
Hintergrund
Ein Großteil der heutigen Bevölkerung leidet an Adipositas, was auf Bewegungsmangel und überwiegend sitzendes Verhalten zurückgeführt werden kann. Somit steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ II an. Experimentelle sowie Beobachtungsstudien zeigten, dass bereits kurze Unterbrechungen der Sitzzeit einen positiven Einfluss auf das kardiometabolische Profil haben, und Triglycerin- und Blutzuckerwerte im Blut senken können.
Hohe Nüchtern-Triglycerinwerte im Serum spiegeln möglicherweise einen hohen Leberfettgehalt wider, der stark mit einer Insulinresistenz assoziiert ist. Aus früheren Studien weiß man, dass körperliche Aktivität mit einer Verringerung des Leberfettgehaltes und einer daraus folgenden Verbesserung der Insulinempfindlichkeit einhergeht. Wichtig könnte hierbei nicht nur die Dauer der Inaktivität, sondern auch der Zeitpunkt der körperlichen Aktivität während des Tages sein. In Tiermodellen wurden Unterschiede in der körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Stoffwechsel in Abhängigkeit von der Tageszeit beobachtet. Zu diesem Thema gibt es bislang nur wenige klinische Studien, die den Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Aktivität während des Tages und metabolischen Risikomarkern bei Menschen untersucht haben, die wenigen vorliegenden Ergebnisse sind widersprüchlich.
Zielsetzung
Das Ziel der Studie war es, zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der körperlichen Aktivität und den Pausen in der Zeit des Sitzens Tätigkeiten, mit dem Leberfettgehalt und der Insulinresistenz in der Bevölkerung mittleren Alters gibt.
Methodik
Bei der Netherlands Epidemiology of Obesity (NEO)-Studie handelt es sich um eine populationsbasierte, prospektive Kohortenstudie, die verschiedene Mechanismen untersucht, die zu adipositasbedingten Krankheiten führen. Für die hier vorliegende Fragestellung wurde die Dauer der Sitzzeit, deren Unterbrechungen und die verschiedenen Intensitäten der körperlichen Aktivitäten mittels Aktivitätssensoren bei den Probanden bestimmt, der Leberfettgehalt wurde mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie bei einem Teil der Probanden ermittelt. Die Probanden wurden in Gruppen eingeteilt, die sich entweder morgens (6 bis 12 Uhr), mittags (12 bis 18 Uhr), abends (18 bis 24 Uhr) oder aber gleichmäßig über den Tag verteilt moderat bis intensiv körperlich betätigen sollten.
Untersucht wurde die Assoziation zwischen Zeit im Sitzen, Pausen und dem Zeitpunkt der körperlichen Aktivität mit dem Leberfettgehalt und dem HOMA-IR-Wert anhand linearer Regressionsanalyse, bereinigt um demographische und Lebensstilfaktoren einschließlich dem Gesamtkörperfett.
Bei dem HOMA-IR-Wert handelt es sich um den Homeostasis Model Assessment (HOMA)-Index. Dieser dient der Abschätzung der endogenen Insulin-Resistenz und wird aus der Nüchtern-Insulin- und Nüchtern-Glucose-Konzentration nach einer etwa 12-stündigen Nahrungskarenz berechnet.
Ergebnisse
In die Analyse konnten 775 Probanden der insgesamt 6.671 Probanden der NEO-Studie eingeschlossen werden. Das mittlere Alter lag bei 56 ±4 Jahre, der Body Mass Index (BMI) bei 26,2 ±4,1 kg/m2 und 42% der Probanden waren Männer. Der mediane Leberfettgehalt wurde bei 256 Probanden bestimmt und betrug 2,6% (Interquartilsabstand (IQR): 1,1% bis 5,8%) und der mediane HOMA-IR bei 1,0 (IQR: 0,7 bis 1,5).
Klinische Ergebnisse
Die Gesamtdauer der Sitzzeit war weder mit dem Leberfettgehalt (relative Veränderung: 1,01; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,95 bis 1,07) noch mit einer Insulinresistenz (HOMA-IR: 1,01; 95%-KI: 0,98 bis 1,03) assoziiert. Hingegen war die Anzahl der Pausen während der Zeit im Sitzen mit einem höheren Leberfettgehalt von 22% (95%-KI: 9% bis 37%) verbunden.
Die Gesamtaktivität im Alltag war mit -5% pro Stunde (95%-KI: -10%/h bis 0%/h) und der Zeitpunkt einer mäßigen bis hohen körperlichen Aktivität im Alltag mit einer geringeren Insulinresistenz, nicht aber mit dem Leberfettgehalt, verbunden. Im Vergleich zu den Probanden, die ihre körperliche Aktivität gleichmäßig über den Tag verteilt hatten, war die Insulinresistenz bei denjenigen, die morgens am aktivsten waren, mit -3% pro Stunde (95%-KI: -25% bis 16%) ähnlich, während sie bei den Probanden, die nachmittags oder abends am aktivsten waren, mit -18% (95%-KI: -33% bis -2%) bzw. mit -25% (95%-KI: -49% bis -4%) deutlich reduziert war.
Fazit
Bei Männern und Frauen mittleren Alters konnte keine Assoziation zwischen der Zeit im Sitzen und dem Leberfett oder der Insulinresistenz nachgewiesen werden. Ebenso lag keine Assoziation zwischen der Anzahl der Sitzpausen und einer geringeren Leberfett- oder Insulinresistenz vor.
Jedoch war eine höhere mäßige bis intensive körperliche Aktivität mit einem geringeren Leberfettgehalt und einer geringeren Insulinresistenz verbunden. Interessanterweise zeigte sich, dass der Zeitpunkt der sportlichen Betätigung während des Tages mit der Insulinresistenz zusammenhing. So führt eine mäßige bis hohe körperliche Aktivität am Nachmittag oder Abend, aber nicht am Morgen, zu einer geringeren Insulinresistenz, als wenn die Aktivität gleichmäßig über den Tag verteilt war.
In weiteren Studien sollte daher untersucht werden, ob der Zeitpunkt der körperlichen Aktivität auch für das Auftreten von Diabetes mellitus Typ II von Bedeutung ist. Dabei sollte der Einfluss der zirkadianen Rhythmik berücksichtigt werden.