Mehr Ketoazidosen und Todesfälle bei Typ-1-Diabetes und Essstörung

Entwickeln junge Diabetikerinnen und Diabetiker eine Essstörung, haben sie häufig eine schlechtere glykämische Kontrolle als andere. Damit sind sie eine Hochrisikogruppe für diabetische Ketoazidosen, wie eine Kohortenstudie nun nachwies.

Essstörung

Essstörungen treten gehäuft bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Jugendliche, die einen Diabetes mellitus Typ 1 haben, sind häufiger von Essstörungen betroffen als andere Gleichaltrige. Warum das so ist, lässt sich nur schwer beantworten. Vermutlich kommen viele Punkte zusammen. Als mögliche Faktoren werden häufig diskutiert, dass Typ-1-Diabetikerinnen und Diabetiker alle Mahlzeiten planen müssen. Ernährung ist immer mit dem Zählen von Kohlenhydraten, dem Blutzuckermonitoring, Gewichtskontrollen und Co. verbunden. Das erhöht das Risiko, eine Essstörung zu entwickeln. Einige nutzen die Insulindosierung, um ihr Gewicht künstlich zu reduzieren oder eine mögliche Überernährung zu kompensieren.

Schlechte glykämische Kontrolle durch Essstörung

Entwickeln junge Typ-1-Diabetikerinnen und Diabetiker eine Essstörung, haben sie häufig eine deutlich schlechtere glykämische Kontrolle als Gleichaltrige ohne Essstörung. Der HbA1c ist höher, das klinische Outcome des Diabetes schlechter. Damit einher gehen mehr Retinopathien, Nephropathien, schwere Hypoglykämien, diabetische Ketoazidosen aber auch häufigere und längere Krankenhausaufenthalte. Therapien für die Essstörungen werden häufiger abgebrochen und sind gleichzeitig weniger effektiv. Wie sich all das auf die Mortalität dieser speziellen Gruppe auswirkt, ist unbekannt. Dafür braucht es große Populationsstudien. Eine neue Studie aus Kanada um das Team von Nicole K. Gibbings von der University of Toronto in Ontario soll dazu nun neue Informationen liefern. Die Ergebnisse wurden im Journal »Diabetes Care« veröffentlicht.

Zielsetzung

In der Populationsstudie sollte untersucht werden, wie das Risiko für diabetische Ketoazidosen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit einem Diabetes mellitus Typ 1 und einer Essstörung ist. Verglichen werden sollten diese Daten mit denen von Gleichaltrigen mit Typ-1-Diabetes ohne Essstörung.

Methodik

Die Studie wurde als populationsbasierte Kohortenstudie durchgeführt. Dazu wurden Daten aus der Datenbank des Gesundheitssystems der gesamten Bevölkerung von Ontario in Kanada extrahiert. Ausgewählt wurden alle Menschen mit einem Typ-1-Diabetes mellitus, die im Januar 2014 zwischen 10 und 39 Jahren alt waren und zu diesem Zeitpunkt bereits diagnostiziert waren. Dieser Datensatz wurde weiter gefiltert nach den Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zusätzlich eine Essstörung in der Anamnese aufwiesen. Anschließend wurden sie 1:10 mit Gleichaltrigen gematcht, die nicht mit einer Essstörung diagnostiziert wurden, aber ebenfalls einen Typ-1-Diabetes aufwiesen.

Als primäre Outcomes wurden diabetische Ketoazidosen und die Gesamtmortalität innerhalb der folgenden sechs Jahre definiert. Beides wurde hinsichtlich Hospitalisationen und Besuche in der Notaufnahme untersucht.

Ergebnisse

Die Datenbankanalyse ergab in der betroffenen Region 20.035 Jugendliche und junge Erwachsene mit einem Diabetes mellitus Typ 1. Sie wurden in die Studie eingeschlossen. Von diesen Personen hatten 168 (0,8%) zusätzlich eine Essstörung in ihrer Vorgeschichte. Sie wurden in einem Verhältnis von 1:10 mit 1.680 Teilnehmenden mit einem Typ-1-Diabetes mellitus und ohne Essstörung gematcht. Diese Gruppe stellte die Vergleichsgruppe dar.

Unter den Teilnehmenden waren die mit einer Essstörung überwiegend weiblich, meist älter und bereits länger an einem Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt. Die grobe Inzidenz von diabetischen Ketoazidosen lag bei 112,5 pro 1.000 Patientenjahren in der Gruppe mit Essstörung und 30,8 bei der Vergleichsgruppe. Wurden die Daten an Baseline-Unterschiede angepasst, ergab sich eine Hazard Ratio (HR) für den Vergleich der beiden Gruppen von 3,30 (95%-Konfidenzintervall [KI] 2,58-4,23; p<0,0001). Die Gesamtmortalität lag bei 16,0 pro 1.000 Personenjahren für Eingeschlossene mit einer Essstörung und bei 2,5 für die Vergleichsgruppe. Adjustiert ergab sich dadurch eine HR von 5,80 (95%-KI 3,04-11,08; p<0,0001).

Frauen mit Essstörungen hatten ein etwas höheres Risiko für diabetische Ketoazidosen und damit verbundene Hospitalisierungen als Männer. Bei Männern hingegen war das Sterberisiko höher als bei weiblichen Gleichaltrigen.

Zum Vergleich: Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Diabetes mellitus Typ 1 sind 0,2% von einer Essstörung betroffen. Die Gesamtmortalität liegt hier bei 2,5 pro 1.000 Personenjahren gegenüber 0,4 pro 1.000 Personenjahren, wenn keine Essstörung vorliegt. Die adjustierte HR lag bei 5,83 (95%-KI 4,71-7,22; p<0,0001).

Fazit

Jugendliche und junge Erwachsene mit einem Typ-1-Diabetes mellitus gehören zu einer Hochrisikogruppe, wenn sie zusätzlich eine Essstörung entwickelt haben. Diese Kombination aus Diabetes und Essstörung führt zu einem dreifach höheren Risiko für diabetische Ketoazidosen und daraus resultierenden Hospitalisationen. Das Risiko zu versterben ist sogar sechsfach höher als bei Gleichaltrigen ohne Essstörung.

Deshalb empfehlen die Studienautorinnen und -autoren, Screeningtools zu implementieren, die bei Routineterminen für Typ-1-Diabetikerinnen und Diabetiker eingesetzt werden, um ein gestörtes Essverhalten frühzeitig zu entdecken und behandeln zu können.

Autor:
Stand:
09.11.2021
Quelle:

Gibbings NK. Et al. Diabetic ketoacidosis and mortality in people with type 1 diabetes and eating disorders. Diabetes Care 2021; 44(8): 1783-1787. DOI: 0.2337/dc21-0517

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