
Glykämische Kontrolle ist ein zentrales Ziel der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2. Es ist bekannt, dass viskose Ballaststoffe die glykämische Kontrolle verbessern und das kardiovaskuläre Risiko verringern können. β-Glucan ist eines dieser viskosen Ballaststoffe, kommt hauptsächlich in Hafer vor und kann die LDL (Low Density Lipoprotein)-Cholesterol-Konzentration im Serum reduzieren. Außerdem wurde von der European Food Safety Authority (EFSA) anerkannt, dass es den postprandialen Blutzucker senken kann. Es ist jedoch unklar, ob diese Auswirkungen auf den postprandialen Blutzucker in langfristigen Verbesserungen der glykämischen Kontrolle resultieren.
Bisherige Übersichtsarbeiten haben gezeigt, dass die Einnahme von viskosen Ballaststoffen wie β-Glucan zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle bei Diabetes mellitus Typ 2 führen. Viele dieser Reviews sind jedoch veraltet oder haben nicht spezifisch den Effekt von β-Glucan aus Hafer betrachtet.
Zielsetzung
In einem systematischen Review wurde nun die Evidenz für den Effekt von Hafer und β-Glucan aus Hafer auf die glykämische Kontrolle, Insulinsensitivität und β-Zell-Funktion untersucht. Dabei wurden ebenfalls Meta-Analysen durchgeführt und Dosis-Wirkungs-Beziehungen berechnet.
Finanzierung
Die Autoren der Studie erhalten in großem Umfang Zuwendungen von Unternehmen der Lebensmittelindustrie und geben dies als möglichen Interessenskonflikt an.
Methodik
Für diese Übersichtsarbeit wurden die relevanten Datenbanken nach kontrollierten Interventionsstudien durchsucht, die den Effekt von Hafer oder β-Glucan aus Hafer mit einer adäquaten Kontrolle – nicht-viskose Ballaststoffe, Placebo, Standardernährung ohne zusätzlichen Hafer oder β-Glucan aus Hafer – bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 untersucht haben. Zur Beurteilung der Wirksamkeit wurden für das Outcome glykämische Kontrolle die Parameter Hämoglobin A1c (HbA1c), Nüchternblutzucker, Nüchterninsulinkonzentration und Glukosekonzentration zwei Stunden postprandial (2h-PG) nach oralem Glukosetoleranztest (OGTT) betrachtet. Die Wirksamkeit in Bezug auf die Outcomes Insulinsensitivität und β-Zell-Funktion wurde u. a. mit Homeostatic-Model-Assessment-Of-Insulin-Sensitivity (HOMA-IR) bzw. dem Insulin-Secretion-Sensitivity-Index 2 evaluiert.
Insgesamt wurden sieben Artikel in den Meta-Analysen berücksichtigt, die über insgesamt acht Studien mit zusammen 407 Patienten berichtet haben. Fünf der Studien wurden in Europa durchgeführt, zwei in China und jeweils eine in den USA und Mexiko. Nur die Parameter HbA1c, Nüchternblutzucker, 2h-PG nach 75 g OGTT, Nüchterninsulinkonzentration und HOMA-IR wurden in diesen Studien untersucht. Für die anderen Parameter von Interesse wurden keine passenden Studien gefunden.
Zu Beginn der Studien war das HbA1c der Patienten im Median bei 7,4%. Die Mehrheit der Patienten war übergewichtig; im Median lag der BMI bei 28,5 kg/m2 und das Alter bei 59 Jahren. Eine antihyperglykämische Therapie und/oder Insulin erhielten 88% der Patienten. Die Patienten erhielten im Median 3,25 g β-Glucan aus ganzem Hafer, β-Glucan-Konzentrat oder Haferkleie.
Ergebnisse
HbA1c und Nüchternblutzucker
Hafer und β-Glucan aus Hafer führten in acht Studien mit insgesamt 407 Patienten zu einem Unterschied der Mittelwerte (UdM, auch difference in means oder mean difference) der Experimental- und Kontrollgruppe bei HbA1c von -0,47% (95%-Konfidenzintervall [KI]: −0,80 bis −0,13%; pUdM=0,006). Die Studienergebnisse waren jedoch stark heterogen und insgesamt wird die Gewissheit der Evidenz als niedrig angesehen.
Bei Untersuchung des Nüchternblutzuckers war der UdM -0,75 mmol/l (95%-KI: -1,2 bis 0,31 mmol/l; pUdM<0,001) und die Studienergebnisse ähneln sich. Für den Einfluss auf den Nüchternblutzucker wird die Gewissheit der Evidenz als hoch angesehen, u. a. da eine signifikante lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung von -0,39 mmol/l Nüchternblutzucker pro 1 g β-Glucan aus Hafer ermittelt wurde (p<0,001).
2h-PG nach 75 g OGTT
Der Einfluss auf die 2h-PG nach 75 g OGTT wurde in insgesamt drei Studien mit zusammen 246 Patienten untersucht. Hier war der UdM -0,42 mmol/l (95%-KI: -0,7 bis -0,14 mmol/l; pUdM=0,003), jedoch unterschieden sich die Ergebnisse der einzelnen Studien erheblich. Daher wird für den Einfluss auf die 2h-PG nach 75 g OGTT die Gewissheit der Evidenz als niedrig angesehen.
Nüchterninsulinkonzentration
Vier Studien mit insgesamt 110 Patienten haben den Einfluss auf die Nüchterninsulinkonzentration untersucht. Der UdM betrug -4,3 pmol/l (95%-KI: -11,96 bis 3,35 pmol/l; pUdM=0,271), wurde aber als nicht signifikant bewertet. Auch hier waren die Studienergebnisse heterogen und die Gewissheit der Evidenz wird als moderat angesehen.
Insulinresistenz (HOMA-IR)
Der Einfluss auf die Insulinresistenz wurde mittels des Parameters HOMA-IR in fünf Studien mit insgesamt 316 Patienten untersucht. Die Einnahme von Hafer und β-Glucan aus Hafer führte zu einem UdM von -0,88 (95%-KI: -1,55 bis -0,2; pUdM=0,011). Die Ergebnisse der einzelnen unterschieden sich substanziell und die Gewissheit der Evidenz wird als moderat angesehen.
Fazit
Dieses Review mit Meta-Analysen zeigt einen gewissen Nutzen von Hafer und β-Glucan aus Hafer für die glykämische Kontrolle von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 verglichen mit sinnvollen Kontrollen wie andere nicht-viskosen Ballaststoffe, Placebo oder Standardernährung. Besonders die Studienergebnisse für die Reduktion des Nüchternblutzuckers sind aufgrund der Konsistenz und bewiesenen Dosis-Wirkungs-Beziehung überzeugend. Der Einfluss auf andere Aspekte der glykämischen Kontrolle wie HbA1c, 2h-PG nach 75 g OGTT oder Nüchterninsulinkonzentration ist weniger überzeugend, obwohl auch bei diesen Parametern durchschnittlich kleine relevante Verbesserungen zu sehen sind. Bei den Ergebnissen zu dem Einfluss auf die Insulinsensitivität unterscheiden sich die einzelnen Studien zwar durchaus, jedoch ist auch hier ein relevanter Effekt zu sehen und die Evidenzlage als moderat gut einzustufen.
Diese Übersichtsarbeit präsentiert ähnliche Ergebnisse der Meta-Analysen wie vorherige Reviews. Dabei wurden in dieser aktuelleren Arbeit für HbA1c und Nüchternblutzucker größere Veränderungen beobachtet, die sich durch die zwischenzeitlich publizierten Studien erklären lassen.