Entzündungs-Marker als Risikofaktoren für diabetische Neuropathie identifiziert

Sechs neue Biomarker entzündlicher Prozesse sollen zukünftig helfen, schon früh das Risiko für die Entwicklung einer Neuropathie zu erkennen. Zudem wurde entdeckt, dass neben dem angeborenen auch das adaptive Immunsystem die Entwicklung der Erkrankung beeinflusst.

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Rund 30% der Patienten mit Diabetes entwickeln als Komplikation eine Polyneuropathie. Brennende und kribbelnde Füße als charakteristisches Früh-Symptom können sogar schon vor Manifestation der Diabetes-Erkrankung auftreten. Dennoch ist die Dunkelziffer bei diabetischer Neuropathie hoch. Häufig wird die Diagnose nicht gestellt, obwohl typische Anzeichen dafür sprechen. Auch weiß man bis heute nur wenig über die Entstehung dieser Nervenschädigung – was wiederum die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt.

Zur Erleichterung der Diagnose und Verbesserung der Behandlungsoptionen haben Forscher des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) Düsseldorf in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Helmholtz Zentrums München zahlreiche Biomarker von Entzündungsprozessen analysiert. Dabei identifizierten sie sechs Marker, die bei der Entstehung für die distale sensorische Polyneuropathie (DSPN) charakteristisch sind. Die Ergebnisse ihrer Studie publizierten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Diabetes [1].

Schwerpunkt der Studie: Entzündungs-Marker und Immunaktivierung

Bisherige prospektive Analysen zu Entzündungs-Markern in Assoziation mit der distalen sensorischen Polyneuropathie sind selten und beschränken sich meist auf die Beteiligung des angeborenen Immunsystems. In der aktuellen Studie wurden deshalb Zusammenhänge von Biomarkern untersucht, die unterschiedliche Aspekte der Immunaktivierung bei DSPN widerspiegeln. Die Studie umfasste 513 Frauen und Männer, darunter 127 Patienten mit DSPN und 386 Menschen der bevölkerungsbasierten KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) als Kontrollgruppe.

Die F4/FF4-Kohorte im Alter von 62 bis 81 zeigte zu Studienbeginn keine Anzeichen einer DSPN. Untersuchungsschwerpunkt waren die Serumspiegel von an Entzündungsprozessen beteiligten Biomarkern, die mittels moderner Proximity-Extension-Assay-Technologie gemessen wurden.

Beurteilung der Biomarker

Im Ergebnis wurden 26 von 71 Biomarkern mit dem Auftreten der distalen sensorischen Polyneuropathie assoziiert. Nach statistischer Anpassung für multiple Testverfahren konnten höhere Konzentrationen von sechs Biomarkern mit DSPN in Verbindung gebracht werden. Davon waren drei dieser Proteine Chemokine (MCP-3/CCL7, MIG/CXCL9, IP-10/CXCL10) und drei lösliche Formen von Transmembranrezeptoren (DNER, CD40, TNFRSF9). Die Chemokine zeigten in-vitro neurotoxische Wirkungen auf Neuroblastomzellen, was eine Beteiligung an der Entstehung der Neuropathie nahelegt. Durch Zugabe aller sechs Biomarker verbesserte sich die C-Statistik eines klinischen Risikomodells von 0,748 auf 0,783 (p = 0,011) signifikant.

Beurteilung der Immunaktivität

Umfassende Pathway-Analysen zeigten, dass unterschiedliche Zelltypen von angeborener und adaptiver Immunität an der Entwicklung der distalen sensorischen Polyneuropathie beteiligt sind. Auf Basis dieser Erkenntnis identifizierten die Forscher neuartige Assoziationen zwischen Biomarkern von Entzündungen und Symptomen einer DSPN. Damit liegt die Vermutung nahe, dass ein komplexes Nebeneinander von angeborener und adaptiver Immunität die Pathogenese der Krankheit beeinflusst.

Beurteilung der DSPN-Entstehung

Die laborchemischen Analysen korrelierten auch mit dem Auftreten einer DSPN im Studienzeitraum. Von den 386 Teilnehmern der KORA-Gruppe entwickelten im Verlauf der 6,5-jährigen Nachbeobachtungszeit 127 Personen eine distale sensorische Polyneuropathie. Bei diesen Probanden lag die Serumkonzentration von insgesamt 26 Entzündungs-Biomarkern höher als bei Personen, die keine Polyneuropathie aufwiesen.

Fazit

Neben diabetischen Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall ist vermutlich auch die Entstehung von Polyneuropathien auf Entzündungsprozesse zurückzuführen. Dabei sind sehr wahrscheinlich sowohl die angeborene Immunabwehr als auch das adaptive Immunsystem beteiligt.

Diese Beobachtung könnte sich zukünftig auf präventive und therapeutische Maßnahmen von Neuropathien auswirken. Der Neurodiabetologe Professor Dr. Dan Ziegler, Stellvertretender Direktor des Instituts für Klinische Diabetologie am Deutschen Diabetes-Zentrum [2], erläutert: „Diese Befunde könnten neue therapeutische Perspektiven eröffnen. Das Ziel könnte dabei sein, das Immunsystem entsprechend zu beeinflussen und damit letztlich die Entstehung beziehungsweise das Fortschreiten der Neuropathie zu verhindern“.

Autor:
Stand:
27.08.2018
Quelle:
  1. Herder et al. (2018): A Systemic Inflammatory Signature Reflecting Crosstalk Between Innate and Adaptiv Immunity Is Associated With Incident Polyneuropathy: KORA F4/FF4 Study. Diabetes, DOI: https://doi.org/10.2337/db18-0060
     
  2. Deutsches Diabetes-Zentrum, Pressemitteilung, 23. August 2018
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