
Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in allen Kulturen gegenwärtig. Das war schon allgemein bekannt, bevor die #Me-too-Bewegung die Aufmerksamkeit dazu verstärkt hat. Auch wenn es viele soziologische Studien zu sexueller Gewalt Vergewaltigungen gibt, so fehlten bisher aktuelle Studien zur Prävalenz, mit der Mädchen und Frauen zu ihrem ersten Geschlechtsverkehr (GV) gezwungen werden. Und auch zu den gesundheitlichen Folgen gab es kaum epidemiologische Angaben.
Mehr als 13.000 Frauen befragt
Diese Wissenslücke wollten Frauenärztinnen aus New York und Boston schließen. In einer großen Erhebung, im Rahmen der National Survey of Family Growth, aus den Jahren 2011 – 2017, nahmen 13.310 US-amerikanische Frauen im Alter zwischen 18 und 44 Jahren teil. Darin wurden sie gefragt, ob ihr „erstes Mal“ freiwillig geschah oder erzwungen wurde. Hierbei ging es nicht nur um physische Gewalt, sondern auch um psychische wie Nötigung – beispielsweise die Drohung, die Beziehung zu beenden, wenn sie nicht „mitmacht“. Diese Angaben wurden dann zu einer Reihe demographischer, soziographischer und reproduktionsmedizinischer Parameter in Beziehung gesetzt.
Die Frage zur Prävalenz ließ sich nun beantworten: 6,5 % der Frauen wurden zu ihrem ersten GV gezwungen.
Erzwungener erster Sex: jüngere Mädchen durch ältere Männer
Die Betroffenen waren im Durchschnitt jünger als Frauen, die ihr „erstes Mal“ freiwillig hatten: 15,6 Jahre versus 17,4 Jahre alt (P < 0,001).
Die Partner der Mädchen mit erzwungenem Sex waren im Mittel sechs Jahre älter als die der Mädchen, die sich freiwillig auf ihre Entjungferung eingelassen hatten. (27,0 vs. 21,0 Jahre).
Häufiger Abtreibungen und Endometriose
Bei der Befragung stellten sich auch gesundheitliche – vor allem gynäkologisch relevante – Unterschiede heraus.
So kam es bei 30 % der Frauen mit erzwungenem „ersten Mal“ zu einer ungewollten ersten Schwangerschaft, bei den „Freiwilligen“ war dies bei 18, 9 % der Fall (adjustierte Odds Ratio aOR 1,9; 95%-Konfidenzintervall 1,5 – 2,4).
Eine Abtreibung hatten 24,1% der Frauen mit erzwungenem Sex, und 17,3% der Kontrollgruppe (aOR 1,5; 95%-KI 1,2 – 2,0) hinter sich.
Von den Frauen, deren Entjungferung erzwungen worden war, litten 10,4 % an Endometriose, jedoch nur 6,5 % der Frauen mit freiwilligem ersten Sex (aOR 1,6; 95%-KI 1,1 – 2,3).
Unterleibsentzündung traten mehr als doppelt so häufig in der „Erzwungenen-Gruppe“ (8,1%) wie in der „Freiwilligen -Gruppe“ (3,4%) auf ( aOR 2,2; 95%-KI 1,5 – 3,4).
Auch der Drogenkonsum war in der ersten Gruppe mit 2,6% höher als in der Gruppe, die sich auf ihren ersten Sex freiwillig eingelassen hatten (0,7%; aOR 3,6; 95%-KI 1,8 – 7,0).
Statistische Verzerrungen möglich
Ergebnis durch Scham verzerrt?
Die Autoren weisen in ihrem Fazit darauf hin, dass die Zahlen noch vor der #MeToo-Kampagne erhoben wurden, die einen offeneren Umgang mit sexueller Gewalt eingeleitet hat. Angaben zur Intimsphäre seien statistisch mit Vorsicht zu betrachten, da sie durch Scham, Prüderie oder andere Aspekte des sozialen Umfeldes beeinflusst werden. Das mache sie statistisch etwas weniger belastbar bzw. kann zu Verzerrungen führt. Dennoch belegten die Ergebnisse der Umfrage, dass der erste GV von Frauen häufig erzwungen wird und mit einem deutlich höheren Risiko für gesundheitliche und soziale Probleme einhergeht.