Frühe HbA1c-Einstellung senkt die Gesamtmortalität

Je schlechter der HbA1c-Wert bei Diabetes mellitus Typ 2 ist, umso größer kann das Risiko für Komplikationen sein. Gelingt eine gute Einstellung direkt nach Diagnose, wirkt sich das stärker positiv auf das Risiko aus als eine spätere gute Einstellung.

Kostensenkung

Hintergrund

Der HbA1c-Wert gilt als einer der Hauptmarker dafür, wie gut der Blutzucker von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 eingestellt ist. Optimalerweise sollte er um 6,5% liegen. Häufig ist der Wert jedoch höher und nicht selten auch deutlich höher. Das kann sich negativ auf das Risiko auswirken, später Folgekrankheiten zu entwickeln oder sogar daran zu versterben.

Bereits in der Vergangenheit konnte in diversen Studien gezeigt werden, dass ein niedrigerer HbA1c das Risiko für Folgeerkrankungen verringert. In der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS), einer groß angelegten Diabetesstudie aus Großbritannien, wiesen Wissenschaftler beispielsweise nach, dass schon ein um 0,9% niedrigerer HbA1c das Risiko für mikrovaskuläre Komplikationen senken kann. Eine Metaanalyse aus verschiedenen Studien bestätigte diesen Effekt später: Das Risiko für Myokardinfarkte (MI) sank um etwa 15%, wenn der HbA1c nur 0,88%-Punkte niedriger war. Kurioserweise war das Risiko auch zehn Jahre nach der Studie noch erniedrigt für die Gesamtmortalität (engl. all-cause mortality, ACM) und für Myokardinfarkte. Dieser Vermächtniseffekt, oder Legacy Effect im Englischen, erstaunte die Wissenschaftler. Deshalb analysierte ein Forscherteam um Marcus Lind vom Medizinischen Institut der Universität Göteborg in Schweden die Daten der UKPDS noch einmal mit neuen Fragestellungen. Die Ergebnisse wurden im Diabetes Care Journal veröffentlicht.

Zielsetzung

Mit der erneuten Auswertung sollte untersucht werden, ob sich der Legacy-Effekt bei Typ 2 Diabetes mellitus durch die Beziehung zwischen dem früheren HbA1c-Profil und dem Risiko für die zukünftige Gesamtmortalität und für zukünftige Myokardinfarkte erklären lässt.

Methodik

Analysiert wurden in der Studie bereits erhobene Daten aus der UK Prospective Diabetes Study (UKPDS). In der ursprünglichen Studie waren verschiedene Therapieregimes hinsichtlich ihres Effekts auf den Nüchternplasmaglukosespiegel getestet worden. Im Anschluss wurden die Teilnehmenden in einer zehnjährigen Monitoringphase weiter beobachtet, ohne Einfluss auf ihre weitere Therapie zu nehmen oder sie dazu aufzufordern, die in der Studie angesetzte Therapie fortzuführen.

Die Daten wurden gefiltert und eine Ereigniszeitanalysen durchgeführt. Der Fokus lag hierbei auf dem HbA1c zu Beginn und dem durchschnittlichen HbA1c in den Jahren danach im Zusammenhang mit möglicherweise auftretenden Diabetes-bedingten Komplikationen. Die HbA1c-Werte wurden hierbei unterschiedlich stark gewichtet, um für das jeweils individuelle, durch diese Werte verursachte Risiko Sorge zu tragen. Diese Gewichtung wurde mithilfe eines multivariablen Regressionsmodells und die Beziehungen zwischen dem HbA1c und ACM bzw. MI mittels der momentanen Hazard Ratio 15 oder 20 Jahren nach der Diagnose ermittelt.

Ebenso wurden Hazard Ratios (HR) für ACM und MI 5, 10, 15 und 20 Jahre nach der Diagnose berechnet - abhängig vom HbA1c - sowie das Relative Risiko rückblickend für frühere HbA1c-Werte.

Weitere statistische Methoden waren multivariable Poisson Regressionsanalyse mit HbA1c, Alter, Geschlecht, Dauer der Diabeteserkrankung und einer in 0,2-Jahre-Schritten unterteilten Follow-up Periode, sowie Likelihood Ratio Tests für die Signifikanz der jeweiligen Modellparameter, inklusive 95%iger Konfidenzintervalle (95%-KI).

Ergebnisse

Insgesamt wurden die Daten von 3.802 Teilnehmenden der UK Prospective Diabetes Study verwendet. Das durchschnittliche Alter lag bei 53,3 Jahren (SD 8,6) und 38,8% der Teilnehmenden war weiblich.

Hazard Ratios

Die Hazard Ratios zeigten, höhere HbA1c-Werte waren assoziiert mit signifikant höheren ACM- und MI-Risiken (für beide p<0,0001). Jede Erhöhung des HbA1c um 1%-Punkt erhöhte die HR für ACM und MI über die Zeit mit vermutlich steigenden schädlichen Effekten durch frühere Hyperglykämieereignisse.

Pro 1%-Punkt Anstieg des HbA1c stieg die HR für ACM um 1,08 (95%-KI 1,07-1,09), 1,18 (95%-KI 1,15-1,21) und 1,36 (95%-KI 1,30-1,42) in den nächsten 5, 10 bzw. 20 Jahren. Bei Myokardinfarkt lagen die Werte bei 1,13 (95%-KI 1,11-1,15) für 5 und 1,31 (95%-KI 1,25-1,36) für 20 Jahre. Im Kontrast dazu senkten um 1%-Punkt niedrigere HbA1c-Werte nach der Diagnose das Risiko für ACM- und MI-Ereignisse 15 und 20 Jahre später signifikant deutlicher als ein niedrigerer HbA1c-Wert erst 10 Jahre nach der Diagnose. Im Falle der Gesamtmortalität lag die HR 15 und 20 Jahre nach der Diagnose so bei 0,78 (95%-KI 0,76-0,81) vs. 0,93 (95%-KI 0,92-0,94) und 0,73 (95%-KI 0,70-0,77) vs. 0,84 (95%-KI 0,82-0,94). Beim Myokardinfarkt waren es 0,79 (95%-KI 0,76-0,82) vs. 0,88 (95%-KI 0,87-0,90) und 0,76 (95%-KI 0,73 - 0,80) vs. 0,82 (95%-KI 0,80-0,85)

Relatives Risiko

Auch das Relative Risiko sank, wenn der HbA1c vor allem in der Anfangsphase nach der Diagnose niedriger war. Die Relative Risikoreduktion in Bezug auf die Gesamtmortalität lag bei 18,8% (95%-KI 21,1-16,0) bei 10-15 Jahren nach der Diagnose pro 1%-Punkt niedrigerem HbA1c, wenn der HbA1c direkt nach der Diagnose niedrig gehalten wurde. Wurde er aber erst 10 Jahre nach der Diagnose gesenkt, war die relative Risikoreduktion siebenfach kleiner mit nur noch 2,7% (95%-KI 3,1-2,3). Beim Myokardinfarkt wurde ein ähnlicher, wenn auch schwächerer Effekt beobachtet: Die Relative Risikoreduktion war dreifach kleiner bei verspäteter HbA1c-Senkung im Vergleich zu sofortiger Senkung.

In den nächsten 10 bis 20 Jahren lag der Effekt bei einem dreifach niedrigeren Relativen Risiko für ACM und zweifach für MI, wenn der HbA1c direkt nach Diagnose besser eingestellt war. Ähnliche Effekte wurden beobachtet, wenn der HbA1c im Modell um 0,5%- oder um 2,0%-Punkte erniedrigt wurde.

Fazit

Wie schon in früheren Studien angedeutet, konnte auch das Team um Marcus Lind zeigen, dass niedrigere HbA1c-Werte mit einem niedrigeren Risiko für die spätere Gesamtmortalität und Myokardinfarkte einhergehen. Besonders ist hier aber, dass ein starker Legacy-Effekt durch den HbA1c-Wert besteht: Wird er möglichst früh nach der Diagnose auf niedrige Werte gesenkt, sinkt das Risiko für zukünftige Myokardinfarkte und die Gesamtmortalität.

Wird der HbA1c um 10 bis 15 Jahre später um 1%-Punkt gesenkt, sinkt die Risikoreduktion für die Gesamtmortalität bereits um das siebenfache und bei 10 bis 20 Jahren um das dreifache. Ähnlich verhält es sich bei dem Risiko für Myokardinfarkte. Umgekehrt steigt das Gesamtmortalitätsrisiko um 8% innerhalb der nächsten fünf Jahre, sollte der HbA1c um 1%-Punkt höher sein und um 36% in den nächsten 20 Jahren.

Den Typ 2 Diabetes mellitus HbA1c so früh wie möglich gut einzustellen und niedrige HbA1c-Werte zu erzielen, wirkt sich also positiv auf die Gesamtmortalität und das Myokardrisiko aus. Deshalb sind auch frühe Diabetesdiagnosen wichtig, um mit der optimalen Einstellung so schnell wie möglich beginnen zu können.

Autor:
Stand:
29.09.2021
Quelle:

Lind M. Et al. Historical HbA1c Values May Explain the Typ 2 Diabetes Legacy Effect: UKPDS88. Diabetes Care 2021, 44:1-7. DOI: 10.2337/dc20-2439

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