
Hintergrund Diabetes-Surveillance
„Rund sieben Millionen Menschen mit Diabetes mellitus leben derzeit in Deutschland. Für die wirksame und zielgruppengerechte Verbesserung von Prävention und Versorgung sind Gesundheitspolitik, Gesundheitsforschung, Krankenversorgung und Public-Health-Praxis auf verlässliche Daten und Fakten angewiesen. Mit dem Aufbau der Nationalen Diabetes-Surveillance wurde für Deutschland erstmals ein verlässliches und umfassendes Instrument geschaffen, das eine regelmäßige, auf aussagekräftige Kennzahlen gestützte Diabetesberichterstattung bietet,“ so Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn, im Grußwort zum Bericht der nationalen Diabetes-Surveillance 2019 [1]. Das Projekt wird vom Robert Koch-Institut (RKI) durchgeführt und vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert.
Referenzauswertung vorgelegt
Prävalenz und Inzidenz des dokumentierten Diabetes sind wesentliche Kennzahlen, für die im Rahmen der Nationalen Diabetes-Surveillance eine wiederkehrende Ermittlung geplant ist.
Eine Arbeitsgruppe um Dr. Christian Schmidt vom RKI in Berlin hat nun eine Referenzauswertung für die Surveillance vorgelegt. Unter Beachtung der Datentransparenzverordnung werteten die Experten ambulante und stationäre Versorgungsinformationen zu allen rund 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten aus. Die Falldefinition umfasste gesicherte Diagnosen gemäß ICD-10-Codes E10.- bis E14.-.
Für das Jahr 2011 wurde für die gesetzlich Versicherten eine Diabetesprävalenz von 9,7 % (Frauen: 9,4 %, Männer: 10,1 %) ermittelt. Typ-2- und Typ-1-Diabetes zeigten eine Prävalenz von 7,5 % bzw. 0,28 %. Im Jahr 2012 erkrankten 565.040 Versicherte neu an Diabetes, entsprechend 1,0 % der Versicherten (Frauen: 1,0 %, Männer: 1,1 %) [2].
Kritik aus der Fachgesellschaft
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßte den Bericht, mahnte aber an, dass die Zahlen zur stationären Diabetesversorgung unzureichend abgebildet und somit weit unterschätzt würden. Der RKI-Report berücksichtige lediglich die niedrig vergütete und deshalb kaum kodierte Hauptdiagnose Diabetes. „Die genannten Zahlen suggerieren, dass die Krankenhausfälle mit Diabetes seit 1998 leicht abgenommen haben – doch nur, weil Diabetes als Nebendiagnose technisch herausfällt“, erklärt DDG Pressesprecher Professor Dr. med. Baptist Gallwitz. Dadurch werde der tatsächliche stationäre Versorgungsbedarf Betroffener nicht realistisch dargestellt.
Tatsächlich leide entsprechend einer im Auftrag der DDG erstellten Analyse jeder siebte Krankenhauspatient an Diabetes. Die DDG bekräftigte die Forderung nach einer Nationalen Diabetesstrategie. Die medizinische Versorgung für Menschen mit Diabetes sollte durch adäquate Medizinerausbildung und -weiterbildung sichergestellt und verbessert werden. Die flächendeckende Versorgung sollte durch niedergelassene Allgemein- und Fachärzte gewährleistet werden. Außerdem sollten eine angemessene Behandlung und Pflege im Krankenhaus sowie moderne Medikamente zur Verfügung stehen. Daher sei es wichtig, den Bedarf realistisch abzubilden [3].