Menschen mit Diabetes mellitus haben per se ein erhöhtes Infektionsrisiko, weil die Stoffwechselerkrankung mit einer veränderten Immunantwort einhergeht, erklärte Professor Dr. Barbara Ludwig von der diabetologischen Abteilung der Universitätsklinik in Dresden [1]. Da viele Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes älter und übergewichtig oder adipös sind und Komorbiditäten haben, kommen bei ihnen mehrere Risikofaktoren für eine schweren Verlauf einer COVID-19-Infektion zusammen. Es gibt aber auch diabetes-spezifische Mechanismen, die zum hohen COVID-19-Risiko von Menschen mit Diabetes beitragen.
Komplexe Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Diabetes
Eine akute Hyperglykämie führt beispielsweise zu einer verstärkten Expression des Angiotensin-konvertierenden Enzyms 2 (ACE2), das eine wesentliche Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus in Zellen darstellt. Zudem gibt es Hinweise, dass die Expression von ACE2 auf Betazellen im Pankreas einen direkten Effekt auf die Zellfunktion dieser Zellen haben könnte. Das erklärt möglicherweise die Beobachtung, dass nach COVID-19-Infektionen gehäuft Diabetes-Neuerkrankungen auftreten [2].
Viele COVID-19-Tote hatten Diabetes
Auf etwa 30% bezifferte Ludwig den Anteil der an Menschen mit Diabetes an allen COVID-19 Verstorbenen. Ein Typ-2-Diabetes verdoppelt gegenüber vergleichbaren Personen ohne Diabetes das Risiko, an COVID-19 zu versterben, betonte sie. Ein Typ-1-Diabetes erhöht das Mortalitätsrisiko im Zusammenhang mit COVID-19 sogar um den Faktor 3,5.
Eine gute Kontrolle verringert das Sterberisiko
Das hohe Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf bei Diabeteserkrankung ließ sich auch in einer chinesischen Kohorte von SARS-CoV-2-positiven Patientinnen und Patienten ohne und mit Typ-2-Diabetes zeigen: Bei bestehendem Diabetes mellitus Typ 2 war das Mortalitätsrisiko um den Faktor 3 erhöht. Allerdings überlebten 98,9% der von Diabetes Betroffenen mit gut kontrolliertem Blutzucker (Varianz im Blutzuckerspiegel zwischen 3,9-10,0 mmol/l bzw. 70-180 mg/dl). Bei schlechter Blutzuckerkontrolle (höchste Werte im Tagesverlauf >10 mmol/l) verstarben dagegen 11% der Personen mit Typ-2-Diabetes.
Impferfolg bei schlechter Blutzuckerkontrolle mangelhaft
Für Menschen mit Typ-1-Diabetes zeigte sich auch beim Erfolg der SARS-CoV-2-Impfung eine Abhängigkeit von der Blutzuckerkontrolle [4]. Dr. Ghadeer Alhamar überprüfte bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit Typ-1-Diabetes das Ansprechen auf zwei Impfungen mit dem mRNA-Vakzin BNT162b2 in Abhängigkeit von der „Time-in-Range“ (TIR, Zeit im Zielbereich 3,9-10,0 mmol/l bzw. 70-180 mg/dl) bei der kontinuierlichen Blutzuckermessung. Das Impfansprechen 35 Tage nach der zweiten Impfung korrelierte gemessen anhand der Immunglobulin-G-Antikörper positiv mit der TIR und negativ mit der Zeit oberhalb des Zielbereichs. Insbesondere bei einer TIR ≥70% fand sich eine verbesserte Impfantwort. Das zeigt, wie wichtig eine gute Blutzuckerkontrolle bei Diabetes ist – im Hinblick auf die COVID-19-Prävention ebenso wie auf das COVID-19-Management.