Ganzkörper-MRT zur Diabetesprognose

Übergewichtige Menschen gelten als besonders gefährdet für Typ-2-Diabetes. Dabei ist es jedoch nicht allein entscheidend, wie viel jemand wiegt, sondern vor allem auch wo sich das Fettgewebe im Körper befindet.

MRT Auswertung

Diabetes mellitus Typ 2 ist mit ca. 500 Millionen Betroffenen ein weltweites Problem. Die Erkrankung  geht einher mit einer Insulinresistenz, bei der Insulin im Zielgewebe in normalen Dosen keinen ausreichenden Effekt mehr erzielen kann. Es gibt viele verschiedene Erklärungsansätze, wie Typ-2-Diabetes entsteht. Übergewicht gilt dabei epidemiologisch gesehen als einer der großen Treiber. Es entwickelt jedoch nicht jeder übergewichtige Mensch im Laufe seines Lebens einen Diabetes mellitus Typ 2. Gleichzeitig erkranken auch Menschen , die nicht übergewichtig sind.

Fettverteilung beeinflusst Diabetesrisiko

Bereits seit Längerem wird deshalb vermutet, dass nicht Übergewicht an sich zur Entstehung eines Typ-2-Diabetes beiträgt. Viel entscheidender könnte sein, wo im Körper Fettgewebe vorhanden ist und wie  überschüssiges Fett eingelagert wird. Menschen, bei denen sich abdominelles Fett vorrangig tiefer ansammelt, sind gefährdeter, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln als solche, bei denen das Fett in metabolisch inaktiven Körperregionen eingelagert wird.

Einfluss auf die Insulinresistenz

In der Praxis haben Menschen, bei denen das Fett vor allem subkutan abdominell oder an den Oberschenkeln eingelagert wird, vermutlich protektive Triglyzeridreserven, die die Insulinsensitivität eher erhalten als reduzieren. Befinden sich Fettkompartimente hingegen in der Nähe von Arterien, scheinen sie eine entscheidende Rolle für die Pathophysiologie von Insulinresistenz, Insulinsekretion und möglicherweise in Folge auch metabolische Komplikationen zu spielen. Es ist beispielsweise bekannt, dass Fettdepots in der Nähe der brachialen Arterie mit einer Insulinresistenz in Verbindung stehen und Fettgewebe im renalen Sinus Nephropathien begünstigen kann. Fettdepots bei der Bauchspeicheldrüse gelten als möglicherweise verantwortlich dafür, dass weniger Insulin ausgeschüttet wird.

Bestimmung der Fettverteilung

Bisher ist es jedoch schwierig, Fettverteilungen zu messen und zu bestimmen, die für Betroffene risikoreicher sind. Das Verhältnis Hüfte- und Taillenumfang lässt nur wenig Rückschließen, wie das Körperfett tatsächlich verteilt ist. Präziser wären Ganzkörper-Magnetresonanztomographie (MRT)-Aufnahmen in T1-Wichtung. Aber auch sie bergen ein Risiko, dass nur bestimmte Regionen betrachtet werden und auf den ersten Blick unwahrscheinlichere Bereiche nicht beachtet werden. Das könnte möglicherweise durch Computer-gestützte Systeme umgangen werden. Eine neue Studie um Benedikt Dietz vom ETH in Zürich, Schweiz, und Jürgen Machann von der Eberhardt-Karls Universität in Tübingen hat sich nun mit diesem Thema befasst. Die Arbeit wurde im JCI Insight publiziert.

Zielsetzung

T1-gewichtete MRT-Aufnahmen erlauben es zu untersuchen, wie Körperfett im menschlichen Körper verteilt ist. Darüber lassen sich möglicherweise unbekannte Charakteristika der Fettverteilung entdecken, die dazu beitragen könnten, dass ein Typ-2-Diabetes entsteht. In der Studie sollte überprüft werden, inwieweit Modelle maschinellen Lernens solche Analysen akkurat durchführen können.

Methodik

Für die Studie wurden MRT-Aufnahmen von Teilnehmenden verwendet, bei denen derzeit ein metabolisches Screening mittels oralem Glukosetoleranztest durchgeführt wurde. Die meisten Teilnehmenden hatten zum Zeitpunkt der MRT-Aufnahmen keinen Diabetes mellitus Typ 2, jedoch ein erhöhtes Risiko (familiäre Vorgeschichte von Typ-2-Diabetes, BMI >27 kg/m² oder bekannter Prädiabetes). Alle Teilnehmenden waren während der MRT-Untersuchung nüchtern; die Untersuchungen fanden am frühen Morgen statt, gefolgt von einer gesundheitlichen Untersuchung, der Anamnese und einem oralen Glukosetoleranztest (oGTT).

Quantifiziert wurden das Volumen des gesamten Fettgewebes, des viszeralen Fettgewebes und des Fettgewebes der oberen Extremitäten. Insgesamt wurden 2.555 Ganzkörperscans von 1.080 Teilnehmenden anhand von acht Kategorien untersucht: den vier binären Kategorien Geschlecht, Diabetes, Prädiabetes und Diabetes mit begleitendem gestörtem Nüchternblutzucker (IFG) und gestörter Glukosetoleranz (IGT) sowie vier weiteren Kategorien mit Body Mass Index (BMI), Insulinsensitivität und glykolysiertem Hämoglobin. Ebenso wurde untersucht, ob MRT-Aufnahmen der verschiedenen Körperregionen für die jeweiligen Kategorien besonders relevant waren.

Mittels maschinellem Lernen und Dense Convolutional Neural Networks, kurz DCNN, wurden Modelle entwickelt, die hinsichtlich der acht Kategorien trainiert wurden. Mit diesen Modellen sollten Variablen in den 2.371 T1-gewichteten Aufnahmen entdeckt werden, die mit Diabetes in Verbindung gebracht werden konnten. Die Ergebnisse wurden mit konventionellen Modellen verglichen.

Ergebnisse

In der Studie wurde untersucht, ob es sich mittels MRT vorhersagen lässt, welche Teilnehmenden Diabetes haben oder wahrscheinlich entwickeln werden. Die hierzu zunächst trainierten Modelle für Diabetes und die anderen Kategorien erreichten für die Geschlechtszuordnung ~99% Area Under the Receiver Opertator Curve, kurz AUROC. Für die Diabeteskategorien lagen die Werte bei ~85% für Diabetes und ~70% für Prädiabetes und die anderen Diabeteskategorien. Beides war konventionellen Modellen überlegen. Gesamt lag die AUROC für Diabetes bei 0,87.

Auch die mittleren absoluten Regressionsfehler waren vergleichbar zwischen den Modellen und konventionellen Untersuchungen: Der normalisierte mittlere absolute Fehler (mean absolute error, kurz MAE) für Alter lag bei 0,17 und war äquivalent zu ±10 Jahren mittlerem Fehler. Für den BMI lag er bei 0,07 mit einem mittleren Fehler von ±2 kg/m² und 0,13 für den HbA1c mit einem durchschnittlichen Fehler von ±0,4%. Der Insulinsensitivitätsfehler von 0,26 korrelierte mit einem mittleren Fehler von ±10,2 AU und hatte damit die niedrigste Regressionsperformance bei den kontinuierlichen Outcome-Variablen.

Sensitivitätsanalyse mit verschiedenen Modellen

Für die verschiedenen Kategorien waren unterschiedliche Bilder bzw. Bildausschnitte relevant. Um das Geschlecht zu detektieren, reichten auch verkleinerte Bilder aus. Dies funktionierte jedoch nicht für die Kategorie Diabetes oder Prädiabetes - dort waren die AUROC-Werte niedriger. Rein abdominelle Bilder hatten nur einen leichten Einfluss auf die Diabetesdiagnose, jedoch gar keinen in der Kategorie Diabetes mit IFG+IGT. Wurden die gleichen Modelle jedoch nur mit dem ersten Scan der jeweiligen Teilnehmenden laufen gelassen, erreichten auch sie niedrigere AUROC-Werte für Diabetes und Prädiabetes, blieben aber bei den erweiterten Diabeteskategorien vergleichbar präzise diagnostisch wie im Originaldatensatz.

Heatmaps

Die Heatmaps zeigten an, dass besonders die tieferen abdominalen Regionen kritisch waren: Sie waren nicht nur mit einem Anstieg in der Diabeteskategorie (89%) verbunden und dadurch relevanter dafür, dass die Modelle den Diabetes erkennen konnten. Auch in der Kategorie Diabetes mit IFG+IGT war sie mit 84% gehighlighted deutlich höher - unabhängig davon, wie prominent die Region bei den jeweiligen Teilnehmenden war. Für Prädiabetes lag der Wert bei 69%. Die oberen Beinregionen (66%), die Arme (51%) und die Nackenregion (51%) wurden ebenfalls als relevant detektiert. Um das Geschlecht zu bestimmen, wurde die obere Thoraxregion, inklusive der Brüste, als eine der Hauptregionen mit 73% gehighlighted angegeben. Für die Armen und Beinen wurden Werte von 67% und 61% respektive gefunden. Für den BMI waren in den Heatmaps mit 64% die oberen Beinregionen wichtig, für die Insulinsensitivität die gleichen Regionen mit 70%.

Wurde mittels Clustering weiter unterteilt, ließen sich sogar Subphenotypen für Diabetes und Prädiabetes feststellen. Diese Cluster konnten einen zukünftigen Diabetes statistisch signifikant vorhersagen (N=586 mit Follow-up Daten, durchschnittliche Follow-up-Zeit 4±3.7 Jahre, Anzahl der Ereignisse=48, p<0.0001), ebenso eine entstehende Mikroalbuminurie (N=550 mit Follow-up-Daten, durchschnittliche Follow-up-Zeit 4.3±3.6 Jahren, Anzahl der Ereignisse=95, p=0.004). Anthropometrische Variablen zeigten hier unterschiedlich starke Effekte, waren jedoch in einem Cluster mit einem statistisch signifikant erhöhten Diabetesrisiko und Mikroalbuminurie vergesellschaftet (p=0,01 und p=0,03).

Fazit

Ganzkörper-MRT-Aufnahmen können helfen, das Diabetesrisiko besser einzuschätzen und einen Diabetes auch ohne weitere Daten zu erkennen. Dafür sind State-of-the-Art statistische Modelle der Körperfettkompartimente notwendig. Nicht jede Region mit Fettgewebe birgt jedoch das gleiche Risiko - viszerale Adipozyten wirken sich je nach Region unterschiedlich auf den Metabolismus aus. Fettgewebe in der Nackenregion, schlussfolgern die Studienautoren, könne verstärkt mit einer Insulinresistenz zusammenhängen, während die oberen Beinbereiche besonders für eine Insulinsensitivität relevant wären. Charakteristika im tiefer gelegenen unteren Abdomen hingegen sind zwar besonders mit Diabetes assoziiert, nicht aber mit Insulinsensitivität.

Heatmap-Visualisierungen können dabei zusätzlich helfen, anatomisch verdächtige Regionen aufzudecken und zu verdeutlichen, welche Rolle Fettansammlungen im unteren Abdomen für die Pathogenese von Diabetes spielen.

Machines Lernen könne deshalb  dabei helfen, Diabetes von Ganzkörper-MRT-Aufnahmen zu klassifizieren, schlussfolgert das Forscherteam. Der Fokus zukünftiger Studien könnte hauptsächlich auf abdominellen MRTs liegen, da diese Regionen sich als besonders relevant in der Studie gezeigt haben.

Autor:
Stand:
28.10.2021
Quelle:

Dietz B. Et al. Diabetes detection from whole-body magnetic resonance imaging using deep learning. JCI Insight, 2021, In press. DOI: 10.1172/jci.insight.146999

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