
Weltweit waren im Jahr 2019 schätzungsweise 436 Millionen Erwachsene an Diabetes mellitus erkrankt, für 2045 wird ein Anstieg auf 700 Millionen Betroffene erwartet. Daher werden verbesserte Präventionsmaßnahmen benötigt. Die Pathogenese eines Typ-2-Diabetes wird beeinflusst von genetischen und nicht-genetischen Faktoren, wie Übergewicht, ungesunder Ernährung und körperlicher Inaktivität. Eine niederländische Studie des Erasmus University Medical Centre in Rotterdam untersuchte die Auswirkungen einer guten kardiovaskulären Gesundheit im Zusammenhang mit der genetischen Prädisposition auf das lebenslange Risiko einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Die Studie wurde zum Weltherztag 2021 im European Journal of Preventive Cardiology, einer Zeitschrift der European Society of Cardiology (ESC), veröffentlicht.
Zielsetzung
Ziel der Studie war es den Zusammenhang zwischen unterschiedlicher kardiovaskulärer Gesundheit und dem lebenslangen Risiko für Typ-2-Diabetes zu untersuchen. Dabei wurde zudem der Einfluss der genetischen Prädisposition betrachtet.
Methodik
Es wurden die Daten von 5.993 Personen der prospektiven bevölkerungsbasierten Rotterdam-Studie untersucht, die zu Beginn keinen Typ-2-Diabetes aufwiesen. Die Teilnehmenden wurden ab einem Alter von 55 Jahren erfasst und waren im Durchschnitt 69 Jahre alt, 58% (3.475) waren Frauen.
Die kardiovaskuläre Gesundheit wurde anhand eines Scores von 0 bis 12 ermittelt, wobei 0-5 als schlechter, 6-7 als mittlerer und 8-12 als idealer Zustand definiert wurde. Der Score wurde bestimmt anhand des Body-Mass-Index (BMI), Blutdrucks, Cholesterinspiegels, Raucherstatus, der Ernährung sowie der körperlichen Aktivität zu Beginn der Studie. Eine ideale kardiovaskuläre Gesundheit war definiert als gesunde Werte in Bezug auf Körpergewicht, Blutdruck und Cholesterinspiegel, Nichtrauchen, ausgewogene Ernährung sowie körperliche Aktivität.
Das genetische Risiko an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, wurde anhand von 403 mit der Erkrankung assoziierten unabhängigen genetischen Varianten ermittelt. Je nach Höhe des erreichten Scores wurde den Teilnehmenden ein niedriges, mittleres oder hohes genetisches Risiko zugeordnet.
Ergebnisse
Es entwickelten 869 der Teilnehmenden einen Diabetes mellitus Typ 2 während eines Follow-ups von etwa 69.208 Personenjahren. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median 14 Jahre.
Niedriges Diabetesrisiko bei hoher kardiovaskulärer Gesundheit
Es hatten 17,4% (2.020) der Studienpopulation eine ideale kardiovaskuläre Gesundheit, 45,6% (2.605) eine mittlere und 37% (1.368) eine schlechte kardiovaskuläre Gesundheit. Personen mit einer besseren kardiovaskulären Gesundheit wiesen ein niedrigeres verbleibendes Risiko für Typ-2-Diabetes auf als Personen mit einem geringen kardiovaskulären Score. Beispielsweise lag das lebenslange Diabetes-Risiko für Teilnehmende mit einem Indexalter von 55 Jahren bei idealer kardiovaskulärer Gesundheit bei 22,6% (95%-Konfidenzintervall [KI] 19,4-26,8), bei mittlerer Gesundheit bei 28,3% (95%-KI 25,8-30,8) und niedriger Gesundheit bei 32,6% (95%-KI 29,0-36,2).
Kardiovaskulärer Effekt unabhängig von genetischem Risiko
Die genetische Information von 82,6% (4.952) der Teilnehmenden konnte untersucht werden. Bei zusätzlicher Betrachtung des genetischen Risikos war das lebenslange Risiko für einen Typ-2-Diabetes bei Personen mit besserer kardiovaskulärer Gesundheit geringer. Teilnehmende mit einem Indexalter von 55 Jahren mit hohem genetischen Risiko wiesen bei idealer kardiovaskulärer Gesundheit ein Diabetes-Risiko von 23,5% (95%-KI 18,5-28,6) auf, bei mittlerer Gesundheit von 33,7% (95%-KI 28,9-38,5) und bei geringer Gesundheit von 38,7% (95%-KI 31,4-46,1). Dieser Trend zeigte sich auch in den Gruppen mit niedrigem und mittlerem genetischen Risiko.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass Personen mit einer guten kardiovaskulären Gesundheit unabhängig von ihrem genetischen Risiko mit geringerer Wahrscheinlichkeit an Typ-2-Diabetes erkranken als solche mit schlechterer Herzgesundheit. Dr. Fariba Ahmadizar, Autorin der Studie, resümiert: "Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig eine gute Herzgesundheit für die Prävention von Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen mittleren Alters ist. (…) Die Ergebnisse galten für Männer und Frauen gleichermaßen und deuten darauf hin, dass gesunde Gewohnheiten in der Lebensmitte eine wirksame Strategie zur Vermeidung von Diabetes in späteren Jahren sind."