Computermodell simuliert Spermienmigration im Genitaltrakt

Um den Mechanismen, die Spermien erfolgreich zur Eizelle führen, auf die Spur zu kommen, haben Zoologen ein Computermodell entwickelt, dass die Passage von Spermien durch den weiblichen Genitaltrakt simuliert. Damit konnten Schlüsselfaktoren für den erfolgreichen Transit der männlichen Keimzellen ohne den Einsatz von Tierversuchen identifiziert werden.

Spermien Eizelle

In Sachen Spermien setzt Mutter Natur bei Säugetieren offenbar auf das Prinzip Überfluss – nach dem Motto „Einer wird’s schon schaffen die Eizelle zu erreichen!“ - werden beim Paarungsakt Millionen Spermien in den Genitaltrakt geschossen. Bekanntlich klappt dies auch in den meisten Fällen.

Reproduktionsforschung für Mensch und Tier

Doch was tun, wenn nicht gerade Millionen von Spermien zur Verfügung stehen? Beispielsweise bei andrologischen Erkrankungen oder bei der Zucht seltener Tiere? Hier kommt die Reproduktionsforschung ins Spiel. Um optimale Bedingungen für Samenzellen zu schaffen, muss man erst einmal wissen, womit die Spermien auf ihrem Weg zur Eizelle zu kämpfen haben. Um diesen Schlüsselfaktoren der Spermienmigration auf die Spur zu kommen, haben Wissenschaftler der Humboldt-Universität Berlin und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) hat ein Raum-Zeit-Modell des weiblichen Genitaltraktes entwickelt.

Daten aus der Rinderzucht

Für dieses Computermodell bedienten sich die Forscher hauptsächlich der Daten aus der Rinderzucht – schließlich dort werden seit Jahrzenten künstliche Besamungen vorgenommen. Daher lehnt sich lehnen das Modell eng an das Fortpflanzungssystem der Rinder an. Das betrifft vor allem die Geometrie des weiblichen Genitaltrakts sowie die biophysikalischen Prinzipien der Spermienbewegung, wie sie im Reagenzglas beobachtet werden. So  schwimmen Spermien bevorzugt gegen einen Flüssigkeitsstrom (positive Rheotaxis) und bewegen sich entlang von Wandstrukturen (Thigmotaxis).

Um sicher zu stellen, dass das Modell lebensnah die tatsächlichen Bewegungen der Spermien abbildet, wurden die Ergebnisse aus der Simulation mit publizierten Daten, die von lebenden Tieren stammen, verglichen. Es stellte sich heraus, dass beispielsweise die beobachtete Anzahl an Spermien, die in einer bestimmten Zeit den Eileiter erreichen, mit der in den Simulationen produzierten Anzahl übereinstimmte. Auch dass physikalische Eigenschaften wie die Geschwindigkeit und die Geradlinigkeit der Bewegung ein erfolgreiches Spermium aus machen, konnte am Modell bestätigt werden.

Erfolgsfaktor: gegen den Strom schwimmen zu können

Als weiteren wichtigen Erfolgsfaktor stellte sich am Modell heraus, dass auch die Fähigkeit der Spermien, gegen den Strom des Sekrets des Gebärmutterhalses zu schwimmen sowie sich an den Wänden des Genitaltrakts entlangzubewegen, einen enormen zusätzlichen Einfluss darauf hat, ob das Spermium in die Nähe der Eizelle gelangt.

Besamungszeitpunkt kann besser bestimmt werden

Die jetzt schon gewonnenen Erkenntnisse könnten künftig bei der Konditionierung von Spermien in Verfahren der künstlichen Fortpflanzung berücksichtigt werden. Das betrifft beispielsweise den Zeitpunkt einer künstlichen Befruchtung. Denn es gibt artspezifisch ein optimales Zeitfenster für die Ansammlung von Spermien im Eileiter mit Bezug zum Zeitpunkt des Ei-sprungs.

Die Forscher sehen in den Vorhersagen, die in diesem experimentellen System der Computersimulation generiert werden, das Potenzial, die assistierte Fortpflanzung bei bedrohten Tierarten, Nutztieren und beim Menschen zu verbessern, ohne dass Tierversuche zum Einsatz kommen.

Autor:
Stand:
06.09.2021
Quelle:
  1. Pressemitteilung „Spermienmigration im Genitaltrakt – Computer-simulationen identifizieren Schlüsselfaktoren für den Reproduktionserfolg“ des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. vom 15.7.2021
  2. Jorin Diemer et al. (2021): Sperm migration in the genital tract - in silico experiments identify key factors for reproductive success. PLOS Computational Biology. 
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