Diabetisches Hand-Syndrom vielfältiger als gedacht

Zum diabetischen Hand-Syndrom zählen aktuell vor allem Schnappfinger, Morbus Dupuytren und eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit. Erkrankungen wie das Karpaltunnelsyndrom treten jedoch bei Typ 1 und Typ 2 Diabetes mellitus ebenfalls gehäuft auf.

Karpaltunnelsyndrom

Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus können viele Folgen haben. Neben Polyneuropathien, Nieren- und Herzproblemen sowie dem diabetischen Fuß gibt es auch ein diabetisches Hand-Syndrom. Traditionell wird darunter verstanden, dass als Komplikation des Diabetes mellitus Probleme in einer oder beiden Händen auftreten wie Schnappfinger, Morbus Dupuytren oder eine eingeschränkte Gelenkbeweglichkeit. Diese Definition könnte jedoch veraltet sein, denn aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen berichteten vermehrt von weiteren Handproblemen, für die ein Diabetes mellitus ein Risikofaktor sein könnte. Dazu zählen:

  • das Karpaltunnelsyndrom
  • das Kubitaltunnelsyndrom
  • Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks

Unbekannt ist, wie häufig diese Erkrankungen als Teil des diabetischen Hand-Syndroms bei Diabetes mellitus überhaupt auftreten. Sollte ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und einem vorbestehenden Diabetes bestehen, würden sowohl die Inzidenzen als auch die Prävalenzen in den nächsten Jahren deutlich ansteigen. Das würde sich auf die klinische Versorgung auswirken. Eine schwedische Studie hat sich deshalb näher mit dem Thema auseinandergesetzt. Die Ergebnisse wurden im Journal »BMJ Open Diabetes Research & Care« veröffentlicht.

Zielsetzung

Ziel der Studie war es herauszufinden, wie hoch die Prävalenz und Inzidenz der diabetischen Handkomplikationen sind. Als Untersuchungsgruppe wurde die Bevölkerung Südschwedens herangezogen.

Methodik

Für die populationsbasierte Studie wurden 1,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner aus Skåne, einer Region im Süden Schwedens, eingeschlossen. Sie alle waren mindestens 18 Jahre alt und im National Diabetes Register registriert. Von den Eingeschlossenen hatten 50.000 bereits laut Register einen Diabetes mellitus.
Dem Skåne Healthcare Register (SHR) wurden die Diagnosen zu Karpaltunnelsyndrom, Kubitaltunnelsyndrom, Schnappfinger, Morbus Dupuytren und Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks zusätzlich entnommen und mit den Daten aus dem Nationalen Diabetes Register verlinkt.

Studienzeitraum waren die Jahre 2004 bis 2019. Für die Prävalenzen und die 10-Jahres-Inzidenzverhältnisse wurde als Enddatum der 31.12.2019 gesetzt und nach Geschlecht stratifiziert. Für Gruppenvergleiche wurden Konfidenzintervalle [KI] von 95% zugrunde gelegt.

Ergebnisse

Von den 1,1 Millionen in die Studie eingeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner aus Skåne waren 551.808 Frauen und 545.735 Männer. Unter den Frauen hatten 3.045 einen Diabetes mellitus Typ 1 und 20.453 einen Diabetes mellitus Typ 2. Bei den Männern waren es 3.767 mit Typ-1- und 28.942 mit Typ-2-Diabetes.

Die Inzidenzen und Prävalenzen waren für alle untersuchten Erkrankungen deutlich höher in den Gruppen mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes.

Für Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks beispielsweise lag das Prävalenzverhältnis bei 1,8 (95%-KI 1,4 bis 2,4; p<0,01) bei Frauen mit Diabetes mellitus Typ 1 und bei 1,0 in der Gruppe ohne Diabetes. Bei Typ-2-Diabetes war es mit 3,0 (95%-KI 2,8 bis 3,3; p<0,00001) sogar noch niedriger.   Beim Schnappfinger, der mit am häufigsten auftretenden Erkrankung aus dem Spektrum der Handprobleme, lag das Prävalenzverhältnis für Frauen bei Typ-1-Diabetes sogar bei 9,4 (95%-KI 8,6 bis 10,3; p>0,00001).

Bei Männern führte bei Diabetes mellitus Typ 1 mit einem Prävalenzverhältnis von 7,9 (95%-KI: 7,0 bis 7,9; p<0,00001) ebenfalls der Schnappfinger. Bei Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks war das Prävalenzverhältnis hingegen mit 1,9 (95%-KI 1,3 bis 2,9; p<0,01) in dieser Gruppe am niedrigsten.

Alle fünf Diagnosen traten bei einem Typ-1-Diabetes sowohl bei Frauen als auch bei Männern deutlich häufiger auf (p<0,01) als bei Personenmit einem Diabetes mellitus Typ 2 (höhere Prävalenz). Im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung waren beide Vorerkrankungsgruppen signifikant häufiger betroffen (p<0,0001). Von einer zweiten begleitenden Diagnose waren auch hier Frauen in beiden Diabetesgruppen häufiger betroffen als Männer (Typ-1-Diabetes: Frauen: 34,0%, 95%-KI 30,6% bis 37,5%; Männer 24,1%, 95%-KI 20,7 bis 27,8%; Typ-2-Diabetes: Frauen 22,4%; 95%-KI 20,7% bis 27,8%; Männer 18,8%, 95%-KI 17,5% bis 20,1%). Beide Gruppen waren deutlich häufiger betroffen als die allgemeine Bevölkerung (Frauen: 16,7%; 95%-KI 16,3% bis 17,1%; Männer: 13,5%; 95%-KI: 13,0% bis 14,1%; p<0.0001 für alle Analysen).

Auch die Inzidenzverhältnisse pro 10.000 Personenjahren zeigten die gleichen Ergebnisse: Bei Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 wurden alle Handerkrankungen häufiger neu diagnostiziert als in der allgemeinen Bevölkerung (p<0,00001). Eine Ausnahme bildete die Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks bei Männern mit Typ-2-Diabetes. Hier lag das Inzidenzverhältnis bei 1,7 (95%-KI 0,9 bis 2,8; p=0,055). Das höchste Inzidenzverhältnis hatte auch hier der Schnappfinger bei Frauen mit 100,5 pro 10.000 Personenjahren und einem Inzidenzverhältnis von 8,1 (95%-KI 7,1 bis 9,1; p<0,00001).

Fazit

Sowohl bei einem Diabetes mellitus Typ 1 als auch bei einem Diabetes mellitus Typ 2 treten Schnappfinger, Morbus Dupuytren, das Karpaltunnelsyndrom, das Kubitaltunnelsyndrom und die Osteoarthritis des ersten Karpometakarpalgelenks deutlich häufiger auf als in der allgemeinen Bevölkerung. Bei Typ-1-Diabetes waren die Inzidenzen beispielsweise bis zu achtmal höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Das Studienteam rät deshalb, zu erwägen, diese Erkrankungen zum diabetischen Hand-Syndrom dazu zu zählen. Dadurch würden sie mehr in den Fokus rücken und gegebenenfalls früher diagnostiziert werden.

Autor:
Stand:
16.02.2022
Quelle:

Rydberg M. et al. Diabetic hand: prevalence and incidence of diabetic hand problems using date from 1.1 million inhabitants in southern Sweden. BMJ Open Diabetes Research & Care 2022; 10e002614; DOI: 10.1136/ bmjdrc-2021-002614

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