Diabetes durch COVID-19? DDG zweifelt amerikanische Studie an

Die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) hat in einer Pressemitteilung Zweifel an der Aussagekraft einer amerikanischen Studie der Gesundheitsbehörde CDC geäußert, die auf ein erhöhtes Diabetesrisiko bei Kindern und Jugendlichen nach einer COVID-19-Erkrankung hinweist.

Kind Corona Diabetes

In einer Studie der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC (Center for Disease Control and Prevention) zeigte sich ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Coronavirus-Infektion und einer anschließenden Diabeteserkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Die Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) hat sich in einer Pressemitteilung zu den Ergebnissen der Studie kritisch geäußert, da die Methodik erhebliche Schwächen aufweise.

COVID-19 und Diabetesrisiko

Die CDC untersuchte bei Patienten im Alter von unter 18 Jahren das Risiko ab 30 Tagen nach einer COVID-19-Erkankung eine Diabetesdiagnose zu erhalten. Dazu wurden insgesamt 500.000 Patienten aus zwei verschiedenen Gesundheitsdatenbanken (IQVIA und HealthVerity) betrachtet.

Für eine der Kohorten wurde bei Patienten mit einer Coronavirus-Infektion ein erhöhtes Diabetesrisiko von 31% (HR 1,31, 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,20-1,44) und für die andere von 166% (HR 2,66, 95%-KI 1,64-2,86) im Vergleich zu jeweiligen Gruppen nicht infizierter Personen ermittelt. Dies deute auf ein erhöhtes Diabetesrisiko bei Personen unter 18 Jahren mit COVID-19 hin und unterstreiche die Wichtigkeit von Präventionsmaßnahmen gegen das Coronavirus in dieser Altersklasse, so die Studienautoren.

DDG kritisiert Methodik

Die DDG steht den Ergebnissen der amerikanischen Studie kritisch gegenüber. Die erhebliche Diskrepanz des Diabetesrisikos der beiden Kohorten liefere kein eindeutiges Studienergebnis, so Professor Dr. med. Andreas Neu, kommissarischer ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Tübingen und Präsident der DDG.

Keine Unterscheidung der Diabetestypen

Eine weiterer Mangel der Studie sei, dass bei der Auswertung keine Unterscheidung zwischen Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 vorgenommen wurde. Ohne diese Trennung sei eine Gesamteinschätzung kaum möglich, so Neu. Bei Jugendlichen in den USA ist die Häufigkeit von Typ-2-Diabetes deutlich höher als in Europa. Aus diesem Grund lassen sich die amerikanischen Daten auch nicht eins zu eins übertragen.

Nichtbeachtung von Risikofaktoren

Neben der Diabetesform schließt die Untersuchung der CDC auch keine Risikofaktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Körpergewicht und einen möglichen Prädiabetes ein. Diese dürften bei einer solchen Erhebung aber nicht fehlen, so Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG und stellvertretender Direktor der medizinischen Klinik IV am Universitätsklinikum Tübingen.

Zu kleine Fallzahlen

Auch die vergleichsweise geringen Fallzahlen der Studie lassen laut DDG keine Rückschlüsse auf ein Gesamtbild der Situation zu. „Dass acht von 10.000 Kindern nach einer COVID-19-Infektion und drei von 10.000 Kindern ohne vorherige Infektion einen Diabetes bekommen, ist kein großer Unterschied“, erklärt Gallwitz.

Ergebnisse geben keinen Grund zur Sorge

Die DDG sehe aufgrund der aufgeführten Mängel derzeit keinen Grund aus den amerikanischen Daten Handlungskonsequenzen zu ziehen oder sich über die derzeitige Situation hinaus Sorgen zu machen. Neu räumt zwar ein, es sei grundsätzlich denkbar, dass SARS-CoV-2 einen Typ-1-Diabetes auslösen kann, da Virusinfektionen einen Risikofaktor für prädisponierte Personen darstellen. „Dass dies jedoch innerhalb von 30 Tagen stattfindet (…) ist sehr unwahrscheinlich. Wir sprechen hier von einer mittel- oder langfristigen Entstehung dieses Krankheitsbildes“, ergänzt Gallwitz.

Kausaler Zusammenhang unwahrscheinlich

Auch eine aktuelle europäische Studie, die im Journal »Diabetes Care« veröffentlicht wurde, betrachtet den Zusammenhang zwischen einer Infektion mit dem Coronavirus und dem Auftreten von Typ-1-Diabetes. Die Untersuchung basiert auf Daten des DPV-Registers, einem Diabetesregister aus dem deutschsprachigen Raum. Während zu Beginn der Pandemie kein signifikanter Unterschied festgestellt werden konnte, zeigte sich nach zwei Jahren eine deutliche Zunahme der Inzidenz. Weder Gallwitz noch die Studienautoren vermuten hierbei jedoch einen kausalen, sondern eher einen indirekten Zusammenhang.

Es seien weitere Langzeitstudien mit verlässlichen nötig. Das DPV-Register biete dafür eine solide und umfangreiche Basis. Auch ein von der DDG seit einigen Jahren gefordertes Nationales Diabetesregister sowie die elektronische Diabetes Akte (eDA) könnten künftige Auswertungen deutlich verbessern und erleichtern sowie die Daten aus dem DPV-Register sinnvoll ergänzen.

Autor:
Stand:
27.01.2022
Quelle:
  1. DDG: Pressemitteilung – Deutsche Diabetes Gesellschaft zweifelt an US-Studie zu Häufigkeit von Diabetes bei Kindern nach COVID-19-Infektion (27.01.2022)
  2. Barrett CE, Koyama AK, Alvarez P, et al. Risk for Newly Diagnosed Diabetes >30 Days After SARS-CoV-2 Infection Among Persons Aged <18 Years — United States, March 1, 2020–June 28, 2021. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2022;71:59–65. DOI: 10.15585/mmwr.mm7102e2
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