Low-Carb-Diät senkt HbA1c bei Prädiabetes

Typ-2-Diabetes wäre meist vermeidbar, wenn frühzeitig interveniert würde. Möglich wäre das über die Ernährung. Aktuell werden unter anderem Low-Carb-Diäten als potenzielle Präventionsmaßnahme diskutiert. Eine amerikanische Studie hat sich das in Bezug auf Prädiabetes genauer angeschaut.

Low Carb-Diät

In der westlichen Medizin wird mehr behandelt als vorgebeugt. Das ist gerade bei häufig vermeidbaren Erkrankungen wie dem Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) problematisch, denn dieser geht mit einer hohen Krankheitslast für die Betroffenen und Komorbiditäten einher. Zusätzlich verursachen die steigenden Prävalenzen weltweit hohe Gesundheitskosten. Eine Option, den T2DM zu vermeiden, ist bereits im Stadium des Prädiabetes diätetisch einzugreifen. Häufig geschieht eine solche Intervention mittels Kalorienrestriktion und verringerter totaler Fettaufnahme. Es ginge jedoch möglicherweise auch anders.

Studien haben in der Vergangenheit bereits angedeutet, dass Low- oder Moderate-Carb-Diäten mit weniger als 45% Energiegewinnung aus Kohlenhydraten mindestens genauso effektiv sein könnten wie Low-Fat-Diäten. Low- und Moderate-Carb-Diäten bedeuten, dass wenig Kohlenhydrate aufgenommen werden und die Hauptenergielieferanten in der Ernährung andere sind. Sowohl die Low-/Moderate-Carb-Diäten als auch die Low-Fat-Diät führen zu Gewichtsverlust und verbessern kardiovaskuläre Risikofaktoren. Je weniger Kohlenhydrate dabei aufgenommen werden, desto stärker sinkt der HbA1c, wie Metaanalysen mit Menschen mit T2DM in der Vergangenheit zeigen konnten. Das könnte für die Prävention einen interessanten Ansatz bieten.

Welchen Effekt Low-Carb-Diäten aber auf den HbA1c bei Menschen haben, die bisher nur einen Prädiabetes aufweisen und keine Antidiabetika brauchen, lässt sich bisher nur sehr bedingt einschätzen. Deshalb hat sich eine amerikanische Studie mit dem Thema befasst. Die Daten wurden im Journal »JAMA Network« veröffentlicht.

Zielsetzung

Ziel der Studie war es, herauszufinden, welchen Effekt eine Low-Carb-Ernährung auf den HbA1c hat. Zielgruppe waren Menschen mit einem erhöhten, aber unbehandelten HbA1c. Würde sich hier ein Effekt einer Verhaltensintervention zeigen, wenn die Betroffenen über sechs Monate eine Low-Carb-Ernährung einhielten?

Methodik

Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von sechs Monaten. Teil der klinischen Studie waren zwei parallel stattfindende Gruppeninterventionen im Zeitraum von September 2018 bis Juni 2021 in akademischen Medizinzentren in New Orleans in Louisiana, USA.

Eingeschlossen wurden Menschen zwischen dem 40. Und 70. Lebensjahr, die einen unbehandelten HbA1c von 6,0% bis 6,9% (42-52 mmol/mol) hatten. Erhielten sie Antidiabetika oder hatten einen Diabetes mellitus Typ 1, konnten sie nicht teilnehmen.

Interventionen

Alle Teilnehmenden wurden in eine von zwei Gruppen randomisiert: die Interventionsgruppe oder die Kontrollgruppe. Die sechsmonatige Studienzeit wurde für die Interventionsgruppe in zwei Phasen unterteilt. In Phase 1, der „Go Low“-Phase, sollten sie drei Monate lang weniger als 40 g netto Kohlenhydrate pro Tag zu sich nehmen. In der Phase 2, der „Keep it Low“-Phase, galt für die folgenden drei Monate eine tägliche Netto-Kohlenhydrataufnahme von weniger als 60 g bzw. so gering wie möglich. Die Kontrollgruppe ernährte sich klassisch. Gewichtsziele gab es in beiden Gruppen nicht.

Die Teilnehmenden der Interventionsgruppe erhielten ein Handbuch mit Ernährungsrichtlinien und Rezepten sowie Anweisung, die Netto-Kohlenhydrataufnahme zu reduzieren und gezielt bestimmte Lebensmittel zu sich zu nehmen. In der „Go Low“-Phase fanden in den ersten vier Wochen wöchentliche individuelle Sitzungen statt, danach viermal Kleingruppensitzungen jede zweite Woche, gefolgt von vier Telefon-Follow-Ups. Während der „Keep it Low“-Phase fanden dreimal monatliche Gruppensitzungen und drei telefonische Follow-Ups statt. Ab März 2020 wurden die Termine überwiegend per Videokonferenz durchgeführt.

Die Kontrollgruppe erhielt schriftliche Informationen mit Standardernährungsratschlägen. Optional konnten sie monatlich an edukativen Terminen zu Themen unabhängig von der Ernährung teilnehmen.

Beiden Gruppen wurden schriftliche Informationen zu empfohlenen körperlichen Aktivitäten gemäß dem US Department of Health and Human Services zur Verfügung gestellt.

Datensammlung

Zu Beginn der Studie sowie nach drei und nach sechs Monaten wurden Daten gesammelt und standardisierte Fragebögen mit den Teilnehmenden ausgefüllt. Zu den erhobenen Daten zählten die Größe, das Gewicht, der Taillenumfang, Blutdruck und Blutproben zu den wichtigsten Biomarkern bei Prädiabetes und Diabetes mellitus Typ 2. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden gebeten, je zwei vierundzwanzigstündige Ernährungsprotokolls zu den jeweiligen Terminen mitzubringen. Eines sollte an einem Wochentag und eines an einem Tag am Wochenende ausgefüllt werden.

Outcome

Als primäres Outcome wählte das Forschungsteam Veränderungen im HbA1c nach sechs Monaten.

Ergebnisse

In die Studie wurden 150 Menschen eingeschlossen, von denen 95% die gesamte Studie abschlossen. Knapp Dreiviertel der Teilnehmenden waren weiblich (72%) und etwas mehr als die Hälfte dunkelhäutig (59%). Das durchschnittliche Alter lag bei 58,9 Jahren (Standardabweichung: 7,9). Alle Teilnehmenden wurden zu gleichen Teilen in die beiden Gruppen randomisiert.

Der durchschnittliche HbA1c lag bei 6,16% (Standardabweichung: 0,30%) und 87% der Teilnehmenden hatte zu Beginn der Studie unbehandelt einen HbA1c kleiner als 6,5%. Der durchschnittliche BMI lag bei 35,9 kg/m² (±6,7) und der Nüchternblutzucker war statistisch gesehen in der Interventionsgruppe höher als in der Kontrollgruppe.

Ernährung und Sport

Zu Beginn der Untersuchungen ernährten sich beide Gruppen ähnlich. Das änderte sich jedoch mit der Intervention. In dieser Gruppe lag die Gesamtkalorienaufnahme nach drei Monaten netto bei -389 kcal (95%-Konfidenzintervall [KI] -613 bis -166 kcal; p<0,001). Nach sechs Monaten betrug dieser Wert -456 kcal (95%-KI -689 bis -224 kcal; p<0,001). Auch die Aufnahme von Kohlenhydraten netto, zugefügtem Zucker, Süßungsmitteln und ähnlichem war ähnlich der täglichen glykämischen Belastung in der Interventionsgruppe niedriger als in der Kontrollgruppe.

Bei 9 (13%) der Teilnehmenden in der Interventionsgruppe waren nach drei Monaten Ketonkörper im Urin messbar. Nach sechs Monaten hingegen nur noch bei 4 (6%) der Teilnehmenden. In der Kontrollgruppe stieg die Zahl der Teilnehmenden von 2 (3%) nach drei Monaten auf 3 (4%) nach sechs Monaten.

Primäres und Sekundäres Outcome

Als primäres Outcome galten Veränderungen im HbA1c nach sechs Monaten. Diese traten in beiden Gruppen ein, waren jedoch in der Interventionsgruppe mit der Low-Carb-Diät deutlich größer. Nach sechs Monaten unterschieden sich die Interventionsgruppe und die Kontrollgruppe im HbA1c um eine Nettodifferenz von -0,23% (95%-KI 0,32% bis -0,14%, p<0,001) zu Gunsten der Interventionsgruppe. Auch der Nüchternblutzucker war in der Low-Carb-Gruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe mit -10,3 mg/dL (95%-KI -15,6 bis -4,9 mg/dL, p<0,001), ebenso das Körpergewicht mit -5,9 kg (95% KI -7,4 bis -4,4 kg, p<0,001).

Blutdruck, Cholesterin Gesamt-HDL und das 10-Jahres ASCVD-Risiko sanken zwar in beiden Gruppen, der Unterschied war jedoch nur in der Interventionsgruppe statistisch signifikant.

Nebenwirkungen und unerwünschte Ereignisse

Jede Intervention birgt das Risiko unerwünschte weitere Wirkungen hervorzurufen. Bei der Studie waren beide Gruppen ähnlich häufig betroffen. Ausgenommen davon war allerdings die Rate an Muskelkrämpfen. Hier waren Teilnehmende in der Interventionsgruppe signifikant häufiger von betroffen. Nach drei Monaten gaben 35% (95%-KI 11% bis 46%) in der Interventionsgruppe an, Muskelkrämpfe zu haben, während es in der Kontrollgruppe nur 19% (95%-KI 11% bis 29%) waren (p=0,03). Nach sechs Monaten lag die Rate bei 34% (95%-KI 11% bis 46%) versus 19% (95%-KI 11% bis 30%; p=0,04)

Fazit

Eine Low-Carb Diät kann die Glukosestoffwechsellage verbessern, wenn Menschen bereits einen unbehandelten Prädiabetes haben. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Ernährungsumstellung sank der HbA1c signifikant. Inwieweit das jedoch ein Effekt der Ernährungsumstellung ist oder des durch die Low-Carb-Diät verursachten Gewichtsverlusts, lässt sich mit den vorliegenden Daten nicht sagen.

Eine Low-Carb-Diät könnte jedoch helfen, einen Prädiabetes zu behandeln und einen T2DM zu vermeiden. Da viele Menschen mit Prädiabetes bereits medikamentös behandelt werden, muss jedoch bei einer Ernährungsumstellung die Medikation gegebenenfalls angepasst werden, da sonst das Hypoglykämierisiko steigen könnte.

Autor:
Stand:
07.12.2022
Quelle:

Dorans K.S. et al. (2022): Effects of a Low-Carbohydrate Dietary Intervention on Hemoglobin A1c - A Randomized Clinical Trial. JAMA Network Open. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.38645.

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