Eine Schwangerschaft ist eine Gratwanderung für das Immunsystem: einerseits muss die Abwehr hochgefahren werden, um Mutter und Kind zu schützen, andererseits müssen das zumindest halb-fremde Gewebe des Kindes, Trophoblasten und Plazenta immunologisch toleriert werden. Bei einigen Frauen kommt es hierbei zu Problemen. Es bilden sich Antikörper gegen Trophoblasten-Antigene. Doch die Trophoblasten sind wichtig für die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft. Und sind diese Antikörper erst einmal gebildet, wird jede Schwangerschaft erneut gestört.
Im Fokus: Trophoblasten-Antikörper
Um Frauen vor den habituellen Aborten zu bewahren, haben Gynäkologen und Labormedizinern der Universitätsklinik München (LMU) diese pathophysiologischen Vorgänge und besonders die Funktion der Trophoblasten-Antikörper erforscht [1].
Sie suchten mittels Blutanalyse bei 66 Frauen mit wiederholten Fehlgeburten unklarer Ursache in Trophoblastenzellen nach Molekülen, die eine solche Antikörperbildung hervorrufen könnten. Bei der Analyse der Antikörperspezifitäten (anhand der Immunreaktivität gegenüber einer humanen Trophoblasten-Zelllinie) fanden sich bei 36 der Probandinnen Anti-Trophoblasten-Antikörpern (ATAB), 30 Frauen wiesen keinen dieser Antikörper auf.
Antigenbindungsstelle alpha-Enolase
In der näheren Analyse rückte das Enzym alpha-Enolase in den Fokus der Forscher. alpha-Enolase kommt in vielen ausdifferenzierten Säugerzellen vor und ist ein multifunktionales Enzym der Glykolyse. Es wirkt unter anderem wachstumsstimulierend.
Jetzt konnte die alpha-Enolase als häufige Antigenbindungsstelle für Antikörper gegen Trophoblasten identifiziert werden. Bei 39 % der Frauen mit ATAB war das Enzym Bindungspartner der Antikörper. ATAB lösen eine Zerstörung der Trophoblasten aus. Damit sinkt auch die hCG-Produktion durch Trophoblasten- und Plazentagewebe. hCG (humanes Choriongonadotropin) wiederum trägt dazu bei, die Schwangerschaft zu erhalten, indem es die Bildung von Progesteron ankurbelt. Steigt also der Spiegel an α-Enolase-Antikörpern, kommt es ab einer bestimmten Konzentration zu einem Stopp der Trophoblasten- und Plazenta-Entwicklung und nachfolgend zum Abort.
Mit Immunglobulinen gegen ATAB
Fazit der Münchner Wissenschaftler: alpha-Enolase-spezifische Antikörper taugen als neuer Biomarker, um eine mögliche Ursache von Fehlgeburten zu erkennen. Bei wiederholten Fehlgeburten unklarer Genese lohne sich also ein Test auf alpha-Enolase-spezifische Antikörper.
Und auch an der therapeutischen Konsequenz wird in München gearbeitet: Beim Nachweis von Auto-Antikörpern gegen Trophoblasten-Antigene könnten derzeit bereits gepoolte, polyvalente Immunglobuline aus Spenderinnen-Blut der Auto-Immunreaktionen entgegenwirken und so die Schwangerschaft retten.