit GLMs (Generalized Linear Models) analysiert.

Ergebnisse:

Dem Forscherteam gelang es, mit der Studie seine eigene Hypothese zu bestätigen: Die fünf Diabetes-Subgruppen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Alters und der Stoffwechseleigenschaften - auch bezüglich der Biomarker für Entzündungen lassen sich signifikante Unterschiede feststellen.

Drei Hauptbiomarker entdeckt

So waren Biomarker in der SIRD-Subgruppe am höchsten und in der SIDD-Subgruppe am niedrigsten. Über alle fünf Subgruppen verteilt fand das Team die größten gepaarten Unterschiede für die Biomarker Caspase-8 (CASP-8), Macrophage colony-stimulating factor 1 (CSF-1), Fibroblast growth factor-21 (FGF-21), Hepatocyte growth factor (HGF) und Interleukin-6 (IL-6). Nach Adjustierung blieben die Biomarker CASP-8, EN-RAGE und IL-6. CASP-8 befördert den programmierten Zelltod, unter anderem vermutlich auch der beta-Zellen bei Diabetes. EN-RAGE triggert Signalwege, die dazu führen, dass mehr Zytokine produziert werden und Chemotaxie und oxidativer Stress steigen. Auch dieser Biomarker steht schon länger im Verdacht, mit Typ-2-Diabetes zusammen zu hängen. Der dritte Biomarker, IL-6, hängt mit Entzündungen in Fettgewebe zusammen. Er fördert unter anderem positive Trainingseffekte, stimuliert indirekt die Sekretion von Insulin und könnte so metabolischem Stress und einer Insulinresistenz entgegenwirken.

Unterscheidung zwischen Subtypen nicht eindeutig

Interessanterweise konnten für die Subgruppen MARD, MOD und SAID jedoch keine deutlichen Unterschiede in den Biomarkern gefunden werden. Dort blieben das Alter bei Diagnose, die Anthropometrie und die metabolischen Variablen die deutlicheren Charakteristika. Das könnte allerdings, so die Autoren, auch an den Limitierungen der Studie durch das verwendete Biomarker-Panel liegen. Denn manche Biomarker, die vielleicht für Diabetes relevant sein könnten, wurden nicht mitgetestet, wie beispielsweise wichtige Zytokine wie IL-1beta.

Limitationen

Die Studie ist jedoch einigen Limitierungen unterworfen, wie die Autoren selbst berichten: Zum einen wurden nur Patientinnen und Patienten im ersten Jahr nach der Diagnose getestet. Einen Vergleich zum Zustand vor Beginn der Erkrankung gibt es nicht. Langfristige Daten fehlen. In den ersten fünf Jahren nach der Diagnose können signifikante Veränderungen in der Erkrankung auftreten, die dafür sorgen würden, dass Patientinnen und Patienten neu geclustert werden müssten. Auch die niedrigen Zahlen in der SIRD- und SIDD-Subgruppe könnten die Ergebnisse beeinflusst haben, zumal Patientinnen und Patienten mit einer schlechten glykämischen Kontrolle nicht an der Studie teilnehmen durften.

Fazit:

Schon länger werden Entzündungsfaktoren als mögliche Ursache für Komplikationen bei Diabetes mellitus gehandelt. Auch die veränderte Einteilung des Diabetes findet mehr und mehr Raum in der klinischen Anwendung. Mit den Ergebnissen aus dieser Studie zu Biomarkern zeigt sich laut der Autoren noch einmal mehr, dass es Subgruppen zu geben scheint und sich diese nicht nur im Alter bei der Diagnose und den Stoffwechseleigenschaften unterscheiden. Für die Früherkennung von möglichen Folgeerkrankungen und Komplikationen bei Diabetes könnte das entscheidend werden. Bisher davon ausgenommen sind die drei Subgruppen SAID, MARD und MOD, denn diese unterschieden sich in ihren Biomarkern nicht klar.

Entzündungsprozesse beeinflussen Erkrankung in SIRD-Gruppe

Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie ist aber wohl, dass besonders die SIRD-Gruppe mit ihren Werten heraussticht. Diese Subgruppe betrifft zwar wenige Patientinnen und Patienten, diese haben aber ein deutlich größeres Risiko, Komorbiditäten zu entwickeln, die direkt mit ihrer Grunderkrankung, dem Diabetes mellitus, zusammenhängen.

„Dieser Zusammenhang zwischen hohen Werten von Entzündungsmarkern und ausgeprägter Insulinresistenz deutet auf einen besonderen Beitrag von Entzündungsprozessen in der SIRD-Untergruppe hin“, sagt Christian Herder, der Erstautor der Studie. „Es wird noch einige Jahre dauern, bis wir aus diesen Erkenntnissen eine konkrete Empfehlung für die Diabetestherapie ableiten können, aber die Ergebnisse sind für Diabetes-Komplikationen und ihr Verständnis äußerst relevant. Zukünftige Studien müssen untersuchen, inwieweit Unterschiede in den Profilen der entzündungsbezogenen Biomarker die Unterschiede zwischen den Diabetes-Subgruppen hinsichtlich ihres Risikos, diabetesbedingte Komplikationen zu entwickeln, erklären können.“

Autor:
Stand:
05.07.2021
Quelle:
  1. Herder C. Et al. Differences in Biomarkers of Inflammation Between Novel Subgroups of Recent-Onset Diabetes. Diabetes 2021; 70(5):1198-1208. DOI: 10.2337/db20-1054
  2. McBane. Neue Diabetes-Subgruppen zeigen unterschiedliche Entzündungsreaktionen. Pressemitteilung des Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ). 08. April 2021. Online. URL: https://ddz.de/neue-diabetes-subgruppen-zeigen-unterschiedliche-entzuendungsreaktionen/ [zuletzt aufgerufen am 30. Juni 2021]
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige