Adipositas

Adipositas gehört zur Gruppe der Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen. Menschen mit Adipositas sind infolge einer über das Normalmaß hinausgehenden Vermehrung des Körperfetts stark übergewichtig.

ICD-10 Code
Adipositas kompakt

Definition

Adipositas gehört zur Gruppe der Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen. Menschen mit Adipositas sind infolge einer über das Normalmaß hinausgehenden Vermehrung des Körperfetts stark übergewichtig. Der Grad des Übergewichts wird international mit dem sogenannten Körpermasse- bzw. Body-Mass-Index (BMI) berechnet. Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besteht eine Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2. Indikatoren zur Einteilung der Körperfettverteilung sind der Bauchumfang und das Taille-Hüft-Verhältnis. Das Fettverteilungsmuster beeinflusst das Risiko von metabolischen und kardiovaskulären Folgeerkrankungen. Die Ursachen von Adipositas sind vielfältig. Verhalten und Lebensweise spielen dabei eine entscheidende Rolle. Starkes Übergewicht ist vor allem auf mangelnde Bewegung und übermäßige Ernährung zurückzuführen. Die Therapie umfasst dementsprechend in erster Linie Verhaltens- und Ernährungsmodifikationen. Darüber hinaus kommen für bestimmte Patienten medikamentöse und operative Maßnahmen in Frage.

Epidemiologie

Die Prävalenz von Adipositas nimmt insbesondere in Industrie- und Schwellenländern seit Jahren beständig zu. Von 1975 bis 2018 hat sich die Zahl adipöser Menschen weltweit verdreifacht. Die WHO geht gesamt von mehr als 300 Millionen Menschen mit Adipositas aus. Betroffen sind alle Altersgruppen, jedoch in unterschiedlicher Verteilung. Mit dem Alter steigt auch der Anteil übergewichtiger Patienten. Laut einer Studie vom Robert-Koch-Institut (RKI) zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland ist Adipositas bei Männern in der Altersgruppe von 60 bis 69 Jahren am meisten verbreitet. Frauen sind zwischen dem 70. und 79. Lebensjahr am stärksten betroffen. Darüber hinaus korreliert die Verbreitung von Adipositas mit dem sozioökonomischen Status: Menschen mit hohem Status sind deutlich seltener adipös als Menschen niedriger sozialer Schichten. Dieser Effekt ist insbesondere bei den Frauen zu beobachten.

Am 7. April 2019 publizierte das Statistische Bundesamt aus Anlass des Weltgesundheitstags in einer Pressemitteilung aktuelle Zahlen. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus im Jahr 2017 waren in Deutschland 53 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig (BMI > 25 kg/m2), das heißt mehr als jeder zweite Bundesbürger über 18 Jahren. Der Anteil der adipösen Menschen (MBM > 30 kg/m2) lag bei rund 16 Prozent. Wie in den Jahren zuvor gab es auch 2017 deutlich mehr übergewichtige Männer als übergewichtige Frauen (62 vs. 43 Prozent). Bei den Männern nimmt zudem die Zahl der Übergewichtigen mit dem Alter sichtbar zu. So waren 2017 mehr als 70 Prozent der Männer über 55 Jahren übergewichtig – verglichen mit rund 33 Prozent bei den 20- bis unter 25-jährigen Männern.

Ursachen

Die Ursachen von Adipositas sind multifaktoriell. Neben Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten spielen sowohl psychologische und soziale Komponenten als auch genetische und neurobiologische Faktoren eine Rolle. In den Industrienationen kommen zusätzlich dick-machende Umweltfaktoren, sogenannte obesogenic environments, hinzu. Insgesamt sind sich Wissenschaftler aber einig, dass Übergewicht aus einem über Jahre andauernden Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch resultiert. Überschüssige Energie wird in Form von Fett im Körper eingelagert. Selten tritt Adipositas auch als Folge einer Krankheit oder Medikamenten-assoziiert auf.

Lebensführung und Verhaltensweisen

Schon unsere Vorfahren wussten: Wer zu viel isst oder sich falsch ernährt wird dick – ebenso wie Menschen, die sich hinsichtlich ihrer Energiebilanz zu wenig bewegen. Mit der Nahrung aufgenommene Energie, die vom Organismus nicht verwertet werden kann, wird in Fettdepots gespeichert. Dabei spielen vor allem stark zucker- und fetthaltige Lebens- und Genussmittel eine Rolle. So enthält beispielsweise ein Glas (250 ml) zuckerhaltige Limonade rund 100 kcal – im Gegensatz zu einer Tasse Kräutertee mit 3 kcal. Ein Stück (200 g) mariniertes Schweinenackensteak hat rund 520 kcal, ein gleichschweres Stück Hähnchenbrust nur die Hälfte. Ebenso lohnt der Vergleich bei Backwaren. Ein Stück Rosinenschnecke hat etwa 500 kcal, ein Stück Apfelkuchen nur etwa die Hälfte.

Der Gesamtumsatz eines jeden Menschen setzt sich aus dem Grundumsatz plus Leistungs- bzw. Arbeitsumsatz zusammen. Damit ist die gesamte Energiemenge festgelegt, die ein Organismus pro Tag verbraucht. Jede Kalorie darüber hinaus müsste mittels Bewegung abtrainiert werden. Das wird gemeinhin jedoch unterschätzt. Bleiben wir bei den aufgeführten Beispielen. Zum Ausgleich für das Glas Limonade müsste eine Person mit 60 kg Körpergewicht etwa 63 Minuten Spazierengehen oder 28 Minuten mit dem Rad fahren; für das Schweinenackensteak müsste der Spaziergang 328 Minuten (mehr als 5 Stunden) dauern, die Radtour immerhin 146 Minuten (mehr als zwei Stunden).

Soziokulturelle Faktoren

Fehl- und Überernährung sind häufig soziokulturell geprägt. Prädisponierende Faktoren, die Übergewicht begünstigen, sind unter anderem:

  • Mangelnde Bewegung (z. B. Fahrstuhl statt Treppe, Auto statt zu Fuß gehen)
  • Passive Freizeitgestaltung (z. B. Fernsehen statt Schwimmen, auf dem Sofa lesen statt Hörbuch beim Joggen)
  • Sitzende Tätigkeiten (z. B. Bürojob, Busfahrer)
  • Regelmäßiges Überangebot an Genussmitteln (z. B. täglich Schokolade, Chips)
  • Unregelmäßige Mahlzeiten
  • Ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln
  • Regelmäßig Fast Food (meist mit hohem Fett- und Zuckergehalt)
  • Nahrungsmittel mit Geschmacksverstärker (z. B. Glutamat oder Hefeextrakt zum Appetitanregen)
  • Verführung (z. B. Farbstoffe und Geruchsverstärker, Werbung)
  • Diäten (nach fast jeder Diät folgt der sogenannte Jo-Jo-Effekt)
  • Prägung (zu süße Kindernahrung, Kinderwurst mit Zucker etc.)
  • Essen als Übersprungshandlung (z. B. Essen aus Langeweile, bei Stress oder Frustessen)
  • Essen als Ersatzbefriedigung (z. B. für emotionale oder persönliche Zuwendung)
  • Antiquierte Erziehungsvorstellungen (z. B. der Teller wird leer gegessen oder wenn du nicht aufisst, scheint morgen nicht die Sonne)
  • Kulturelle Bedeutung (z. B. üppiges Essen in China als Statussymbol, Übergewicht als Schönheitsideal in Afrika)

Genetische Komponenten

Grundumsatz, Energieverwertung und Fettverteilung sind genetisch geprägt. Genetische Faktoren beeinflussen dabei Signalmoleküle und -rezeptoren von Hypothalamus und Gastrointestinaltrakt. Diese Faktoren können vererbt werden oder unter bestimmten Bedingungen intrauterin entstehen (sogenanntes genetisches Imprinting). Diskutiert wird beispielsweise die Entstehung von Adipositas infolge einer Anomalie des Melanocortin-4-Rezeptors.

Studien mit Zwillingen und Adoptivkindern, unter anderem in den USA, Finnland und Dänemark, legen nahe, dass die Neigung zu Übergewicht sowie Sozial- und Essverhalten ebenso eine genetische Disposition besitzen. Dabei gleichen beispielsweise Adoptivkinder in ihrem Gewicht eher den biologischen Eltern als den Adoptiveltern. Zwillingsstudien zeigen eine hohe Konkordanz des BMI auch bei getrennt lebenden Zwillingen.

Adipositas aufgrund von Funktionsverlustmutationen bedingtem biallelischem Proopiomelanocortin(POMC)-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem Leptinrezeptor(LEPR)-Mangel.

Bis heute liegen keine Daten zur Auftretenshäufigkeit von Adipositas aufgrund von POMC- oder LEPR-Mangel vor. POMC- und LEPR-Mangel können nur durch Gentests bestätigt werden. Auf der Grundlage der sehr geringen Fallzahlen in der weltweiten Literatur wird geschätzt, dass weniger als 50 Personen mit POMC-Mangel (Challis & Millington, 2013), weniger als 90 Personen mit LEPR-Mangel (Kleinendorst et al., 2020) und weniger als 50 PCKS1-Mangelfälle gemeldet wurden (Stijnen et al., 2016; Argente et al., 2019). POMC-Mangel- oder LEPR-Mangel-Adipositas zeigt sich bereits in der sehr frühen Kindheit.

Adipositas als Folgeerkrankung

Adipositas kann ebenso wie Kachexie Folge einer Suchterkrankung sein. Ess-Süchtige denken dauerhaft an Essen und verzehren zu oft zu viel. Das daraus resultierende Übergewicht gibt Ess-Süchtigen häufig ein Gefühl der Minderwertigkeit und des Versagens. Diese Problematik führt nicht selten zu erneuten Ess-Attacken.

Zu regelrechten Ess-Anfällen kommt es auch bei der Binge-Eating-Störung (BES). Menschen mit dieser Ernährungsstörung empfinden suchtartige Heißhungerattacken. Dabei verzehren sie in kurzer Zeit gewaltige Mengen an Nahrung. Betroffene verlieren dabei jedes Maß und die Kontrolle über die Energiezufuhr. Im Gegensatz zur Bulimie versuchen Binge-Eater nicht, die Ess-Anfälle mit Erbrechen auszugleichen.

Übergewicht und Adipositas können auch Folge von metabolischen Erkrankungen sein. Insbesondere erhöhen Stoffwechselkrankheiten wie Hypothyreose (z. B. im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis), Hyperkortisolismus (z. B. abdominale Fettleibigkeit beim Cushing-Syndrom) oder Hyperinsulinismus (z. B. durch pankreatische Insulinome) das Körpergewicht.

Ebenso können zerebrale Schädigungen (beispielsweise durch ein Kraniopharyngeom) oder hypothalamische Infektionen die Nahrungsaufnahme und damit das Körpergewicht beeinflussen. Das gilt insbesondere, wenn sich die Läsion auf folgende Peptide (und deren Signalwege) auswirkt:

  • Neuropeptid Y (NPY)
  • Agouti-related Peptide (AgRP)
  • α-Melanozyten-stimulierendes Hormon (α-MSH)
  • Cocaine- und amphetamine-regulated transcript (CART)
  • Orexin
  • Melanin-konzentrierendes Hormon (MCH)

Kontrovers diskutiert wird ein Zusammenhang zwischen Adipositas und einer Infektion mit dem Adenovirus Typ Ad-36. Dieses Virus kann Stammzellen zu Fettzellen transformieren. Bislang gibt es aber keinen eindeutigen Beweis für einen Virus-Adipositas-Zusammenhang.

Medikamenten-assoziiertes Übergewicht

Bei etlichen Arzneimitteln ist Gewichtszunahme als Nebenwirkungen aufgeführt. Arzneimittel, die nachweislich mit einem Anstieg des Körpergewichts assoziiert sind, enthalten vor allem Wirkstoffe aus der Gruppe der:

Schlafgewohnheiten und Übergewicht

Schon lange diskutieren Wissenschaftler über den Einfluss der Schlafgewohnheiten auf das Körpergewicht. Einige Studien zeigten dabei tatsächlich, dass eine ausreichend lange Nachtschlafperiode Übergewicht zu verhindern scheint. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang eine Studie mit Schulkindern erlangt. Verglichen mit einer verminderten Schlafdauer führte eine erhöhte Schlafenszeit bei Kindern im Schulalter zu einer verminderten Nahrungsaufnahme, niedrigeren Leptin-Werten im Nüchternzustand und einem geringeren Gewicht.

Pathogenese

Adipositas resultiert aus einem Überangebot der zugeführten Energie gegenüber dem Energieverbrauch. In Industrieländern werden dafür vor allem die kalorienreiche Ernährung und der allgemeine Bewegungsmangel verantwortlich gemacht. Zusammen mit der entsprechenden genetischen Disposition kommt es zur Gewichtszunahme.

Die Nahrungsaufnahme wird über ein kompliziertes Netzwerk aus Hormonen, Proteinen und Neuropeptiden reguliert. Hypothalamische Regelkreise sowie afferente Signale aus Fettgewebe und dem Gastrointestinaltrakt steuern dabei Appetit, Sättigung und Energiehaushalt. Afferente Impulse aus dem Verdauungstrakt, beispielsweise über Cholezystokinin, Gluocagon-like Peptide, Insulin und das Peptid YY (PYY), induzieren durch Interaktion mit Rezeptoren im Hypothalamus ein Sättigungsgefühl. Das im Magen produzierte Ghrelin stimuliert über die Produktion der Neurotransmitter NPY und AgRP (Agouti-related Peptide) die Nahrungsaufnahme.

Adipositas

Besonderen Stellenwert hat darüber hinaus das durch das obese-Gen kodierte Proteohormon Leptin. Das Hormon wird bei ausreichender Energiezufuhr in den Adipozyten produziert. Leptin hemmt im Zusammenspiel mit seinen Rezeptoren im Hypothalamus die Freisetzung des appetitstimulierenden Neuropeptid Y (NPY). Darüber hinaus steigert es den peripheren Energieverbrauch durch Stimulation der beta-adrenergen Rezeptoren und der Uncoupling Proteine (UCP). Adipöse Patienten weisen oft erhöhte Plasma-Leptinspiegel und eine Leptin-Resistenz auf. Genetische Varianten der Leptin-Rezeptoren, beeinflussen die Bindung des Hormons und die Signaltransduktion. Infolge kommt es wie beim Leptin-Defizit zur Entwicklung einer Adipositas.

Das Sättigungsgefühl wird vor allem vom serotonergen System und den Melanocortin (MC)-4 Rezeptor reguliert. Anomalien des Melanocortin-4-Rezeptors und Veränderungen im Pro-Opiomelanocortin (POMC) führen zur Hyperphagie, Insulinresistenz und Adipositas. POMC wird durch posttranskriptionelle Veränderungen in eine Reihe weiterer Hormone transformiert. Dazu gehören beispielsweise das α-Melanozyten-stimulierende Hormon (MSH), das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH) und Beta-Endorphine, die als Liganden des Sättigung vermittelnden MC-4-Rezeptors wirken. Im Normalfall stimuliert Leptin – neben weiteren zentralen und peripheren Effekten – die alpha-MSH-Synthese. Infolge kommt es über den MC-4-Rezeptor zu einer verminderten Nahrungsaufnahme und einer Steigerung des Energieverbrauchs. Aberrationen in dieser Signalkaskade könnten im Gegenzug eine erhöhte Energiezufuhr und eine Einlagerung der überschüssigen Energie in Fettdepots bedingen.

Symptome

Das augenscheinlichste Symptom bei Adipositas ist der vergrößerte Körperumfang. Dabei werden grob zwei Fettverteilungsmuster unterschieden: der Apfel- und der Birnentyp. Beim Apfeltyp liegt eine stammbetonte Fettverteilung vor. Die Fettdepots finden sich dabei im Bauchraum und an den inneren Organen. Dieses intraabdominale Fett wirkt sich besonders negativ auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel aus. Als etwas risikoärmer wird der Birnentyp bewertet, bei dem sich die überschüssigen Fettdepots vor allem im Hüft- und Oberschenkelbereich befinden.

Auswirkungen von Adipositas

Adipöse Patienten können sich aufgrund ihrer Leibesfülle häufig weniger gut bewegen, schwitzen schneller, sind reduziert leistungsfähig und ermüden rascher als normalgewichtige Altersgenossen. Das Übergewicht führt fast immer zu Dyspnoe bei körperlicher Mehrbelastung sowie zu Schmerzen in Gelenken und Wirbelsäule.

Daneben gilt Adipositas als stärkster Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Arteriosklerose, Angina Pectoris, Herzinfarkt, Hypertonie und Schlaganfall (ischämisch und hämorrhagisch). Übergewichtige Personen entwickeln überdurchschnittlich oft eine Herzinsuffizienz. Starkes Übergewicht geht zudem häufig mit metabolischen Störungen wie Diabetes, erhöhten Cholesterinwerten und Hyperurikämie/Gicht einher. Weitere Störungen, die im Zusammenhang mit Adipositas stehen, sind:

  • Gastroösophageale Refluxkrankheiten
  • Karzinome (vor allem Brust- und Darmkrebs, Leukämie und Nierenzellkarzinome)
  • Gallenblasenerkrankungen
  • Hepatische Störungen (insbesondere nichtalkoholische Steatohepatitis und Leberzirrhose)
  • Hämostase-Störungen
  • Degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates (vor allem Wirbelsäulensyndrome, Gonarthrose, Coxarthrose)
  • Demenzen (vor allem Alzheimer- und vaskuläre Demenz)
  • Restriktive Ventilationsstörungen
  • Obstruktive Schlafapnoe (mit der Folge pulmonaler Hypertonie)
  • Hormonelle Störungen wie polyzystisches Ovar-Syndrom, Hyperandrogenämie und Komplikationen während der Schwangerschaft (zum Beispiel Präeklampsie, Gestationsdiabetes) bei Frauen und erniedrigte Testosteron-Spiegel und Fertilitätseinschränkungen bei Männern
  • Erkrankungen der Nieren und ableitenden Harnwege (inkl. Harninkontinenz)
  • Reproduktionsstörungen
  • Erhöhtes Risiko bei Operationen und Narkosen
  • Soziale, wirtschaftliche und psychologische Probleme (inkl. Selbststigmatisierung, verringerte Lebensqualität, Angststörungen, Depressionen)

Metabolisches Syndrom

Mit steigendem BMI erhöht sich die Gefahr des metabolischen Syndroms, auch als tödliches Quartett oder Syndrom X bekannt. Dieser stark risikobehaftete Symptomcluster aus stammbetonter Adipositas (Taillenumfang von ≥ 80 cm bei Frauen und ≥ 94 cm bei Männern), Dyslipoproteinämie, Hypertonie und Glukosetoleranzstörungen wird zu den größten Problemen der Wohlstandsgesellschaft gezählt. Neben Nikotinabusus ist das metabolische Syndrom Hauptrisikofaktor für vaskuläre Erkrankungen, insbesondere der koronaren Herzkrankheit (KHK).

Diagnostik

Adipositas wird in erster Linie anhand der Optik und der Waage diagnostiziert. Zur Beurteilung des Gewichts dient der Körpermasse- bzw. Body-Mass-Index (BMI). Der BMI berechnet sich aus Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat. Bei einer Person mit einer Körpergröße von 1,65 m und einem Gewicht von 80 Kilogramm sieht das wie folgt aus: 80 : 2,72 = 29,4. Laut WHO liegt eine Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2 vor.

Nach WHO-Maßstäben wird das Körpergewicht (BMI: kg/m2) wie folgt differenziert:

  • Normalgewicht: 18,5–24,9
  • Präadipositas bzw. Übergewicht: 25–29,9
  • Adipositas Grad 1: 30–34,9
  • Adipositas Grad 2: 35–39,9
  • Adipositas Grad 3 oder Adipositas permagna bzw. morbide Adipositas: BMI ≥ 40

Für Asiaten, Japaner und die australische Urbevölkerung liegt die Grenze zum Übergewicht bei einem BMI von 23 kg/m2. Muskulöse Athleten und Leistungssportler haben aufgrund der hohen Muskelmasse häufig einen hohen BMI, ohne adipös zu sein.

BMI bei Kindern

Bei Kindern sollte der BMI zur Bestimmung von Übergewicht erst ab dem 1. Lebensjahr herangezogen werden. Zur Beurteilung helfen die alters- und geschlechtsspezifischen Wachstumskurven. Dr. Kromeyer-Hauschild vom Institut für Humangenetik und Anthropologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena empfiehlt für Kinder folgende Grenzbereiche:

  • Normalgewicht: BMI zwischen der 10. und 90. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile
  • Übergewicht: BMI über der 90. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile
  • Adipositas: BMI über der 97. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile
  • Extreme Adipositas: BMI über der 99,5. alters- und geschlechtsspezifischen Perzentile

Messverfahren

Neben dem BMI sollte das Muster der Fettverteilung bestimmt werden. Indikatoren dafür sind der Bauchumfang und das Taille-Hüft-Verhältnis. Darüber hinaus kann das Verhältnis zwischen Bauchumfang und Körpergröße mit der Waist-to-Height Ratio bestimmt werden.

Bauch- bzw. Taillenumfang

Der Bauch- bzw. Taillenumfang wird in der Mitte zwischen dem unteren Rippenbogen und dem Beckenkamm gemessen. Das Maß erlaubt eine Risikobewertung für Folgeerkrankungen. Das Risiko kardiovaskulärer Krankheiten steigt bei Frauen ab einem Bauchumfang von mehr als 80 cm und bei Männern ab 94 cm. Eine viszerale Fettmasse von mehr als 88 cm bzw. 102 cm Bauchumfang steigert das metabolische und kardiovaskuläre Risiko erheblich. Der Bauchumfang sollte bei allen Personen mit einem BMI ≥ 25 gemessen werden.

Taille-Hüft-Verhältnis

Das Taille-Hüft-Verhältnis (THV) oder der Taille-Hüft-Quotient (THQ) gibt das Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang an. Er wird als Quotient aus Umfang der Taille und Umfang der Hüfte berechnet. Die Taille wird dafür in der Mitte zwischen unterem Rippenbogen und Beckenkamm gemessen, die Hüfte an der dicksten Stelle. Das THV sollte bei Frauen kleiner als 0,85 und bei Männern kleiner als 1 sein.

Waist-to-Hight Ratio

Die Waist-to-Height Ratio (WHtR) bzw. das Taille-zu-Größe-Verhältnis beschreibt das Verhältnis zwischen Taillenumfang und Körpergröße. Etliche Experten ziehen die WHtR dem BMI vor, da hiermit eine Aussage über die Verteilung des Körperfettes und dem damit einhergehenden Gesundheitsrisiko getroffen werden kann. Die WHtR ist der Quotient aus Taillenumfang und Körpergröße. Die WHtR-Grenzwerte variieren altersabhängig. Bis zum 40. Lebensjahr liegt der kritische Bereich bei > 0,5, zwischen 40 und 50 Jahren > 0,5–0,6 (pro Lebensjahr verschiebt sich der Wert um 0,01 nach oben) und ab dem 50. Lebensjahr bei > 0,6.

Weitere Diagnostik

Neben einer ausführlichen Anamnese, klinischen Untersuchung und den bereits genannten Messverfahren empfiehlt die interdisziplinäre S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) „Prävention und Therapie der Adipositas“ folgende Untersuchungen:

  • Blutdruck
  • Verfahren zur Ermittlung der Körperfettzusammensetzung
  • Laborchemische Blutanalyse (Nüchternblutzucker, HbA1c, oraler Glukosetoleranztest, Gesamt-, HDL- und LDL-Cholesterin, Triglyzeride, Harnsäure, Kreatinin, Elektrolyte, TSH [ggf. individuelle Parameter wie Dexamethason-Hemmtest bei Verdacht auf Hyperkortisolismus])
  • Ausschluss Mikroalbuminurie, Albumin/Kreatinin-Ratio im Urin
  • EKG, Ergometrie, Herzechographie
  • 24-h-Blutdruck-Messung
  • Schlafapnoe-Screening
  • Oberbauchsonographie, Doppler-Sonographie

Therapie

Die Indikation zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas richtet sich nach dem BMI und der Körperfettverteilung sowie dem Risiko von Komorbiditäten. Grundlage für alle therapeutischen Interventionen sind eine dauerhafte Änderung der Ernährungsgewohnheiten und eine Steigerung der körperlichen Aktivität. Das Therapiekonzept sollte multifaktoriell aufgebaut sein und Elemente der Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie beinhalten. Individuell können auch pharmakotherapeutische und/oder chirurgische Interventionsverfahren sinnvoll sein.

Leitliniengemäß ist eine Therapie indiziert bei:

  • BMI ≥ 30 kg/m2 oder
  • Übergewicht mit einem BMI zwischen 25 und < 30 und gleichzeitigem Vorliegen
    o übergewichtsassoziierter Gesundheitsstörungen (zum Beispiel Hypertonie oder Diabetes mellitus Typ II) oder
    o abdominaler Adipositas oder
    o von Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden oder
    o eines hohen psychosozialen Leidensdrucks

Als Kontraindikationen für eine Therapie gelten konsumierende Erkrankungen und eine Schwangerschaft.

Therapieziele

Eine Gewichtsreduktion bei Adipositas sollte auf langfristiger Ebene mit besonderem Augenmerk der dauerhaften Stabilisierung des Gewichtsverlusts angestrebt werden. Damit verbunden ist die:

  • Verbesserung Adipositas-assoziierter Risikofaktoren
  • Reduktion von Adipositas-assoziierten Krankheiten
  • Verminderung des vorzeitigen Mortalitätsrisikos
  • Verringerung von Arbeitsunfähigkeit
  • Reduktion des Risikos vorzeitiger Berentung
  • Steigerung der Lebensqualität

Die Therapieziele müssen realistisch sein und sich individuell an die jeweilige Persönlichkeit sowie das Umfeld des Patienten anpassen. Folgende Ziele sind innerhalb von sechs bis zwölf Monaten anzustreben:

  • BMI 25 bis 35: > 5 Prozent des Ausgangsgewichts
  • BMI ab 35: > 10 Prozent des Ausgangsgewichts

Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

  • Psychosoziale Gewohnheiten
  • Soziales Umfeld
  • Organmedizinische Gegebenheiten
  • Vorerfahrungen des Betroffenen zur Gewichtsreduktion
  • Stigmatisierung
  • Individuelles Essverhalten
  • Motivation zur Lebensstiländerung
  • Komorbiditäten

Basismaßnahmen

Die Basismaßnahmen beruhen auf einem Drei-Säulen-Programm: Ernährungsumstellung, Bewegungsmanagement und Verhaltenstherapie.

Ernährungsumstellung

Eine Ernährungsumstellung mithilfe professioneller Ernährungsempfehlungen und -beratungen (einzeln oder in Gruppen) sollte individualisiert an die Therapieziele und das jeweilige Risikoprofil angepasst werden. Die Informationen müssen für den Betroffenen verständlich, nachvollziehbar, praxisnah und zielorientiert sein. Empfehlenswert ist die Einbeziehung des näheren persönlichen und beruflichen Umfelds. Extremdiäten wie Crash-Fasten und einseitige Ernährungsformen sind wegen hoher medizinischer Risiken nicht zu empfehlen. Eine gesunde Kost ist abwechslungsreich und beinhaltet frische, saisonale und regionale Produkte mit geringem Zucker- und Fettgehalt. Wiederholte Snacks sind zu vermeiden, ebenso wie raffinierte Kohlenhydrate und stark verarbeitete Lebensmittel. Darüber hinaus sollte der Alkoholgenuss auf ein moderates Niveau reduziert werden. Zuweilen kann es indiziert sein, Mahlzeiten durch Formulaprodukte zu ersetzen. Von einer alleinigen Ernährung mit Formulardiäten ist infolge des hohen Komplikationsrisikos langfristig abzuraten.

Bewegungsmanagement

Ein persönlich abgestimmtes Bewegungsmanagement hilft, eine Negativierung der Energiebilanz zu erzielen. Darüber hinaus werden das Risiko Adipositas-assoziierter Erkrankungen reduziert und die Lebensqualität verbessert. Für eine effektive Gewichtsabnahme sollte sich mindestens 150 Minuten pro Woche mit einem Energieverbrauch von 1.200 bis 1.800 kcal pro Woche bewegt werden. Patienten mit einem BMI > 35 werden für den Bewegungsapparat nicht belastende Sportarten empfohlen. Geeignet sind Ausdauersportarten wie Schwimmen und Radfahren. Aber auch hierbei gilt, die Ziele müssen realistisch und in den Alltag zu integrieren sein.

Verhaltenstherapie

Eine Verhaltenstherapie sollte Bestandteil jeder Gewichtsreduktion sein. Verhaltenstherapeutische Interventionen können im Einzel- oder Gruppensetting erfolgen und sind individuell an die Betroffenen anzupassen. Geeignete Interventionen können auf folgenden psychotherapeutischen Elementen basieren:

  • Selbstbeobachtung von Verhalten und Fortschritt (Körpergewicht, Verzehrmenge, Bewegung)
  • Einübung eines flexibel kontrollierten Ess- und Bewegungsverhaltens (im Gegensatz zur rigiden Verhaltenskontrolle)
  • Stimuluskontrolle
  • Kognitive Umstrukturierung (Modifizierung des dysfunktionalen Gedankenmusters)
  • Zielvereinbarungen
  • Problemlösetraining/Konfliktlösetraining
  • Soziales Kompetenztraining/Selbstbehauptungstraining
  • Verstärkerstrategien (z. B. Belohnung von Veränderungen)
  • Rückfallprävention/Notfallmanagement
  • Strategien zum Umgang mit wieder ansteigendem Gewicht
  • Soziale Unterstützung

Adjuvante pharmakologische Behandlung

Eine medikamentöse Therapie sollte streng ärztlich kontrolliert und ausschließlich in Kombination mit dem Basisprogramm (Ernährungsumstellung, Bewegungsmanagement und Verhaltenstherapie) durchgeführt werden.

Eine Pharmakotherapie kann bei Patienten mit einem BMI ≥ 28 kg/m2 und zusätzlichen Risikofaktoren und/oder Komorbiditäten bzw. mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 bei folgenden Voraussetzungen indiziert sein:

  • Gewichtsabnahme von < 5 Prozent des Ausgangsgewichts innerhalb von sechs Monaten unter Basistherapie
  • Gewichtszunahme von > 5 Prozent des Ausgangsgewichts innerhalb von sechs Monaten nach einer Phase der Gewichtsreduktion

Die medikamentöse Therapie ist nur dann fortzusetzen, wenn innerhalb der ersten vier Wochen eine Gewichtsabnahme von mindestens 2 kg nachweisbar ist.

Gemäß der aktuellen Adipositas-Leitlinie erhält als einziges Arzneimittel Orlistat eine Empfehlung, wenn eine Adipositas medikamentös behandelt werden soll. Orlistat ist derzeitig zur Gewichtsabnahme bei Patienten mit einem BMI ≥ 28 kg/m2 zugelassen. Der Wirkstoff deaktiviert intestinale Lipasen und reduziert dadurch die Absorption von Fetten. Da Orlistat nicht resorbiert wird, sind systemische Nebenwirkungen kaum zu befürchten. Unerwünschte Ereignisse treten in Form öliger Stühle, Flatulenzen und Diarrhoe auf.

Für Patienten mit Diabetes Typ II und einem BMI ≥ 30 kg/m2 können bei unzureichender glykämischer Kontrolle (HbA1c Zielbereich 6,5–7,5 Prozent) unter Metformin GLP-1 Mimetika (Exenatid, Liraglutid, Lixisenatid) und SGLT-2-Inhibitoren (Dapagliflozin) anstelle von Sulfonylharnstoffen/Gliniden indiziert sein. Die GLP-1 Rezeptor Agonisten Exenatid, Liraglutid und Lixisenatid binden an den Glukagon-like-peptide-1-Rezeptor und vermindern über bisher nicht sicher evaluierte Effekte das Körpergewicht. Sie werden subkutan injiziert. Der selektive SGLT-2-Inhibitor Dapagliflozin wird oral aufgenommen. Er hemmt die renale Glukosereabsorption und wirkt so antihyperglykämisch. Die Glucosurie unterstützt in geringem Maß die Gewichtsreduktion. Exenatid, Liraglutid, Lixisenatid und Dapagliflozin sind bei Patienten mit Typ-II-Diabetes nach Erschöpfung der Therapie mit Metformin zugelassen.

Eine Reihe von Arzneimitteln, die ohne Zulassung zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden, sind keinesfalls bei Patienten mit Übergewicht und Adipositas zur Senkung des Körpergewichts zu empfehlen. Hierzu gehören unter anderem:

  • Amphetamine
  • Diuretika
  • HCG
  • Testosteron
  • Thyroxin
  • Wachstumshormone
  • Humanes Choriongonadotropin

Ebenso wenig können Medizinprodukte, Nahrungsergänzungsmittel, Homöopathika und Phytotherapeutika ohne Wirksamkeitsnachweis zur Gewichtsreduktion empfohlen werden. Dazu zählen beispielsweise Brindleberry,  Chitosan, Chrompicolinat, Fucus, Ginkgo biloba, L-Carnitin, Pektin, Rosskastanie und Traubenkernextrakt.

Adipositas durch POMC-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem LEPR-Mangel

Setmelanotid (Imcivree) ist indiziert zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern ab 6 Jahren bei Adipositas und zur Kontrolle des Hungergefühls im Zusammenhang mit genetisch bestätigtem, durch Funktionsverlustmutationen bedingtem biallelischem Proopiomelanocortin(POMC)-Mangel (einschließlich PCSK1) oder biallelischem Leptinrezeptor(LEPR)-Mangel. Setmelanotid ist ein zyklisches Peptidanalogon aus acht Aminosäuren des endogenen Melanocortin-4(MC4)-Rezeptorliganden Alpha-Melanozyten-stimulierendes Hormon (α-MSH) und ein MC4-Rezeptoragonist.

Chirurgische Therapie

Eine chirurgische Therapie sollte erwogen werden, wenn eine extreme Adipositas besteht und die konservative Therapie nicht zum Therapieziel geführt hat. Eine der häufig angewendeten Methoden ist das Magenband. Bei diesem Eingriff wird mit einem Band um den oberen Magenabschnitt ein kleiner „Vormagen“ gebildet. Damit können nur noch kleine Portionen aufgenommen werden. Andere Methoden sind der Magenballon, die Schlauchmagen-OP (Sleeve-Resektion), der Magenbypass (Roux-en-Y-Magenbypass), der Einsatz eines implantierbaren Gastrostimulators (Magenschrittmacher) oder biliopankreatische Diversionen (nach Scopinaro oder mit Duodenal switch).

Ein adipositaschirurgischer Eingriff sollte vorwiegend auf die Verbesserung von Komorbiditäten und die Steigerung der Lebensqualität abzielen. Vor jeder Operation ist die metabolische, kardiovaskuläre, psychosoziale und ernährungsbezogene Situation zu evaluieren. Eine adipositaschirurgische Intervention sollte von ausgewählten Chirurgen (mit Expertise) in Kliniken mit institutioneller Erfahrung in der Adipositaschirurgie durchgeführt werden. Die Patienten sind vor einem etwaigen Eingriff adäquat über das operative Vorgehen, den Nutzen und die Risiken zu informieren.

Nach einer bariatrischen Operation muss eine lebenslange interdisziplinäre Nachsorge gewährleistet sein.
Patienten, die von einer chirurgischen Intervention profitieren können, sind Patienten mit:

  • Adipositas Grad III (BMI ≥ 40)
  • Adipositas Grad II (BMI ≥ 35 und < 40) mit erheblichen Komorbiditäten  
  • Adipositas Grad I (BMI >30 und < 35) bei Patienten mit Diabetes Typ II (Sonderfälle)
  • BMI > 50
  • besonders schweren Adipositas-assoziierten Begleit- und Folgekrankheiten

Als Kontraindikationen adipositaschirurgischer Eingriffe gelten:

  • instabile psychopathologische Zustände
  • konsumierende und neoplastische Erkrankungen
  • aktive Substanzabhängigkeit
  • eine unbehandelte Bulimia nervosa
  • chronische Erkrankungen wie Leberzirrhose
  • andere schwer gesundheitlich einschränkende Erkrankungen, welche sich durch den postoperativen katabolen Stoffwechsel verschlechtern können

Weitere Details zur bariatrischen Chirurgie finden sich in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie.

Prognose

Nach Angaben der WHO nimmt die Anzahl adipöser Menschen weltweit zu, so auch in Deutschland. Am Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels (RZ) skizzierten Wissenschaftler unterschiedliche Szenarien für das Jahr 2030. Den Daten des Statistischen Bundesamts zufolge galten 2009 rund 6,1 Millionen (18,7 Prozent) der über 50-Jährigen in Deutschland als adipös (BMI > 30 kg/m2). Diese Zahl wird bis 2030 voraussichtlich weiter steigen. Drei der berechneten Zukunftsmodelle bezeichneten die Forscher als Basisszenario, Positivszenario und Negativszenario.

Basisszenario

Die Berechnungen des Basisszenarios basieren darauf, dass der ansteigende Trend der adipösen über 50-Jährigen (gemessen von 1999–2009) unverändert anhält. Demnach steigt der Anteil der adipösen über 50-Jährigen im Jahr 2030 um 80 Prozent – eine Steigerung von ca. 19 auf etwa 34 Prozent. Damit wären 2030 etwa ein Drittel aller über 50-Jährigen adipös (BMI > 30 kg/m2).

Positivszenario

Beim Positivszenario berechneten die Wissenschaftler, wie sich die Zahlen entwickeln, sofern sich der Anstieg der adipösen über 50-Jährigen zwischen 1999 und 2009 um 75 Prozent verringert. In diesem Fall würde der Anteil der adipösen Personen älter als 50 von ca. 19 auf etwa 21,5 Prozent ansteigen. Damit wären 2030 etwas mehr als ein Fünftel aller über 50-Jährigen adipös (BMI > 30 kg/m2).

Negativszenario

Beim Negativszenario skizzierte das Team die Entwicklung, wenn sich das Tempo der Zunahme der adipösen über 50-Jährigen (gemessen von 1999–2009) verdoppelt. In dem Fall würde der Anteil dieser Personengruppe in Deutschland von ca. 19 auf etwa 41,5 Prozent ansteigen. Das heißt, mindestens vier von zehn Menschen über 50 Jahren wären 2030 fettleibig (BMI > 30 kg/m2).

Prophylaxe

Der Stellenwert der Adipositas-Prophylaxe muss in den nächsten Jahren stärker in den Vordergrund rücken. Mit einer steigenden Anzahl von Übergewichtigen und Adipösen würden die Folgen für Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen, Einschränkungen im Alltag, Morbidität und Mortalität steigen. Deshalb fordert die aktuelle Leitlinie gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, um einer Gewichtserhöhung über das Normalmaß hinaus entgegenzuwirken.

Primäres Prophylaxeziel auf Bevölkerungsebene sollte dabei eine Gewichtsstabilisierung sein. Aus gesundheitlichen Gründen wird Erwachsenen maximal ein BMI von 25 kg/m2 und/oder ein Taillenumfang von 80 cm (Frauen) bzw. 94 cm (Männer) empfohlen – so die Ansicht der meisten Leitlinien-Experten. Um die erwähnten Ziele im Erwachsenenalter zu erreichen, müsse neben der Präventionsaktivität des Einzelnen (Verhaltensprävention) auch auf eine Verhältnisprävention im sozialen Umfeld gesetzt werden. Hilfreiche Angebote dafür könnten Kommunen, Bildungseinrichtungen, Sozialkassen, Betriebe, Behörden und Lebensmittelindustrie sowie Einrichtungen zur Personenbeförderung liefern.

Präventionsmaßnahmen

Die Frage, welche Präventionsmaßnahmen besonders geeignet und effektiv sind, ist nicht einfach zu beantworten. Bislang gibt es dazu nur vergleichsweise wenige valide Untersuchungen. Die zu diesem Thema vorliegenden Studien sind nicht ausreichend belastbar, um konkrete Empfehlungen zur Art der Präventionsmaßnahmen auszusprechen. Grundsätzlich aber erscheint ein Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung und bedarfsadäquater Ernährung als sinnvoll, um eine Gewichtszunahme über das normale Maß hinaus zu verhindern.

Als Präventivmaßnahmen empfehlen die meisten Experten der aktuellen Adipositas-Leitlinie den Verzehr von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte zu reduzieren und den Verzehr von Lebensmitteln mit geringer Energiedichte zu erhöhen. Darüber hinaus sollte der Genuss von Fast Food, Alkohol und zuckerhaltigen Softdrinks verringert werden. Einigkeit besteht in der Empfehlung einer regelmäßigen körperlichen Bewegung und einer zeitlichen Begrenzung sitzender Tätigkeiten. Dabei könnten ausdauerorientierte Bewegungsformen und Präventionsmaßnahmen, die mehr Bewegung und/oder gesunde Ernährung am Arbeitsplatz fördern, hilfreich sein.

Hinweise

Nachteile einer Gewichtsabnahme

Mit einer Gewichtsabnahme sind nicht nur positive Effekte verbunden. Das gilt vor allem für eine rasche, starke Abnahme des Körpergewichts. Werden übermäßige Kilos verloren, erhöht sich beispielsweise das Risiko für Gallensteinerkrankungen. Die Gallensteinbildung ist umso häufiger, je schneller und ausgeprägter das Körpergewicht sinkt. Darüber hinaus kann bei starker Gewichtsreduktion die Knochendichte abnehmen. Ein systematisches Review von Beobachtungsstudien zeigt, dass eine Gewichtsreduktion mit einer erhöhten Rate von Knochenschwund in der Hüfte und im Lumbalbereich sowie mit einem erhöhten Risiko für die Abnahme der Knochendichte assoziiert ist.

Des Weiteren belegen verschiedene Studien gesundheitliche Nachteile, die infolge eines „weight cycling“ entstehen können. „Weight cycling“ beschreibt eine wiederholte bewusste Gewichtsreduktion mit anschließender Gewichtszunahme (sogenannter Jo-Jo-Effekt). Unterschiedliche Studien zeigen, dass Menschen mit „weight cycling“ innerhalb von vier bis sechs Jahren signifikant mehr Gewicht zunehmen als Personen ohne diesen Jo-Jo-Effekt. Daraus könnten sich folgende gesundheitliche Nachteile ableiten:

  • erhöhtes Risiko für die kardiovaskuläre Morbidität
  • Zunahme der Gesamtmortalität
  • erhöhtes Risiko für Bluthochdruck bei adipösen Frauen
  • erhöhtes Risiko für symptomatische Gallensteine bei Männern
Autor:
Stand:
01.06.2022
Quelle:
  1. Mensink et al. Übergewicht und Adipositas in Deutschland: Werden wir immer dicker? Robert Koch Institut. DEGS-Symposium „Gemessen und gefragt – die Gesundheit der Deutschen unter der Lupe“. 14. Juni 2012.
  2. Statistisches Bundesamt. Pressemitteilung Nr. 14. Zahl der Woche. 2. April 2019.
  3. Hart C. N. et al. Changes in Children’s Sleep Duration on Food Intake Weight, and leptin. Pediatrics. 132, 2019, S. e1473–e1480 (DOI:10.1542/peds.2013–1 274).
  4. Kromeyer-Hauschild K. et al. Referenzwerte für den Body-Mass-Index für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in Deutschland. Anpassung der AGA-BMI-Referenz im Altersbereich von 15 bis 18 Jahren. Adipositas 9(3):123–1 27.
  5. Kromeyer-Hauschild K. et al. Perzentile für den Body Mass Index für das Kindes- und Jugendalter unter Heranziehung verschiedener deutscher Stichproben. Monatsschrift Kinderheilkunde 149(8):807–818.
  6. S3 Leitlinie Adipositas – Prävention und Therapie. Registernummer 050–001. Gültig bis 30. April 2019.
  7. Westphal, C. et al. Projections of trends in overweight in the elderly population in Germany until 2030 and international comparison. Obesity Facts 7(2014)1, 57–68. (DOI: 10.1159/000358738).
  8. EMA: Fachinformation Imcivree

Abbildung

Adapted from „Key Metabolic Mechanisms on Body Weight Regulation”, by BioRender.com

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