Diabetes beeinträchtigt Schwangerschaften

In einer Kohortenstudie fanden Forscher Hinweise darauf, dass Diabetes mit unerwünschten Schwangerschaftsergebnissen verbunden ist und identifizierten den HbA1c-Wert, Deprivation und Typ-2-Diabetes als unabhängige und modifizierbare Risikofaktoren für den perinatalen Tod.

Schwangere Diabetes

Hintergrund

Diabetes in der Schwangerschaft ist mit Frühgeburten, extremen Geburtsgewichten und einer erhöhten Rate an angeborenen Anomalien, Totgeburten und dem Tod von Neugeborenen verbunden.

Zielsetzung

Wissenschaftler um Prof. Helen Murphy von der University of East Anglia in Norwich, Großbritannien, hatten es sich zum Ziel gesetzt, modifizierbare Risikofaktoren, die mit ungünstigen Schwangerschaftsergebnissen bei Frauen mit Typ-1- (T1D) und Typ-2-Diabetes (T2D) verbunden sind, zu identifizieren und zu vergleichen und Mutterschaftskliniken mit guten Ergebnisraten zu identifizieren. Ihre Ergebnisse publizierten sie in der Fachzeitschrift Lancet Diabes & Endocrinology [1].

Methodik

In dieser nationalen bevölkerungsbasierten Kohortenstudie nutzten die Wissenschaftler Daten zu Schwangerschaften bei Frauen mit T1D oder T2D, die in den ersten fünf Jahren des National Pregnancy in Diabetes-Audits in 172 Entbindungskliniken in Großbritannien (England, Wales und auf der Isle of Man) erhoben worden waren. Sie extrahierten Daten über geburtshilfliche Komplikationen, wie Frühgeburt (Geburt vor der 37. Schwangerschaftswoche), ein für das Gestationsalter großes Geburtsgewicht (large for gestational age [LGA] birthweight) (> 90. Perzentil) und unerwünschte Schwangerschaftsergebnisse (angeborene Anomalie, Totgeburt, Tod des Neugeborenen) für Schwangerschaften, die zwischen 1. Januar 2014 und 31. Dezember 2018 abgeschlossen worden waren.

Die Wissenschaftler untersuchten Zusammenhänge zwischen veränderbaren Risikofaktoren (HbA1c [glykiertes Hämoglobin]-Wert, BMI [Body-Mass-Index], Betreuung vor der Schwangerschaft, Entbindungsklinik) und nicht veränderbaren Risikofaktoren (Alter, ethnische Zugehörigkeit, Deprivation, Dauer des T1D) mit Schwangerschaftsergebnissen bei Frauen mit T1D im Vergleich zu denen bei Frauen mit T2D. Sie berechneten Assoziationen zwischen mütterlichen Faktoren und perinatalen Todesfällen unter Verwendung eines Regressionsmodells, welches auch Diabetesart und -dauer, das Alter der Mutter, den BMI, den Deprivationsstatus, den HbA1c-Wert im ersten Trimester, den präkonzeptionellen Folsäurespiegel, potenziell schädliche Medikamente und den HbA1c-Wert im dritten Trimester berücksichtigte.

Ergebnisse

Die Forscher arbeiteten mit Datensätzen zu insgesamt 17.375 Schwangerschaftsergebnisse bei 15.290 schwangeren Frauen. 8.690 (50,0%) von 17.375 Schwangerschaften lagen bei Frauen mit Typ-1-Diabetes vor. Ihr Durchschnittsalter bei der Entbindung betrug 30 Jahre, die mittlere Dauer der Diabeteserkrankung 13 Jahre. 8.685 (50,0%) der Schwangerschaften lagen bei Frauen mit T2D vor. Ihr Durchschnittsalter bei der Entbindung betrug 34 Jahre, die mittlere Dauer der Diabeteserkrankung drei Jahre.

Die Raten an Frühgeburten und Kindern mit hohem Geburtsgewicht waren bei Frauen mit T1D signifikant höher als bei Frauen mit T2D. Die Prävalenz angeborener Anomalien, Abbrüche und fetaler Verluste sowie Totgeburten unterschieden sich für Schwangerschaften von Frauen mit T1D nicht signifikant von denen von Frauen mit T2D. Die Neugeborenensterblichkeit war bei Müttern mit T2D höher als bei Müttern mit T1D (siehe Tabelle).

 Typ-1-DiabetesTyp-2-Diabetes 
Frühgeburten (Rate)3.325 (42,5%)
[n = 7.825]
1825 (23,4%)
[n = 7.815]
p < 0,0001
Hohes Geburtsgewicht (Rate) (LGA)4.095 (52,2%)
[n = 7.845]
2065 (26,2%)
[n = 7.885]
p < 0,0001
Angeborene Anomalien, Abbrüche und fetale Verluste44,8 pro 1.000 Lebendgeburten40,5 pro 1.000 Lebendgeburtenp = 0,17
Totgeburten10,4 pro 1.000 Lebend- und Totgeburten13,5 pro 1.000 Lebend- und Totgeburtenp = 0,072
Neugeborenensterblichkeit7,4 pro 1.000 Lebendgeburten11,2 pro 1.000 Lebendgeburtenp = 0,013

In der gesamten Studienpopulation wurden folgende unabhängige Risikofaktoren für den perinatalen Tod (Totgeburt oder Tod des Neugeborenen) identifiziert:

  • HbA1c-Wert von ≥6,5% im dritten Trimester (48 mmol/mol)
    (Odds Ratio [OR] 3,06 [95%-KI 2,16 – 4,33] gegenüber HbA1c <6,5%)
  • Hohes Ausmaß an Deprivation
    (OR 2,29 [95%-KI 1,16 – 4,52] für Frauen im oberen 20%-Bereich gegenüber Frauen im unteren 20%-Bereich)
  • Vorliegen von T2D
    (OR 1,65 [95%-KI 1,18 – 2,31] gegenüber Vorliegen von T1D)

Variationen bei HbA1c-Werten und hohen Geburtsgewichten (LGA) waren mit mütterlichen Merkmalen (Alter, Diabetesdauer, Deprivation, BMI) assoziiert, ohne dass wesentliche Unterschiede zwischen den Entbindungskliniken beobachtet wurden.

Fazit

Die Wissenschaftler sehen in ihren Daten einen Beleg dafür, dass bei Frauen mit T1D oder T2D immer noch unerwünschte Schwangerschaftsergebnisse auftreten. Mütterliche Blutzuckerregulation und BMI sind die wichtigsten modifizierbaren Risikofaktoren. Keine Entbindungsklinik zeichnete sich durch deutlich bessere Ergebnisse gegenüber anderen aus. Für die Wissenschaftler ist dies ein Hinweis darauf, dass in allen Kliniken Änderungen in der Versorgung von Schwangeren mit Diabetes erforderlich sind.

Quelle:

Murphy et al. (2021) Characteristics and outcomes of pregnant women with type 1 or type 2 diabetes: a 5-year national population-based cohort study. The Lancet Diabetes & Endocrinology, DOI: 10.1016/S2213-8587(20)30406-X

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